weil – so die Studentenschaft – dort kein examensrelevantes Wissen vermittelt werde.
Das IfS mußte erfreulicherweise nicht dieselbe Erfahrung mit seiner 11. Winterakademie machen, die sich diesmal dem Thema „Islam“ aus verschiedener, vor allem: aus grundsätzlicher Sicht widmete und die mit 50 Zuhörern ausgesprochen gut besucht war.
Die insgesamt sieben Vorträge kreisten um zwei Schwerpunkte: Wesen und Geschichte des Islams sowie seine gegenwärtige politische Bedeutung, vor allem für Europa. Mit letzterem setzten sich vor allem Dr. Erik Lehnert, Leiter des IfS, und Felix Menzel, Chefredakteur der Blauen Narzisse, in ihren Referaten auseinander. Lehnert sprach über den Islam in Deutschland und wies darauf hin, daß sich ein breiteres Interesse am Islam trotz massenhafter muslimischer Einwanderung in Deutschland erst allmählich entwickelt habe. Das gehe so weit, daß es keinerlei zuverlässige statistische Daten darüber gebe, wie viele Muslime gegenwärtig in Deutschland leben; Schätzungen reichen von drei bis sieben Millionen. Politisch werde das Thema in erster Linie im Hinblick auf die Frage der Religionsfreiheit und ihrer Grenzen diskutiert. Lehnert verwies in diesem Zusammenhang auf den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, für den Religionsfreiheit nur vom Boden des Grundgesetzes aus, also im Bewußtsein der institutionellen Trennung von Staat und Religion, denkbar ist. Dem Islam als Weltanschauung, die ausdrücklich beides miteinander verbindet, könne daher in diesem Sinne keine volle Religionsfreiheit zugesprochen werden, so Schachtschneider.
Menzel schilderte in seinem Vortrag Eindrücke aus Rotterdam, der ersten europäischen Großstadt mit fremdländischer Mehrheitsbevölkerung. Neben den augenfälligen Überfremdungszeichen im öffentlichen Raum sei vor allem bemerkenswert, wie wenig „offen“, „tolerant“ und an „Dialog“ interessiert sich europäische Moscheen jenseits öffentlichkeitswirksamer „Tage der offen Tür“ zeigen. Selbst in der Islamischen Universität Rotterdam gebe es zwar oberflächliche Dialogbereitschaft, in Wirklichkeit finde aber nichts dergleichen statt. Daß es trotz allem nicht zu – von konservativer Seite oft erwarteten –Anzeichen eines „molekularen Bürgerkriegs“ (Hans-Magnus Enzensberger) komme, führte Menzel auf die Anonymität der Großstadt zurück und auf das freiwillige Ausweichen der Autochthonen in die „Puppenhäuser“ in den städtischen Randbezirken.
Einen grundsätzlichen, dabei aber stark an den gegenwärtigen Konfliktlinien orientierten Blick auf den Islam und sein Verhältnis zum Christentum warfen die Vorträge von Manfred Kleine-Hartlage und Prof. Karl-Heinz Kuhlmann. Anknüpfend an die Religionsfreiheitsdebatte machte Kleine-Hartlage die Verschränkung von religiöser und politischer Sphäre im Islam deutlich, die einer Privatisierung und Individualisierung dieser Religion im Wege stehe. Hinzu komme ein islamisches Menschenbild, das von der umfassenden Perfektibilität desjenigen Menschen ausgehe, der den Willen Allahs befolge. Daraus wiederum resultiere ein muslimisches Überlegenheitsgefühl allen anderen Religionen gegenüber, was sich in gewaltsamer Missionierung und in der Unterdrückung der „Ungläubigen“ niederschlage.
Europa dagegen habe unter dem Eindruck des Christentums ein dem Islam diametral entgegengesetztes Menschenbild entwickelt, nach welchem der Mensch als Sünder das Gottesreich niemals aus eigener Kraft und auf Erden erreichen könne. Kuhlmann wiederum konstatierte, das Christentum in Deutschland und Europa gebe unter dem Eindruck von Aufklärung und Toleranz seine eigene religiöse Tradition auf. Selbst innerhalb der Theologie greife die Rede von den „Schwesterreligionen“ um sich, die in Abraham eine gemeinsame Wurzel hätten und alle denselben Gott verehrten. Das aber sei nur um den Preis einer Aufgabe des christlichen Dogmas und der christlichen Tradition überhaupt zu haben, die dann letztlich nicht etwa dem „Dialog“, sondern dem islamischen Expansionsdrang zugute komme.
In einen größeren historischen und systematischen Rahmen wurde das Thema durch die Vorträge von Dr. Karlheinz Weißmann und Prof. Dr. Harald Seubert eingeordnet. Weißmann ging der Tradition europäischer Orient- und Islamsehnsucht nach. Bereits Martin Luther habe im Zuge der Türkenkriege die Strenge und Organisiertheit des Islams als vorbildlich gepriesen. Nietzsche, der notorische Christenhasser, habe schließlich sogar bedauert, daß der Islam sich in den Kriegen gegen Europa nicht habe durchsetzen können. Seit Ende des 19. Jahrhunderts sei die Orientsehnsucht dann langsam auch in breitere Bevölkerungsschichten durchgesickert. Weißmann betonte allerdings, daß es sich dabei – von Einzelfällen abgesehen – immer nur um eine Faszination aus der Ferne handle.
Der Europäer sei vielfältig beeindruckbar, aber gerade seine innere Differenziertheit mache den Schritt zurück in die Einfachheit weder möglich noch erstrebenswert. Eine flächendeckende islamische Mission in Europa hielt Weißmann deshalb für ausgeschlossen. Das bestätigte letztlich auch Seuberts Vortrag, der das Verhältnis von Orient und Okzident behandelte. Spätestens mit der islamischen Eroberung des oströmischen Reiches sei die Brücke zwischen Abend- und Morgenland gekappt worden. Aber schon das antike Griechenland habe sich mit seiner Orientierung an Staat und Geschichte von der Mythosorientierung Kleinasiens abgegrenzt. Gegen die allseits modischen Postmodernismen und Konstruktivismen hielt Seubert deshalb daran fest, daß der Gegensatz von Orient und Okzident keine „Erfindung“ ist, sondern Realitäten beschreibt.
Besonders Interessantes, weil nur selten so fundiert Vorgetragenes berichtete der Islamforscher Dr. Gerd-Rüdiger Puin. Seine Schilderungen des islamwissenschaftlichen Betriebs in Deutschland bestätigten die Befürchtung, daß auch dort die politisch korrekten Vorgaben so groß sind, daß eine offene Debatte unmöglich wird. Eine historisch-kritische Koranforschung gebe es praktisch nicht, was auch nicht verwundere, da eine solche die Einheitlichkeit und die Datierung des Korans massiv in Frage stellen würde. Statt dessen würden innerhalb des wissenschaftlichen Betriebes unreflektiert traditionell-muslimische Legenden über die historischen Ursprünge des Islams kolportiert. Was die Frage des Verhältnisses von Islam und Islamismus betreffe, so stellte Puin fest, daß islamistische Terroristen den Koran keineswegs verzerren oder fehlinterpretieren, sondern die zahlreichen Gewaltaufrufe lediglich auch als gegenwärtige Handlungsaufforderung verstünden. „Friedliche“ Koranverse gebe es eigentlich gar nicht. Hierbei handle es sich um bewußte oder unbewußte Fehldeutungen oder um bloße Gerüchte. Die meisten Muslime, die entsprechendes vortrügen, täten dies durchaus in gutem Glauben, und zwar schlicht aus Unkenntnis des Korans. Vor diesem Hintergrund erscheint die Hoffnung, die gegenwärtig in bessere Bildung der Muslime gesetzt wird, mindestens als problematisch.
Hinzu kommt, daß auch ungebildete Muslime für islamistische Propaganda ansprechbar sind. Das wurde am Filmabend der Akademie deutlich, an dem der in der Türkei wie in Europa erfolgreiche Kinofilm „Tal der Wölfe“ gezeigt wurde. Unter den Akademieteilnehmern löste der Film Befremden und – von der Machern nicht intendierte – Heiterkeit aus. Zu bizarr und amateurhaft sind der Plot und die handwerkliche Umsetzung der Geschichte vom türkischen James-Bond-Verschnitt, der mit arabischer Hilfe die christlich-amerikanischen Besatzer bekämpft, als daß der Film ernst genommen werden könnte. Um so bedenklicher, daß genau das in der Türkei offensichtlich geschieht und der Film unter muslimischen Jugendlichen auch in Deutschland so beliebt ist.
Mehrere der Vorträge auf der 11. Winterakademie sind in der Februar-Ausgabe der Sezession verschriftlicht.