Günter Scholdt: Das konservative Prinzip

Der Literaturwissenschaftler Günter Scholdt sucht in seinem kaplaken-Bändchen Das konservative Prinzip nach einem Weg,...

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

den man trotz des all­täg­li­chen Wahn­sinns erho­be­nen Haup­tes gehen kann. Der Kon­ser­va­ti­ve von heu­te dür­fe sich nicht bequem anpas­sen, sich aber auch kei­ner Mach­bar­keits­uto­pien eines gro­ßen poli­ti­schen Wur­fes hin­ge­ben. Viel­mehr muß es ihm um die Kern­sub­stanz, um Cha­rak­ter und inne­re Stär­ke gehen.

SEZESSION: Die habi­tu­el­len Unter­schie­de zwi­schen Kon­ser­va­ti­ven und Lin­ken ver­wi­schen immer mehr. Am deut­lichs­ten sieht man das wohl am neu­en Minis­ter­prä­si­dent von Baden-Würt­tem­berg, dem Grü­nen Win­fried Kret­sch­mann. War­um ist es trotz­dem sinn­voll, ein „Kon­ser­va­ti­ves Prin­zip“ zu formulieren?

SCHOLDT: „Kon­ser­va­tis­mus“ zu Ramsch­prei­sen gibt es sogar ziem­lich häu­fig. Ihm hul­digt letzt­lich die gro­ße Mehr­heit des heu­ti­gen Poli­te­st­ab­lish­ments, inso­fern sie wild ent­schlos­sen ist, ihre ideel­len und mate­ri­el­len, macht- und medi­en­ge­stütz­ten Pfrün­den auf Teu­fel komm raus zu ver­tei­di­gen. In die­sem Sin­ne erin­nern links-grü­ne Welt­bil­der und ihre Sank­ti­ons­maß­nah­men an einen Natur­schutz­park, der von schwer­be­waff­ne­ten, schieß­wü­ti­gen Grenz­wäch­tern gegen­über unbot­mä­ßi­gem Gedan­ken­gut  abge­schot­tet wird.
Dane­ben gibt es glück­li­cher­wei­se aber noch eine unver­ächt­li­che Vari­an­te des Kon­ser­va­tis­mus. Man erkennt die­sen an sei­ner Oppo­si­ti­on zum Zeit­geist und sei­nem unbe­irr­ten Behar­ren auf (Meinungs-)Freiheit – ein in jeder Epo­che lebens­not­wen­di­ger Kampf, für den es sich lohnt, Opfer zu brin­gen. Als Lack­mus­test zur Bestim­mung kon­ser­va­ti­ver Sub­stanz dient sein untak­ti­sches, risi­ko­be­rei­tes Ver­hält­nis zur Wahr­heit, deren Defi­ni­ti­on er nicht von den jeweils modi­schen Ein­sich­ten oder herr­schafts­kon­for­men Wünsch­bar­kei­ten mono­po­li­siert wis­sen will.

SEZESSION: Sie sagen selbst, daß der Kon­ser­va­ti­ve eigent­lich immer nur ein Ver­lie­rer sein kann. War­um ster­ben Kon­ser­va­ti­ve trotz die­ser man­geln­den Attrak­ti­vi­tät nicht aus? 

SCHOLDT: Weil nicht alles von vor­ne­her­ein deter­mi­niert ist, und man­ches noch beein­flußt wer­den kann. Weil wir nicht alles gut­hei­ßen dür­fen, nur weil es geschieht. Der Lem­ming­zug war noch nie ein kon­ser­va­ti­ves Ide­al. Vor allem aber, weil es zu allen Zei­ten Cha­rak­te­re gab, die sich nicht kor­rum­pie­ren lie­ßen und ihr Han­deln nicht allein an wech­seln­den Oppor­tu­ni­tä­ten oder (kurz­fris­ti­gen) Erfolgs­aus­sich­ten orientierten.

SEZESSION: In Ihrem Kon­ser­va­ti­ven Prin­zip unter­schei­den Sie nicht expli­zit zwi­schen einer öffent­li­chen Poli­tik und dem pri­va­ten Leben. Ist, wie die 68er es pro­pa­giert haben, alles Pri­va­te politisch?

SCHOLDT: Daß es pri­va­te Räu­me stets geben muß, war von jeher eine Grund­über­zeu­gung des Kon­ser­va­ti­ven, der sich von diver­sen Spiel­ar­ten einer „Bra­ve New World“ wenig ver­spricht. Ohne­hin wird man, auch um Scheu­klap­pen zu ver­mei­den, sein per­sön­li­ches Umfeld ver­nünf­ti­ger­wei­se nicht aus­schließ­lich nach poli­ti­schen Freund-Feind-Bezie­hun­gen aus­rich­ten. Hin­zu käme Ernst Jün­gers Devi­se, daß es für einen Autor – und die­ser Begriff sei im wei­tes­ten Sin­ne genom­men – kei­ne „schlech­te Gesell­schaft“ gebe. Nicht gemeint ist jedoch jene pha­ri­sä­er­haf­te Schi­zo­phre­nie, die von den Tos­ca­na-Frak­tio­nen aller Par­tei­en und Zeit­al­ter prak­ti­ziert wird, wonach man „links“ oder „grün“ pre­digt und „rechts“ lebt. Schon die Ori­en­tie­rung am Pflicht­be­griff ist für ech­te Kon­ser­va­ti­ve ein weit­hin ins Pri­va­te ein­grei­fen­des Unterscheidungsmerkmal.

Mehr Infor­ma­tio­nen zu Gün­ter Scholdts Buch Das kon­ser­va­ti­ve Prin­zip gibt es hier.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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