Wer den Artikel noch nicht kennt, sollte ihn unbedingt lesen. Peters zeichnet ein recht trostloses Bild der Berliner Klassenzimmer.
Eine beständig gereizte Atmosphäre, aufgeladen mit sozialen, kulturellen und ethnischen Spannungen, Prügeleien, Messerstechereien, niedrige Aggressionsschwellen, Übergriffe, Vandalismus, ein krasser Umgangston gegenüber Mitschülern und Lehrern sowie unterirdische Schulleistungen gehören zum Alltag.
Die Erzieher wie Sozialarbeiter haben weitgehend die Kontrolle verloren, während Polizeieingriffe nicht selten sind. Daß in diesen Schulen der Ausländeranteil exorbitant hoch ist, versteht sich von selbst. Das ist der vorläufige Zwischenstand einer katastrophalen Entwicklung, die man als gravierenden Rückschritt verbuchen muß.
Herr Peuleke ist seit 1979 Lehrer. Besser geworden ist seitdem nichts. „Als ich vor 32 Jahren als Junglehrer anfing, war die Mehrheit meiner Schüler leistungswillig und leistungsfähig. Es gab nur eine kleine Gruppe von Kleinkriminellen, die sich aber innerhalb der Schule im Allgemeinen unauffällig verhielt“, sagt Herr Peuleke.
„Der Anteil sehr leistungsschwacher Schüler ist von Jahr zu Jahr gestiegen. Viele schwänzen. Wenn ein Viertel der Schüler fehlt, ist es ein ganz normaler Tag. Wenn die Kinder nach der sechsten Klasse aus der Grundschule zu uns kommen, beherrschen viele nicht mal den Stoff einer vierten Klasse.“
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Sabine Espe ist seit 20 Jahren Lehrerin. „Die Situation ist deutlich schlechter geworden“, sagt sie. „Die Kinder sind auffälliger, demotivierter.“ Das Problem sei nicht unbedingt, dass die Kinder schlecht deutsch sprächen – sie sprechen genauso schlecht die Sprache ihrer Eltern. Es sind im Grunde sprachlose Menschen.
Das ist die Quittung für dreißig, vierzig Jahre Masseneinwanderung inkompatibler Schichten und halbherzige Integrationspolitik einerseits, für die Auflockerung pädagogischer Prinzipien zu Ungunsten des Leistungs- und Autoritätsprinzips andererseits.
Diese Entwicklungen sind eng verbunden mit einem massiven demographischen Wandel, der die Folge einer multikulturalistischen Politik ist. Es zeigt sich, daß das System ab einer bestimmten Ausländerquote beginnt, dysfunktional zu werden. Und daß “Ausgrenzung” und Gruppenpolarisierungen (also alles das, was die Linken “Rassismus” nennen) auf allen Seiten zu finden sind – in der Tat ist all dies bei den Deutschen, die innerlich versprengt sind und eher auf Abtauchstrategien setzen, am schwächsten ausgeprägt.
Vor 20 Jahren noch gab es an den Schulen Berliner Stadtteile wie Kreuzberg oder Schöneberg eine Quote von rund 30 Prozent Kindern nichtdeutscher Herkunft. Das klappte. Auch die Kinder auf der Hauptschule sprachen gut deutsch. Jetzt, sagt die Deutschlehrerin Sabine Espe, sei das Niveau total abgesackt. Sogenannte Bio-Deutsche, also Kinder zweier deutscher Eltern, gibt es in der 8. ISS kaum.
Dabei liegt die Schule in Friedenau, einem gut bürgerlichen Stadtteil Berlins mit stattlichen Mieten – nicht etwa in den ausgewiesenen „Problemkiezen“ wie Neukölln oder Wedding. Rund 85 Prozent der Kinder sind NDH – nicht deutscher Herkunft.
Wenn im Ethik-Unterricht 25 Kinder sitzen, sind vielleicht drei von ihnen keine Muslime. „Christen gibt es hier nur ganz wenige“, sagt eine Ethiklehrerin. Deutschenfeindlichkeit ist ein Problem, ganz einfach weil die Deutschen in der Minderheit sind. Es gibt eine große Gruppe arabischer Schüler, viele kommen aus dem Libanon, einige von ihnen entstammen den in Berlin bekannten kriminellen Großfamilien.
„Es gibt eine Gruppe von rund 20 Schülern, die sich gar nichts mehr sagen lassen“, sagt Englisch-Lehrer Peuleke. „Sie legen ein schlimmes Verhalten gegenüber Lehrern und Mitschülern an den Tag. Als Gruppe stellen sie einen gewissen Machtfaktor dar. Sie können ihre Mitschüler unterdrücken, da sie auf den Schutz durch die Gruppe zählen können. Die Deutschen halten nicht so zusammen und sind in der absoluten Minderzahl. Wenn sich ein Deutscher etwa mit einem Libanesen anlegt, hat der oft keine Chance.“
Die Araber haben auf dem Schulhof sozusagen Heimvorteil. Als Integrationsschüler Erkan neulich den Hof sauber machte, fluchte er: Wenn jetzt noch ein Deutscher kommt und den Hof wieder dreckig macht!
Da werde er lange suchen müssen, sagte Peuleke. Denn es gibt eben kaum deutsche Schüler an der 8.Integrierten Sekundarschule.
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Lalin ist neu in der Klasse, seit einem Monat, sie ist Analphabetin und erst im vergangenen Jahr aus den Bergen Kurdistans nach Deutschland gekommen. Mena ist gerade verheiratet worden. Daniel, ein Deutscher, ein schüchterner, kräftiger Junge, duckt sich weg. Bloß nicht auffallen, ist seine Devise. „Man muss sich durchbeißen“, sagt er leise.
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An der Wand der Klassenräume hängen noch die Bilder und Texte vom letzten Projektthema: Messer machen Mörder. Messer ist die Tötungswaffe Nummer eins. Fast alle, die ein Messer tragen, waren schon einmal Opfer. Als Alternative werden Kampfsport und Fußballvereine vorgeschlagen.
Einige Schüler haben einen Clan gebildet, üben großen Druck aus und erpressen andere Schüler, ihnen etwa die neuen Turnschuhe für die Sportstunde abzugeben, während diese dann barfuß Fußball spielen müssten. Generell gibt es eine starke Tendenz auszugrenzen. Die Migranten identifizieren sich eher mit ihren Herkunftsländern. Die Araber kämpfen gegen die Türken. Und beide gegen die Deutschen.
Man könnte noch endlos aus diesem Artikel zitieren, um zu zeigen, daß sich die Analysen, die von Sezession im Netz und anderen Blogs seit Jahren geleistet werden, wieder einmal vollauf bestätigen.
Wollen wir das Ganze noch mit einem aktuellen Artikel von Zeit-Feuilleton-Chef Jens Jessen kontrastieren. Für diesen nämlich wären die von Peters geschilderten Zustände wohl ein aufregender Fortschritt gegenüber den langweiligen, verklemmten deutschen Hecken von vor noch 20 Jahren. Wir erinnern uns alle noch an Jessens aparte, vor einem Lenin-Bildchen vorgetragene Verteidigung der Münchener U‑Bahn-Schläger gegenüber “deutschen Spießern”, mithin also daran, daß es sich hierbei um eine der widerwärtigsten Gestalten unter den zeitgenössischen Meinungsmachern handelt.
Jessen liebt die schneidige, “unbürgerliche” Pose, diese typische Kompensationskrankheit linksliberaler Intellektueller, so auch in seinem Artikel “Die Metropole als Feind”. Darin verpaßt er den Berliner Grünen eine aufs Dach, weil sie an biedermeierliche, regressive, provinzkuschelige Sehnsüchte appellieren würden, statt so wie er das “prächtige Chaos und die nervöse Härte des Urbanen” abzufeiern.
Das krautige Durcheinander, das in jeder Großstadt von selbst entsteht, das Kioske wachsen und sterben, deutsche Arbeiterkieze in orientalische Basare verwandeln, bürgerliche Viertel versteppen, von intellektuellen Neusiedlern einnehmen und schließlich von Investoren wiederaufforsten lässt, das Getöse der Touristen und die schrille Farbigkeit der Einwanderermilieus – es ist offenbar zu viel für die schwachen deutschen Nerven.
Was für ein Bild von Gesellschaft herrscht, wenn es auf keinen Fall das Bild sein darf, das sich in den Disharmonien, den Ungereimtheiten, den Parallelwelten einer ständig neu besiedelten und umgenutzten Großstadt abbildet? Darf nicht einmal ein Zipfelchen dessen, was überall auf der Welt, in London wie in São Paulo, in New York wie in Mexiko-Stadt, zur Selbstverständlichkeit einer Metropole gehört, sich auch in Deutschland zeigen? Kann man nicht damit leben, dass jenseits der Gesetze des Staates in allem Übrigen die Gesetze der Submilieus und Substrukturen leben?
São Paulo, New York, Mexico City. Spätestens hier entpuppt sich diese ganze herablassende Anti-Spießbürger-Prosa als peinlicher Kitsch auf höherer Ebene, geschrieben von einem Mann, der zu den Besserverdienenden in diesem Land gehört, und der es sich garantiert leisten kann, seine Kinder, sofern er denn welche hat, vor all den Berliner Schulen voll “nervöser Härte” zu bewahren. Aus der Ferne hat er gewiß auch leicht reden, die Hölle der Favelas von Rio, die Banlieues von Paris und die Vorstädte von Neapel oder die Slums und Verbrechensraten von Mexico City ungeheuer kitzlig und spannend zu finden und von deren “prächtigem Chaos” zu schwärmen. Noch schöner wäre es allerdings, wenn er auch dorthin ziehen würde, damit er all diese unserem Land wärmstens empfohlene Pracht ausgiebig genießen kann.
Hier inszeniert sich einer aus seinem hochdotierten Sessel heraus als unbequem, kantig, vitalistisch, geistig überlegen, hartgesotten, als unruhiger, kühner Geist, der es diesen zwanghaft sicherheitssüchtigen Zimperliesenklemmikartoffeln mal so richtig zeigt, während er offenbar wie die meisten Linken ein im Grunde ausgesprochen harmloses und einfältiges Bild von der Wirklichkeit und dem “Chaos” hat, das er so sexy findet.
Der Rest von uns kann inzwischen Gott dankbar sein, daß Berlin trotz allem noch weit entfernt davon ist, wie London oder Paris sein, von südamerikanischen Metropolen ganz zu schweigen. Wenn wir schon dabei sind, könnte Gott uns bitte auch gleich vor Schreibtischverbrechern wie Jessen bewahren, die fahrlässig fatalen Experimenten das Wort reden, die andere dann ausbaden dürfen.
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