Frauenfußball

Gegen Fußballfrauen gibt es aus meiner Sicht ähnlich viel zu sagen wie zu Frauen in Führungspositionen, Frauen in politischen Ämtern usw.: wenig.

Jeder das Ihre. Ich selbst habe bis zum 13. Lebensjahr regelmäßig gekickt (sehr schlecht, deshalb stand ich im Tor), und zwei meiner Töchter betreiben als Ringerinnen einen womöglich noch viel unweiblicheren Sport. Bei der Landesmeisterschaft vergangene Woche gabs – knapp - keine Medaille: altersklassenbedingt mußten sie gegen Jungs antreten.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Knall­hart ist aller­dings der pro­pa­gan­dis­ti­sche Auf­wand, der seit gerau­mer Zeit rund um die dem­nächst begin­nen­de Frau­en­fuß­ball-WM betrie­ben wird. Inter­es­siert Euch, bit­te!!, so schallt es auf allen Kanä­len, es hagelt Por­träts und Inter­views von und mit Spie­le­rin­nen, Trai­ne­rin­nen, Mana­gern. Wie oft war in den ver­gan­ge­nen Wochen die furcht­bar wit­zi­ge, alt­be­kann­te Anek­do­te zu hören, daß die DFB-Frau­en bei ihrem ers­ten Euro­pa-Sieg ein Kaf­fee-Ser­vice als Prä­mie gewan­nen? (Was denn sonst? Ein Schraub­schlüs­sel-Set? Rasierwasser?)

Der aber­mals auf­fla­ckern­de Hype ums Frau­en­spiel ist kein Wun­der – was das Frau­en­ma­ga­zin Emma ein­mal mit Nach­druck auf die „Agen­da“ setz­te, steht mit größ­ter Wahr­schein­lich­keit eini­ge Jah­re spä­ter auf dem gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Erzie­hungs­plan. Schwar­zer und ihre Frau­schaft haben sich auf so vie­len Fel­dern durch­ge­setzt (von der Qua­si-Lega­li­sie­rung der Abtrei­bung als soli­da­risch finan­zier­te Dienst­leis­tung über die Eng­fas­sung des Ver­ge­wal­ti­gungs­tat­be­stan­des bis zu diver­sen Quo­ten­re­ge­lun­gen), daß es anschei­nend Zeit wird, auch Nach­ran­gi­ges wie die Män­ner­bas­ti­on Fuß­ball zu entern. Schon 1998 fuhr die Emma eine sich über meh­re­re Aus­ga­ben erstre­cken­de Kam­pa­gne unter dem klu­gen Mot­to “Die Hälf­te vom Ball für Frau­en“. In der aktu­el­len Aus­ga­be stellt der Frau­en­fuß­ball (war­um aber eigent­lich „DFB-Mädels“? Sind die nicht alle längst erwach­sen?) wie­der einen Schwer­punkt dar. Lei­der, so wird geklagt, bevor­zug­ten die Jour­na­lis­ten und Spon­so­ren trotz des schö­nen Rum­mels und all der homes­to­ries ein­deu­tig hete­ro­se­xu­el­le Sportlerinnen…

Erst­mals gibt es das Pani­ni-Sam­mel­al­bum mit Fuß­bal­le­rin­nen­bild­chen (in unse­rer Grund­schu­le hat noch keine/r mit Sam­meln begon­nen – ob man in urba­nen Gefil­den bereits wei­ter ist?) , und in den Sport­be­richt­erstat­tun­gen von Deutschlandfunk/Deutschlandradio geht die poli­tisch kor­rek­te Rede immer häu­fi­ger von Natio­nal­spie­ler XY „der DFB Män­ner-Elf“, als gäbe es hier Augen­hö­he oder Ver­wechs­lungs­ge­fahr. Umfra­gen zufol­ge inter­es­sie­ren sich aller­dings nur gut 10% der Bun­des­bür­ger für Frau­en­fuß­ball, als Favo­ri­ten bei der Frau­en-WM wer­den dabei von selbst­er­nann­ten Fans Spa­ni­en und die Nie­der­lan­de gehan­delt – mit­hin zwei Län­der, die sich gar nicht qua­li­fi­ziert haben …

Ein pro­pa­gan­dis­ti­sches Meis­ter­stück lie­fert nun das hier im Haus seit rund 32 Jah­ren gele­se­ne kos­ten­lo­se monat­li­che Apo­the­ken­ma­ga­zin für Kin­der, medi­zi­ni. Zum einen liegt der Juni-Aus­ga­be ein Pos­ter mit Ver­zeich­nis­sen aller Spie­le und Sta­di­en bei, zum andern reüs­siert der ein­sei­ti­ge Comic „Wil­li Wurm“ als bra­chia­ler Feminismus-Botschafter.

„Wil­li Wurm“ hab ich den Kin­dern nie vor­ge­le­sen, die Bil­der­ge­schich­te genügt nicht den fami­li­är gel­ten­den ästhe­ti­schen Anfor­de­run­gen. In die­ser Serie wer­den – laut Selbst­dar­stel­lung – „in Comic­form öko­lo­gi­sche und popu­lär­wis­sen­schaft­li­che Zusam­men­hän­ge für Kin­der aufbereitet.“

Öko­lo­gie und Wis­sen­schaft suche ich in der Juni-Aus­ga­be ver­geb­lich: Zwei männ­li­che Schieds­rich­ter läs­tern über das bevor­ste­hen­de Mäd­chen­fuß­ball­spiel: Das sei­en alles „Freun­din­nen“, die nur lang­wei­li­ges „Fair­play“ machen und sich „höchs­tens mit Wat­te­bäll­chen aus ihren Kos­me­tik­täsch­chen“ bewer­fen. Dann legen die schnit­ti­gen Wei­ber aber los und herr­schen den Schi­ri gleich an: „Mach schnell, du Pfei­fe!“ Ber­ta Bom­ber rennt den Mann in Schwarz gleich bru­tal über den Haufen,

die Fuß­bal­le­rin­nen schla­gen sich Zäh­ne aus, und am Ende lan­den die bei­den betei­lig­ten Män­ner schwer­ver­letzt im Kran­ken­haus. Das letz­te Bild zeigt eine wal­kü­ren­haf­te Kran­ken­schwes­ter mit einer gigan­ti­schen Sprit­ze und dämo­ni­schem Grin­sen: „Hal­lo Jungs! Ihr habt heu­te mei­ne Cou­si­ne Ber­ta Bom­ber vom Platz gestellt! Seh ich das richtig?“

Ja, das ist wirk­lich ziem­lich cool. Ich fra­ge mich, wie es wäre, wenn die­ser däm­li­che Comic mit ver­tausch­ten Geschlech­ter­zu­wei­sun­gen in medi­zi­ni (Auf­la­ge: 1,75 Mil­lio­nen) erschie­nen wäre?

Viel­zi­tiert wur­de in die­sen Wochen die Begrün­dung, mit der der DFB bis 1970 sich wei­ger­te, Frau­en­fuß­ball­spie­le auszutragen:

“Im Kampf um den Ball ver­schwin­det die weib­li­che Anmut, Kör­per und See­le erlei­den unwei­ger­lich Scha­den und das Zur­schau­stel­len des Kör­pers ver­letzt Schick­lich­keit und Anstand.”

Tja, wer weiß-?

Erst wenn die FAZ in ihrem Feuil­le­ton (wie am 29. 5. die­ses Jah­res über den FC Bar­ce­lo­na) über ein Frau­en­fuß­ball­spiel mit Wen­dun­gen wie „intel­lek­tu­el­le Fle­xi­bi­li­tät“ und Lob­ge­sän­gen zur „ästhe­ti­schen Erfah­rung im vol­len phi­lo­so­phi­schen Sin­ne des Wor­tes“ dich­tet, glau­be ich, daß Frau­en­fuß­ball voll­ends ernst­ge­nom­men wird und der Rum­mel kein auf­ge­bla­se­nes Stück PC ist.

Erin­nerns­wert ist fer­ner jener panegy­ri­sche FAZ Arti­kel Inge­borg Harms´ über den anschei­nend gott­glei­chen rus­si­schen Spie­ler Ser­gej Arschawin:

Typisch für ihn sein Glücks­lauf mit dem gla­si­gen Gesicht und dem vor die Lip­pen geleg­ten Fin­ger: Eine reli­giö­se Ges­te? Ein Hos­ti­en­kuss? Eine War­nung an den Über­schwang? Oder der Wunsch nach Stil­le, nach dem Ein­hal­ten des Jubels, der den magi­schen Moment unter sich begra­ben würde?

Nur spe­ku­lie­ren Spie­ler Arscha­win nicht auf die eit­le Gunst einer höhe­ren Gewalt; sie sind der Rund­a­re­na gewach­sen mit ihrem Imma­nenz­pa­thos und ihrer abge­dich­te­ten Fata­li­tät. Sie set­zen ihren Glau­ben in die Aus­weg­lo­sig­keit und zie­len ohne Zögern auf eine Ver­dich­tung, die wun­der­ba­re Trans­fi­gu­ra­tio­nen bereithält.

Erst, wenn ein arri­vier­ter Jour­na­list ähn­li­che Wor­te für eine weib­li­che Fuß­ball­göt­tin bereit­hält, dürf­te am Frau­en­fuß­ball kein Weg mehr vor­bei füh­ren. Der Trend aber scheint in eine ande­re Rich­tung zu wei­sen. Die bra­si­lia­ni­sche Natio­nal­spie­le­rin Andrio­li hat die Gunst der Medi­en damit zu errei­chen ver­sucht, daß sie sich nackend für ein Män­ner­ma­ga­zin beim Aus­zup­fen des letz­ten Här­chens ihrer Scham ablich­ten ließ.

Aller­dings gebe ich zu, daß ich nicht wirk­lich mit­re­den kann. Aus grund­sätz­li­chen Erwä­gun­gen habe ich mir noch nie ein Spiel unse­rer Natio­nal­mann­schaft ange­schaut: Wir besa­ßen nie einen Fern­se­her. Ob die hier in der Dorf­knei­pe die Spie­le über­haupt über­tra­gen? – frag­te ich einen, der es wis­sen muß, weil er gele­gent­lich zur dor­ti­gen Lein­wand pil­gert. Sie tun´s, gele­gent­lich; jedoch sei die Art der Zuschau­er­kom­men­tars eine völ­lig ande­re, ver­gli­chen mit Män­ner­fuß­ball: „Guck an, da fliehn de Düden“ (Hoch­deutsch: Schaut mal, wie die Brüs­te wackeln) bezie­hungs­wei­se „zwi­schen den Schen­keln, da möchs­te nicht liechen.“

Schön für die akti­ven Damen also, schön für die zuschau­en­den Her­ren auch, daß die­se WM erst­mals umfas­send live über­tra­gen wird.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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