Es nennt sich „MMW”, bedeutet „Moderne Medienwelten” und hat seinen Nutzen uns Eltern – trotz Nachfrage beim Lehrkörper (um im technizistischen Slang zu bleiben) – bislang nicht wirklich erschlossen. Den Kindern wird hier, soviel ist klar, beigebracht, wie man auf dem Bildschirm Zeichen und Zeilen markiert, wie man einen Hintergrund farblich gestaltet und einen Absatz einführt.
Sie können nun theoretisch Einladungen auf Faschingsverein-Niveau gestalten, mit unterschiedlichen Schriftarten und kleinen Bildchen. Wie haben wir Eltern uns ohne entsprechende schulische Unterweisung solche Fertigkeiten (und mehr) eigentlich angeeignet?
Eine zweite Anekdote aus dem Schulleben: Im Englischunterricht sollten die Kinder Sätze bilden, in denen beschrieben wird, was die Familienmitglieder „just now” tun. Die Tochter berichtete, daß bezüglich der elterlichen Tätigkeit von ihren Klassenkameraden häufig „Computerspielen” genannt wurde.
Und, zum Dritten: In diversen Fächern (wir reden von der gymnasialen Unterstufe) wie Deutsch, Geographie oder Geschichte werden Referate oder die Erstellung sogenannter „Wandzeitungen” gefordert. Auf die Elternfrage, welche Quellen denn zur Verfügung gestellt oder empfohlen wurden, folgt stets ein Schulterzucken: „Ja, nichts. Wie wir wollen. Die drucken halt alle was aus dem Internet aus.”
Beim Elternabend konnte man einige Ergebnisse besichtigen: Eine Arbeit zu den Gebrüdern Grimm etwa fußte auf dem entsprechenden Wikipedia-Artikel und einer stilistisch kruden Netzseite eines Hobby-Märchenforschers: eine glatte Eins!
Wir haben mehrfach (langsam fühlen wir uns als Querulanten …) nachgefragt, welche Kriterien den Schülern denn zur Internet-Rechereche an die Hand gegeben werden: „Wir arbeiten daran”, heißt es, verbunden mit einem Lächeln und der Standard-Beschwichtigung: „Bei ihrer Tochter müssen Sie sich doch wirklich keine Sorgen machen!” Kriegt wahrscheinlich fast jeder zu hören.
Das aktuelle Buch der bezüglich solcher Bildungsphänomene wirklich berufenen Zeit-Autorin Susanne Gaschke trifft da genau ins Schwarze. Mag auch der Titel (Klick! Strategien gegen die digitale Verdummung) bescheiden wirken: Gaschkes wohlabgewogene Überlegungen zur vernetzten Welt und dem, was unter diesem Stichwort an Euphemismen sich anhäuft, hat es in sich. Ausgerechnet den gymnasialen Unterricht spart sie aus – aber das läßt sich leicht ergänzen.
Was sie schreibt über unser Informationszeitalter, das unser Wissen vom Kindergarten an aus dem Kopf ins Netz verlagern will und unsere Konzentration „taktet”; wie das Netz kurzatmige Lesegewohnheiten fördert, wie der Erwerb von Maßstäben und Urteilsvermögen ins Hintertreffen gerät und was von den vielgerühmten „flachen Hierarchien” im worldwideweb zu halten ist: Das macht ihr Buch geradezu zur Pflichtlektüre. Und zwar keineswegs nur für Eltern, die anders als ihre Kinder nicht zu den digital natives gehören. Der zunehmenden Abwendung vom real life hin zu sozialen Netzwerken und anderen web-Gemeinden steht sie ebenso skeptisch gegenüber wie dem oft gerühmten Lern- und Bildungspotential der digitalen Angebote:
Heraus kommen pancake people, Pfannkuchen-Persönlichkeiten, weit und flach ausgestrichen über ein riesiges Informations- und Kommunikationsnetz, das von niemandem Tiefe verlangt.
Als Relevanz-Testfrage für Blogger empfiehlt Gaschke übrigens: „Interessiert das in vier Tagen noch jemanden?”