dem geistigen Vater der allseits beliebten SPD-Antifa-Seite Endstation Rechts. “Vom Verstehen zum Entlarven – über ’neu-rechte’ und ‘jüdische Mimikry’ unter den Bedingungen politisierter Wissenschaft” erschien 2010 im Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd.22, das von dem bewährten Duo Jesse & Backes herausgegeben wird.
Kaube nennt Brodkorbs Erkundung des politischen “Mimikry”-Begriffs “bemerkenswert”, weil diesem “aufgefallen” sei,
wie stark der politikwissenschaftliche und verfassungsschützerische Umgang mit der sogenannten “Neuen Rechten” von der Vorstellung lebt, diese betreibe zur Tarnung ihrer rechtsextremistischen Absichten politische Mimikry.
Dieser Begriff sei allerdings vor allem ideologischer Natur:
Es handele sich nämlich um eine argumentative Figur, die nicht widerlegt werden könne. Was immer der unter Verdacht stehende Autor schreibe, werde als Camouflage ausgelegt. Als der Publizist Karlheinz Weißmann 1986 von einem Konservatismus rechts der CDU Helmut Kohls sogar forderte, er müsse urteilsfähig sein, ob “der politische Angriff oder die politische Mimikry gefordert ist”, hatte er darum den von Extremismusforschern meistzitierten Satz der Neuen Rechten produziert. Die Bereitschaft zu Mimikry, hieß es bald, sei geradezu das eigentlich Neue an ihr. Ihre Texte müssten als Tarnungen dechiffriert werden. Man müsse in ihnen auch lesen, was gar nicht dastehe.
Weißmanns Auskunft, es handele sich um eine Selbstverständlichkeit der politischen Auseinandersetzung, zwischen Konflikt und Anpassung je nach Lage zu wählen, nützt ihm wenig. Bürgerlich im Erscheinungsbild, verfassungsfeindlich im Kern, diene die Neue Rechte mit Organen wie der “Jungen Freiheit” oder dem “Institut für Staatspolitik” als Scharnier zwischen neokonservativen und rechtsextremen Positionen.
Kaube plädiert nun dafür, sich von dieser fixen Idee zu verabschieden, weil sie der Wissenschaft nicht förderlich sei:
Schwächt diese Variante der “reductio ad Hitlerum” (Leo Strauss) nicht die Aufmerksamkeit für die tatsächlichen Ideologien? Mit dem Begriff der Mimikry erspart sich die Extremismusforschung sowohl empirische Beweise wie die Befassung mit Denkfehlern. Gerade wenn sie es ernst meint und nicht eine zweitklassige Literaturwissenschaft sein will, sollte sie sich das nicht leisten.
“Wenn” die Extremismusforschung es ernst nimmt… womit? Mit der “reinen” Wissenschaft? Nun: hat sie denn überhaupt ein Interesse daran? Erfüllt sie überhaupt die Voraussetzungen einer reinen, interesselosen Wissenschaft? Kann es denn überhaupt so etwas wie eine Extremismusforschung geben, die nicht zu einem gewissen Grad “politisiert” wäre, setzt nicht schon allein der Begriff des “Extremismus” eine politische Verortung voraus?
Die Antwort ist leicht zu finden: selbstverständlich hat die sogenannte Extremismusforschung (wie überhaupt die Politikwissenschaft in Deutschland) einen systemstabilisierenden Impetus, und wer sich in ihr engagiert, hat in der Regel ein Interesse daran, seinen Platz im akzeptierten Bereich des politischen Diskurses abzusichern. Ein Extremismusforscher wie Josef Schüßlburner wird jedenfalls nicht so bald Aufnahme im Jesse/Backes-Olymp oder Beschäftigung als Autor des Verfassungsschutzberichtes finden.
Kaube verschweigt also den eigentlichen Grund, warum sich die Vorstellung einer “politischen Mimikry” bisher so großer Beliebtheit erfreut hat. Nicht nur aufgrund eines tatsächlichen Kompetenzverfalls des wissenschaftlichen Personals, sondern auch weil sie sich so hervorragend als praktische politische Waffe eignet. Und als solche wird sie auch weiterhin einsetzbar sein, solange die politischen Diskussionen auf reiner Schlagwortebene geführt werden, und die affektiven roten Knöpfchen in der Gesellschaft verankert bleiben. Daß es für manche Geister unwiderstehlich ist, diese zu drücken, um sich selbst hochzukatapultieren, liegt auf der Hand. (Daß sich das jemals ändert, mag vielleicht angesichts der Mechanismen der öffentlichen Meinung ein frommer Wunsch sein: erfahrungsgemäß setzt sich eine Sache leider selten allein deswegen durch, weil sie faktisch am besten belegt und rational am besten begründet ist.)
In der bereits 2003 erstmals erschienen Studie “Die ‘Neue Rechte’ – Sinn und Grenze eines Begriffs” hat das Institut für Staatspolitik diese Strategie des “Mimikry”-Vorwurfs auf den Begriff “Herrschaft des Verdachts” gebracht. Abgesehen von der Verlinkung mit der Begriffsgeschichte der “jüdischen Mimikry”, hat Brodkorbs Aufsatz zu dem Thema nichts beigetragen, was nicht schon längst vollständig vom IfS ausformuliert wurde. Und das war beileibe nicht die erste konservative Entgegnung auf diese Art von politisierter “Wissenschaft”.
Allein die Tatsache, daß es bis zum Jahr 2011 dauert, daß eine Argumentation von 2003 von der FAZ als “bemerkenswert” bemerkt wird, zeigt, wie effektiv die Strategie des “Verdachts” ist. Sie zielt darauf ab, daß bestimmte Stimmen automatisch diskreditiert und schalldicht isoliert werden sollen. Brodkorb findet deswegen Gehör und Glauben, weil er außerhalb des Kreises der “Verdächtigten” steht, weil er ein ausgewiesener Linker und Antifaschist ist (auch wenn er inzwischen selbst von Teilen der deutschen Linken mißtrauisch beäugt wird).
Sein Ruhm verdankt sich bekanntlich im wesentlichen der Tatsache, daß die Literatur der im Dienste des “Kampfes gegen Rechts” stehenden “politisierten” Wissenschaft einen nicht mehr kaschierbaren Grad von Minderwertigkeit und standardisierter Flachköpfigkeit erreicht hatte, vor deren Hintergrund er wirken mußte wie ein intellektueller Prometheus. Das war wohl schon längst eine Frage des akademischen Gewissens und der akademischen Redlichkeit. Es ist indessen kaum daran zu zweifeln, daß das einschlägige Personal in der Regel keine gezielte Dummstell-“Mimikry” betrieben hat, um politische Macht auszuüben – diese Leute waren und sind vermutlich tatsächlich so nazihysterisch, bequemlich und erzschlicht im Gemüte, daß sie an ihre eigenen fixen Ideen geglaubt haben.
Wer einmal versucht hat, sich an den “Verfasserkriegen” von Wikipedia zu beteiligen, wird diesen Mechanismus gut kennen. Es gibt dort die recht dehnbare Klausel der “Reputabilität” einer Quelle. In einem Artikel über die “Neue Rechte” etwa galten den zumeist linksgerichteten Moderatoren Profidurchblicker wie Wolfgang Gessenharter oder die ultralinken Kampfvokabelmünzer vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung als “reputabel”, weil sie vom Medienmainstream akzeptiert wurden.
Was ein Dieter Stein selbst zu den Anschuldigungen zu sagen hatte, galt dagegen als unseriös, unwissenschaftlich, unerheblich, usw., und konnte dank der Reputabilitäts-Klausel umgehend gelöscht werden. Damit war die Definitionshoheit und Fremdherrschaft abgesichert, und wer drinnen gefangen war, konnte sich abstrampeln, wie er wollte. Nach jahrelangem, zähen Kampf mit den Wiki-Wachhunden hat sich die Lage inzwischen etwas gebessert, und es wird auch der “Eigensicht” des als “Neue Rechte” angesprochenen Milieus Platz eingeräumt.
Noch ein Letztes. In Kaubes Kommentar klingt an, daß eine Art “Entdämonisierung” und “Ent-Godwinisierung” der “Neuen Rechten” und ihre nüchternere Betrachtung auch ihre argumentative Entzauberung zur Folge haben werde. Wenn er etwa apropos Benoist und dem leidigen “Ethnopluralismus”-Sockenzopf (ein überflüssiger Begriffsballast aus dem Jahre Eichbergschnee, wenn man mich fragt) bemerkt:
Eine Gesellschaft ohne Migration mit hübsch separierten “Kulturen” – wäre das nicht kurios genug, um auf den Verdacht eines darin verborgenen Faschismus’ verzichten zu können?
Also sind die unter den “Neuen Rechten” (wer auch immer diese sein mögen) zirkulierenden Vorstellungen eher “kurios” als böse, kryptonazistisch und faschistisch? Ich mußte bei dem Satz lächeln: Kaubes Paraphrase des “Ethnopluralismus” ist ihrerseits eine grob verzerrende, der einschlägigen Literatur entstammende Dummi-Version von Benoist (und Eichberg). Ich für meinen Teil denke mir lieber, daß sich die Linken und Liberalen (was heute g’hupft wie g’sprungen ist) zu Recht vor dem fürchten, was sie hinter der schalldichten Kautschukmauer abzuriegeln versuchen. Meyn geduld hat ursach…