Knallhart ist allerdings der propagandistische Aufwand, der seit geraumer Zeit rund um die demnächst beginnende Frauenfußball-WM betrieben wird. Interessiert Euch, bitte!!, so schallt es auf allen Kanälen, es hagelt Porträts und Interviews von und mit Spielerinnen, Trainerinnen, Managern. Wie oft war in den vergangenen Wochen die furchtbar witzige, altbekannte Anekdote zu hören, daß die DFB-Frauen bei ihrem ersten Europa-Sieg ein Kaffee-Service als Prämie gewannen? (Was denn sonst? Ein Schraubschlüssel-Set? Rasierwasser?)
Der abermals aufflackernde Hype ums Frauenspiel ist kein Wunder – was das Frauenmagazin Emma einmal mit Nachdruck auf die „Agenda“ setzte, steht mit größter Wahrscheinlichkeit einige Jahre später auf dem gesamtgesellschaftlichen Erziehungsplan. Schwarzer und ihre Frauschaft haben sich auf so vielen Feldern durchgesetzt (von der Quasi-Legalisierung der Abtreibung als solidarisch finanzierte Dienstleistung über die Engfassung des Vergewaltigungstatbestandes bis zu diversen Quotenregelungen), daß es anscheinend Zeit wird, auch Nachrangiges wie die Männerbastion Fußball zu entern. Schon 1998 fuhr die Emma eine sich über mehrere Ausgaben erstreckende Kampagne unter dem klugen Motto “Die Hälfte vom Ball für Frauen“. In der aktuellen Ausgabe stellt der Frauenfußball (warum aber eigentlich „DFB-Mädels“? Sind die nicht alle längst erwachsen?) wieder einen Schwerpunkt dar. Leider, so wird geklagt, bevorzugten die Journalisten und Sponsoren trotz des schönen Rummels und all der homestories eindeutig heterosexuelle Sportlerinnen…
Erstmals gibt es das Panini-Sammelalbum mit Fußballerinnenbildchen (in unserer Grundschule hat noch keine/r mit Sammeln begonnen – ob man in urbanen Gefilden bereits weiter ist?) , und in den Sportberichterstattungen von Deutschlandfunk/Deutschlandradio geht die politisch korrekte Rede immer häufiger von Nationalspieler XY „der DFB Männer-Elf“, als gäbe es hier Augenhöhe oder Verwechslungsgefahr. Umfragen zufolge interessieren sich allerdings nur gut 10% der Bundesbürger für Frauenfußball, als Favoriten bei der Frauen-WM werden dabei von selbsternannten Fans Spanien und die Niederlande gehandelt – mithin zwei Länder, die sich gar nicht qualifiziert haben …
Ein propagandistisches Meisterstück liefert nun das hier im Haus seit rund 32 Jahren gelesene kostenlose monatliche Apothekenmagazin für Kinder, medizini. Zum einen liegt der Juni-Ausgabe ein Poster mit Verzeichnissen aller Spiele und Stadien bei, zum andern reüssiert der einseitige Comic „Willi Wurm“ als brachialer Feminismus-Botschafter.
„Willi Wurm“ hab ich den Kindern nie vorgelesen, die Bildergeschichte genügt nicht den familiär geltenden ästhetischen Anforderungen. In dieser Serie werden – laut Selbstdarstellung – „in Comicform ökologische und populärwissenschaftliche Zusammenhänge für Kinder aufbereitet.“
Ökologie und Wissenschaft suche ich in der Juni-Ausgabe vergeblich: Zwei männliche Schiedsrichter lästern über das bevorstehende Mädchenfußballspiel: Das seien alles „Freundinnen“, die nur langweiliges „Fairplay“ machen und sich „höchstens mit Wattebällchen aus ihren Kosmetiktäschchen“ bewerfen. Dann legen die schnittigen Weiber aber los und herrschen den Schiri gleich an: „Mach schnell, du Pfeife!“ Berta Bomber rennt den Mann in Schwarz gleich brutal über den Haufen,
die Fußballerinnen schlagen sich Zähne aus, und am Ende landen die beiden beteiligten Männer schwerverletzt im Krankenhaus. Das letzte Bild zeigt eine walkürenhafte Krankenschwester mit einer gigantischen Spritze und dämonischem Grinsen: „Hallo Jungs! Ihr habt heute meine Cousine Berta Bomber vom Platz gestellt! Seh ich das richtig?“
Ja, das ist wirklich ziemlich cool. Ich frage mich, wie es wäre, wenn dieser dämliche Comic mit vertauschten Geschlechterzuweisungen in medizini (Auflage: 1,75 Millionen) erschienen wäre?
Vielzitiert wurde in diesen Wochen die Begründung, mit der der DFB bis 1970 sich weigerte, Frauenfußballspiele auszutragen:
“Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.”
Tja, wer weiß-?
Erst wenn die FAZ in ihrem Feuilleton (wie am 29. 5. dieses Jahres über den FC Barcelona) über ein Frauenfußballspiel mit Wendungen wie „intellektuelle Flexibilität“ und Lobgesängen zur „ästhetischen Erfahrung im vollen philosophischen Sinne des Wortes“ dichtet, glaube ich, daß Frauenfußball vollends ernstgenommen wird und der Rummel kein aufgeblasenes Stück PC ist.
Erinnernswert ist ferner jener panegyrische FAZ Artikel Ingeborg Harms´ über den anscheinend gottgleichen russischen Spieler Sergej Arschawin:
Typisch für ihn sein Glückslauf mit dem glasigen Gesicht und dem vor die Lippen gelegten Finger: Eine religiöse Geste? Ein Hostienkuss? Eine Warnung an den Überschwang? Oder der Wunsch nach Stille, nach dem Einhalten des Jubels, der den magischen Moment unter sich begraben würde?
Nur spekulieren Spieler Arschawin nicht auf die eitle Gunst einer höheren Gewalt; sie sind der Rundarena gewachsen mit ihrem Immanenzpathos und ihrer abgedichteten Fatalität. Sie setzen ihren Glauben in die Ausweglosigkeit und zielen ohne Zögern auf eine Verdichtung, die wunderbare Transfigurationen bereithält.
Erst, wenn ein arrivierter Journalist ähnliche Worte für eine weibliche Fußballgöttin bereithält, dürfte am Frauenfußball kein Weg mehr vorbei führen. Der Trend aber scheint in eine andere Richtung zu weisen. Die brasilianische Nationalspielerin Andrioli hat die Gunst der Medien damit zu erreichen versucht, daß sie sich nackend für ein Männermagazin beim Auszupfen des letzten Härchens ihrer Scham ablichten ließ.
Allerdings gebe ich zu, daß ich nicht wirklich mitreden kann. Aus grundsätzlichen Erwägungen habe ich mir noch nie ein Spiel unserer Nationalmannschaft angeschaut: Wir besaßen nie einen Fernseher. Ob die hier in der Dorfkneipe die Spiele überhaupt übertragen? – fragte ich einen, der es wissen muß, weil er gelegentlich zur dortigen Leinwand pilgert. Sie tun´s, gelegentlich; jedoch sei die Art der Zuschauerkommentars eine völlig andere, verglichen mit Männerfußball: „Guck an, da fliehn de Düden“ (Hochdeutsch: Schaut mal, wie die Brüste wackeln) beziehungsweise „zwischen den Schenkeln, da möchste nicht liechen.“
Schön für die aktiven Damen also, schön für die zuschauenden Herren auch, daß diese WM erstmals umfassend live übertragen wird.