11. Winterakademie des IfS zum „Islam“ – Ein Bericht

von Johannes Ludwig

Vor wenigen Jahren hat der Neutestamentler Klaus Berger resigniert darauf hingewiesen, daß seine Lehrveranstaltungen über den Koran schlecht oder gar nicht besucht würden,...

weil – so die Stu­den­ten­schaft – dort kein examens­re­le­van­tes Wis­sen ver­mit­telt werde.

Das IfS muß­te erfreu­li­cher­wei­se nicht die­sel­be Erfah­rung mit sei­ner 11. Win­ter­aka­de­mie machen, die sich dies­mal dem The­ma „Islam“ aus ver­schie­de­ner, vor allem: aus grund­sätz­li­cher Sicht wid­me­te und die mit 50 Zuhö­rern aus­ge­spro­chen gut besucht war.

Die ins­ge­samt sie­ben Vor­trä­ge kreis­ten um zwei Schwer­punk­te: Wesen und Geschich­te des Islams sowie sei­ne gegen­wär­ti­ge poli­ti­sche Bedeu­tung, vor allem für Euro­pa. Mit letz­te­rem setz­ten sich vor allem Dr. Erik Leh­nert, Lei­ter des IfS, und Felix Men­zel, Chef­re­dak­teur der Blau­en Nar­zis­se, in ihren Refe­ra­ten aus­ein­an­der. Leh­nert sprach über den Islam in Deutsch­land und wies dar­auf hin, daß sich ein brei­te­res Inter­es­se am Islam trotz mas­sen­haf­ter mus­li­mi­scher Ein­wan­de­rung in Deutsch­land erst all­mäh­lich ent­wi­ckelt habe. Das gehe so weit, daß es kei­ner­lei zuver­läs­si­ge sta­tis­ti­sche Daten dar­über gebe, wie vie­le Mus­li­me gegen­wär­tig in Deutsch­land leben; Schät­zun­gen rei­chen von drei bis sie­ben Mil­lio­nen. Poli­tisch wer­de das The­ma in ers­ter Linie im Hin­blick auf die Fra­ge der Reli­gi­ons­frei­heit und ihrer Gren­zen dis­ku­tiert. Leh­nert ver­wies in die­sem Zusam­men­hang auf den Staats­recht­ler Karl Albrecht Schacht­schnei­der, für den Reli­gi­ons­frei­heit nur vom Boden des Grund­ge­set­zes aus, also im Bewußt­sein der insti­tu­tio­nel­len Tren­nung von Staat und Reli­gi­on, denk­bar ist. Dem Islam als Welt­an­schau­ung, die aus­drück­lich bei­des mit­ein­an­der ver­bin­det, kön­ne daher in die­sem Sin­ne kei­ne vol­le Reli­gi­ons­frei­heit zuge­spro­chen wer­den, so Schachtschneider.

Men­zel schil­der­te in sei­nem Vor­trag Ein­drü­cke aus Rot­ter­dam, der ers­ten euro­päi­schen Groß­stadt mit fremd­län­di­scher Mehr­heits­be­völ­ke­rung. Neben den augen­fäl­li­gen Über­frem­dungs­zei­chen im öffent­li­chen Raum sei vor allem bemer­kens­wert, wie wenig „offen“, „tole­rant“ und an „Dia­log“ inter­es­siert sich euro­päi­sche Moscheen jen­seits öffent­lich­keits­wirk­sa­mer „Tage der offen Tür“ zei­gen. Selbst in der Isla­mi­schen Uni­ver­si­tät Rot­ter­dam gebe es zwar ober­fläch­li­che Dia­log­be­reit­schaft, in Wirk­lich­keit fin­de aber nichts der­glei­chen statt. Daß es trotz allem nicht zu – von kon­ser­va­ti­ver Sei­te oft erwar­te­ten –Anzei­chen eines „mole­ku­la­ren Bür­ger­kriegs“ (Hans-Magnus Enzens­ber­ger) kom­me, führ­te Men­zel auf die Anony­mi­tät der Groß­stadt zurück und auf das frei­wil­li­ge Aus­wei­chen der Auto­chtho­nen in die „Pup­pen­häu­ser“ in den städ­ti­schen Randbezirken.

Einen grund­sätz­li­chen, dabei aber stark an den gegen­wär­ti­gen Kon­flikt­li­ni­en ori­en­tier­ten Blick auf den Islam und sein Ver­hält­nis zum Chris­ten­tum war­fen die Vor­trä­ge von Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge und Prof. Karl-Heinz Kuhl­mann. Anknüp­fend an die Reli­gi­ons­frei­heits­de­bat­te mach­te Klei­ne-Hart­la­ge die Ver­schrän­kung von reli­giö­ser und poli­ti­scher Sphä­re im Islam deut­lich, die einer Pri­va­ti­sie­rung und Indi­vi­dua­li­sie­rung die­ser Reli­gi­on im Wege ste­he. Hin­zu kom­me ein isla­mi­sches Men­schen­bild, das von der umfas­sen­den Per­fek­ti­bi­li­tät des­je­ni­gen Men­schen aus­ge­he, der den Wil­len Allahs befol­ge. Dar­aus wie­der­um resul­tie­re ein mus­li­mi­sches Über­le­gen­heits­ge­fühl allen ande­ren Reli­gio­nen gegen­über, was sich in gewalt­sa­mer Mis­sio­nie­rung und in der Unter­drü­ckung der „Ungläu­bi­gen“ niederschlage.

Euro­pa dage­gen habe unter dem Ein­druck des Chris­ten­tums ein dem Islam dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­tes Men­schen­bild ent­wi­ckelt, nach wel­chem der Mensch als Sün­der das Got­tes­reich nie­mals aus eige­ner Kraft und auf Erden errei­chen kön­ne. Kuhl­mann wie­der­um kon­sta­tier­te, das Chris­ten­tum in Deutsch­land und Euro­pa gebe unter dem Ein­druck von Auf­klä­rung und Tole­ranz sei­ne eige­ne reli­giö­se Tra­di­ti­on auf. Selbst inner­halb der Theo­lo­gie grei­fe die Rede von den „Schwes­ter­re­li­gio­nen“ um sich, die in Abra­ham eine gemein­sa­me Wur­zel hät­ten und alle den­sel­ben Gott ver­ehr­ten. Das aber sei nur um den Preis einer Auf­ga­be des christ­li­chen Dog­mas und der christ­li­chen Tra­di­ti­on über­haupt zu haben, die dann letzt­lich nicht etwa dem „Dia­log“, son­dern dem isla­mi­schen Expan­si­ons­drang zugu­te komme.

In einen grö­ße­ren his­to­ri­schen und sys­te­ma­ti­schen Rah­men wur­de das The­ma durch die Vor­trä­ge von Dr. Karl­heinz Weiß­mann und Prof. Dr. Harald Seu­bert ein­ge­ord­net. Weiß­mann ging der Tra­di­ti­on euro­päi­scher Ori­ent- und Islam­sehn­sucht nach. Bereits Mar­tin Luther habe im Zuge der Tür­ken­krie­ge die Stren­ge und Orga­ni­siert­heit des Islams als vor­bild­lich geprie­sen. Nietz­sche, der noto­ri­sche Chris­ten­has­ser, habe schließ­lich sogar bedau­ert, daß der Islam sich in den Krie­gen gegen Euro­pa nicht habe durch­set­zen kön­nen. Seit Ende des 19. Jahr­hun­derts sei die Ori­ent­sehn­sucht dann lang­sam auch in brei­te­re Bevöl­ke­rungs­schich­ten durch­ge­si­ckert. Weiß­mann beton­te aller­dings, daß es sich dabei – von Ein­zel­fäl­len abge­se­hen – immer nur um eine Fas­zi­na­ti­on aus der Fer­ne handle.

Der Euro­pä­er sei viel­fäl­tig beein­druck­bar, aber gera­de sei­ne inne­re Dif­fe­ren­ziert­heit mache den Schritt zurück in die Ein­fach­heit weder mög­lich noch erstre­bens­wert. Eine flä­chen­de­cken­de isla­mi­sche Mis­si­on in Euro­pa hielt Weiß­mann des­halb für aus­ge­schlos­sen. Das bestä­tig­te letzt­lich auch Seu­berts Vor­trag, der das Ver­hält­nis von Ori­ent und Okzi­dent behan­del­te. Spä­tes­tens mit der isla­mi­schen Erobe­rung des ost­rö­mi­schen Rei­ches sei die Brü­cke zwi­schen Abend- und Mor­gen­land gekappt wor­den. Aber schon das anti­ke Grie­chen­land habe sich mit sei­ner Ori­en­tie­rung an Staat und Geschich­te von der Mythos­ori­en­tie­rung Klein­asi­ens abge­grenzt. Gegen die all­seits modi­schen Post­mo­der­nis­men und Kon­struk­ti­vis­men hielt Seu­bert des­halb dar­an fest, daß der Gegen­satz von Ori­ent und Okzi­dent kei­ne „Erfin­dung“ ist, son­dern Rea­li­tä­ten beschreibt.

Beson­ders Inter­es­san­tes, weil nur sel­ten so fun­diert Vor­ge­tra­ge­nes berich­te­te der Islam­for­scher Dr. Gerd-Rüdi­ger Puin. Sei­ne Schil­de­run­gen des islam­wis­sen­schaft­li­chen Betriebs in Deutsch­land bestä­tig­ten die Befürch­tung, daß auch dort die poli­tisch kor­rek­ten Vor­ga­ben so groß sind, daß eine offe­ne Debat­te unmög­lich wird. Eine his­to­risch-kri­ti­sche Koran­for­schung gebe es prak­tisch nicht, was auch nicht ver­wun­de­re, da eine sol­che die Ein­heit­lich­keit und die Datie­rung des Korans mas­siv in Fra­ge stel­len wür­de. Statt des­sen wür­den inner­halb des wis­sen­schaft­li­chen Betrie­bes unre­flek­tiert tra­di­tio­nell-mus­li­mi­sche Legen­den über die his­to­ri­schen Ursprün­ge des Islams kol­por­tiert. Was die Fra­ge des Ver­hält­nis­ses von Islam und Isla­mis­mus betref­fe, so stell­te Puin fest, daß isla­mis­ti­sche Ter­ro­ris­ten den Koran kei­nes­wegs ver­zer­ren oder fehl­in­ter­pre­tie­ren, son­dern die zahl­rei­chen Gewalt­auf­ru­fe ledig­lich auch als gegen­wär­ti­ge Hand­lungs­auf­for­de­rung ver­stün­den. „Fried­li­che“ Koran­ver­se gebe es eigent­lich gar nicht. Hier­bei hand­le es sich um bewuß­te oder unbe­wuß­te Fehl­deu­tun­gen oder um blo­ße Gerüch­te. Die meis­ten Mus­li­me, die ent­spre­chen­des vor­trü­gen, täten dies durch­aus in gutem Glau­ben, und zwar schlicht aus Unkennt­nis des Korans. Vor die­sem Hin­ter­grund erscheint die Hoff­nung, die gegen­wär­tig in bes­se­re Bil­dung der Mus­li­me gesetzt wird, min­des­tens als problematisch.

Hin­zu kommt, daß auch unge­bil­de­te Mus­li­me für isla­mis­ti­sche Pro­pa­gan­da ansprech­bar sind. Das wur­de am Film­abend der Aka­de­mie deut­lich, an dem der in der Tür­kei wie in Euro­pa erfolg­rei­che Kino­film „Tal der Wöl­fe“ gezeigt wur­de. Unter den Aka­de­mie­teil­neh­mern lös­te der Film Befrem­den und – von der Machern nicht inten­dier­te – Hei­ter­keit aus. Zu bizarr und ama­teur­haft sind der Plot und die hand­werk­li­che Umset­zung der Geschich­te vom tür­ki­schen James-Bond-Ver­schnitt, der mit ara­bi­scher Hil­fe die christ­lich-ame­ri­ka­ni­schen Besat­zer bekämpft, als daß der Film ernst genom­men wer­den könn­te. Um so bedenk­li­cher, daß genau das in der Tür­kei offen­sicht­lich geschieht und der Film unter mus­li­mi­schen Jugend­li­chen auch in Deutsch­land so beliebt ist.

Meh­re­re der Vor­trä­ge auf der 11. Win­ter­aka­de­mie sind in der Febru­ar-Aus­ga­be der Sezes­si­on verschriftlicht.

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