“Zur Sache, Campus!” – Interview mit Oberleutnant Martin Böcker

Die Sache des dreißigjährigen Oberleutnants Martin Böcker geht in die nächste Runde: Nachdem deutlich geworden ist, daß...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

die Anwür­fe gegen den frisch­ge­ba­cke­nen Chef­re­dak­teur der Stu­den­ten­zeit­schrift “Cam­pus” aus der links­extre­mis­ti­schen Ecke kom­men, hoff­te nicht nur Böcker selbst auf den Beginn der sach­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung mit sei­ner Zeit­schrift und den dar­in geäu­ßer­ten Stel­lung­nah­men zur “Frau als Soldat”.

Aber es kam anders: spie­gel-online leg­te heu­te nach und zitier­te den SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten und Uni-BW-Hono­rar­pro­fes­sor Peter Paul Gant­zer mit den Wor­ten, der Ver­tei­dig­nungs­mi­nis­ter müs­se den Fall unter­su­chen und “gege­be­nen­falls dis­zi­pli­nar­recht­lich regeln”. Gant­zer will extrem frau­en­feind­li­che Töne aus­ge­macht haben und bekräf­tig­te das heu­te noch ein­mal im Deutsch­land­funk. Dort sieht er sich umge­ben von “tol­len Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten, die alle ganz demo­kra­tisch geimpft sind.” Einer wie Böcker scha­de dort nur. Ins­ge­samt aber ist der Radio­bei­trag nicht schlecht: Auf den links­extre­mis­ti­schen Zuträ­ger Robert Andre­asch wird kri­tisch ver­wie­sen, Pro­fes­so­ren, die Böcker bei­sprin­gen, kom­men zu Wort.

Das Schmier­mit­tel der Demo­kra­tie – soviel sei vor­aus­ge­schickt – ist das Gespräch, der Dia­log, und mehr: der wohl­wol­len­de, auf Ver­ständ­nis und Ver­stän­di­gung ange­leg­te Aus­tausch und Streit mit Wor­ten, an des­sen Ende der Kom­pro­miß, jeden­falls kei­ne Aus­gren­zung steht. Die­ser Aus­tausch wird Böcker bis heu­te ver­wei­gert: Er hat sich für das Nor­mals­te zu recht­fer­ti­gen – für eine ande­re Mei­nung, für einen Debattenanstoß.

Hier kommt er ein­mal selbst zu Wort.

SEZESSION: Herr Böcker, haben Sie bei Erschei­nen der ers­ten von Ihnen ver­ant­wor­te­ten Cam­pus-Aus­ga­be mit sol­chen Reak­tio­nen gerechnet?
BÖCKER: Nein, nicht mit sol­chen Reak­tio­nen. Ich habe gehofft, daß die äußerst klu­gen Arti­kel von Pro­fes­sor Gott­fried Küenz­len und Dr. Jochen Bohn rege dis­ku­tiert wer­den. Daß das Gespräch sich um das Ver­hält­nis zwi­schen Sol­dat und Nati­on dreht. Daß der Begriff des Staats­bür­gers in Uni­form dis­ku­tiert wird. Die Leu­te hät­ten sich auch ger­ne über jeden Text in der CAMPUS empö­ren kön­nen. Aber daß sich dann alles um mei­ne Per­son dreht, und selbst gestan­de­ne Pro­fes­so­ren wie der SPD-Poli­ti­ker Herr Gant­zer mei­nen Rück­tritt und sogar dis­zi­pli­na­ri­sche Maß­nah­men for­dern, hät­te ich nicht gedacht.

SEZESSION: Den Stein los­ge­tre­ten hat Ihre Prä­si­den­ten, Frau Pro­fes­so­rin Nie­huss. Kön­nen Sie das verstehen?
BÖCKER: Ich unter­stel­le der Prä­si­den­tin, daß sie in ech­ter Sor­ge um mich und die Bun­des­wehr-Uni­ver­si­tät gehan­delt hat. Ich kann aber den Grund für die­se Sor­ge nicht erken­nen: Ich habe nichts Ver­bo­te­nes getan. Ich habe das Recht, mich zu äußern, ich habe das Recht, Argu­men­te des Insti­tuts für Staats­po­li­tik auf­zu­grei­fen und zur Debat­te zu stel­len; und ich habe sogar das Recht auf Irr­tum. Ich bit­te dar­um, mich zu kor­ri­gie­ren. Ich höre gern zu, und ich dis­ku­tie­re gern.

SEZESSION: Ihre Prä­si­den­tin sieht aber bereits in Ihrer Vor­la­ge zur Debat­te über die „Frau als Sol­dat“ einen Ver­stoß gegen, wie soll man sagen – gegen den Kon­sens aller wach­sa­men Bür­ger und Sol­da­ten, Argu­men­te von rechts nicht zuzulassen.
BÖCKER: Mir ist nicht klar, war­um Sie die Argu­men­te zum The­ma „Frau als Sol­dat“ für rechts hal­ten. Aber das ist ein ande­res The­ma. Mir ist viel wich­ti­ger, eines klar­zu­stel­len: Kon­sens ist lang­wei­lig, wenn er am Anfang der Debat­te steht. Er kann am Ende ste­hen, muß es aber nicht. Am Anfang muß nur der Kon­sens über die Dis­kus­si­ons­re­geln ste­hen: kei­ne Tief­schlä­ge, Aus­tausch von Argu­men­ten, ein gutes Gespräch, kei­ne Distan­zie­rungs­auf­for­de­run­gen. Ich war mir tat­säch­lich nicht sicher, ob es funk­tio­nie­ren wür­de. Jetzt weiß ich, daß es in die­sem Fall nicht funk­tio­niert hat. Viel­leicht funk­tio­niert es ja beim nächs­ten Mal.

SEZESSION: Und nun?
BÖCKER: Ich wün­sche mir drei Din­ge. 1. Man möge mein Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung respek­tie­ren; 2. Man möge sich dann vor mich stel­len, wenn über einem Bei­trag des Bay­ri­schen Rund­funks am Ende steht: „Unter­lau­fen Neo­na­zis Stu­den­ten­zei­tung?“ Da ist der Maß­stab völ­lig abhan­den gekom­men: Ein Neo­na­zi, und selbst ein „rech­ter Akti­vist“, wie es so schön hieß, ist etwas ganz ande­res als ein katho­lisch-kon­ser­va­ti­ver Offi­zier – so wie ich es bin.

SEZESSION: Und drittens?
BÖCKER: 3. Ich bit­te um Sach­ar­gu­men­te. Ich habe stän­dig Fra­gen danach zu beant­wor­ten, ob ich dür­fe, was ich tue. Ich akzep­tie­re die­se Fra­ge­stel­lung nicht: Natür­lich darf ich es. Ich bin Ober­leut­nant, die­ne seit 2005 und bin mün­di­ger Stu­dent. Ich will jetzt end­lich über die Sache reden.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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