Ohne Augen und mittlerweile auch ohne Schale zwar, aber bäh, wie jüngst ein Besucher-Kind anläßlich einer Vorratskeller-Besichtigung argwöhnte, ist das keineswegs. Viel weniger bäh als ein totes Mastschwein (mit Augen) allemal. Schön, wenn man Töchter hat, die „Kartoffelrezepte sammeln und ausprobieren” unter ihren Hobbies anführen!
In früheren Zeiten starben die Menschen vermehrt in diesen Monaten, da die Vorräte des letzten Herbstes rar wurden. Dank Penny und real ist davon keine Rede mehr; für uns sind die hausgemachten Vorräte, die es im Regal als Industrieware für ein paar Cent gibt, Gold wert. Die Hühner hat zwar mal wieder der Marder dezimiert und die Kirschen (Stand, Juli 2008: 65 Gläser) gehen wegen übergroßen Konsums zur Neige, aber der Keller ist voll mit Äpfeln, Konfitüren, Saft – und eben Kartoffeln.
Ein Teil ist eigene Ernte aus alten, nicht mehr marktgängigen Sorten. Die Riesendinger allerdings stammen aus dem Doppelzentner, den Kubitschek als Torwandschützenkönig zur dörflichen Sommersonnwend-Feier gewonnen hatte. Im Jahr davor war für diese sportliche Leistung nur eine Flasche Sekt herausgesprungen. Die machte froh, aber nicht satt.
Apropos froh: Früher, als Stadtpflanzen, haben wir blindlings der anthroposophischen Gerüchteküche vertraut. Die führt keine Kartoffeln im Speiseplan: Der Verzehr mache angeblich schwermütig und materialistisch. Ein Irrglaube – wir widerlegen das hoffentlich täglich.
Als ich vor Jahren als Lehrerin in einer Schule mit multikulturellem Profil im Rhein-Main-Gebiet arbeitete, diente „Kartoffel” unter Jungmigranten als allerfreundlichste Schmähbezeichnung für die deutsche Minderheit: Man ist halt, was man ißt – und geht jetzt umgraben, denn die Frühkartoffeln schmecken am besten.