Linksextremismus: Betteln um die Watschen

Noch ein paar realsatirische Anekdoten aus dem "Vorbürgerkrieg", die schon letzte Woche auf diesem Blog hätten erscheinen sollen,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

auf­grund der aktu­el­len Ereig­nis­se aber ver­scho­ben wur­den.  Am Sams­tag, den 16. Juli, gab es mal wie­der Klad­de­ra­datsch in Ber­lin-Kreuz­berg, des­sen Zeu­ge ich zufäl­lig gewor­den bin.  Die lin­ke Sze­ne hat­te um etwa 22 Uhr im Umfeld Kott­bus­ser Tor eine (wie mir ein Teil­neh­mer mit­teil­te) unan­ge­mel­de­te Demons­tra­ti­on zu Ehren des G8-Mär­ty­rers Car­lo Giu­la­ni gestar­tet, der wäh­rend einer Stra­ßen­schlacht von einem Cara­bi­nie­ri erschos­sen wurde.

Der gan­ze Auf­marsch war frei­lich von vorn­her­ein auf eine Kraft­pro­be mit der Poli­zei hin ange­legt. Die­se kann eine unan­ge­mel­de­te Demo nicht ein­fach pas­sie­ren las­sen, was die Orga­ni­sa­to­ren natür­lich wis­sen.  Was sich in der Fol­ge bis etwa Mit­ter­nacht auf der Ora­ni­en­stra­ße und Umge­bung abge­spielt hat, war also eine bewußt pro­vo­zier­te Situa­ti­on, die den Lin­ken einen Vor­wand gab, sich mal wie­der am Feind­bild Poli­zei aufzuputschen.

In dicke Aus­rüs­tun­gen gepack­te Poli­zei­trupps, gedeckt von schwe­ren Fahr­zeu­gen, ver­such­ten die Bil­dung von Demons­tra­ti­ons­grup­pen zu ver­hin­dern und von der Stra­ße zurück­zu­drän­gen. Dazu setz­ten sie vor­wie­gend Blend­lich­ter und gele­gent­lich Knallböl­ler ein. Wenn ein Ein­zel­ner so mutig war, sich vor die Poli­zis­ten zu stel­len, war er im Nu von dem Trupp umzin­gelt wie von einer Hor­de Rug­by-Spie­ler, wur­de von der Stra­ße manö­vriert oder auch ver­haf­tet und ins Poli­zei­au­to befördert.

Wenn der Trupp auf einen sol­chen Kan­di­da­ten zustürm­te, geriet die Mas­se auf dem Geh­steig in Bewe­gung wie ein wüten­der Bie­nen­schwarm : “Mör­der! Mör­der!” wur­de laut­hals im Chor skan­diert, oder auch auf Ita­lie­nisch “poli­zia ass­as­si­ni” (“Poli­zis­ten sind Mör­der”), als befän­de man sich in Genua 2001 und nicht in Kreuz­berg 2011. Ich habe sel­ten so vie­le dum­me Men­schen auf einem Fleck gese­hen. Alle nah­men sich dabei furcht­bar ernst, wäh­rend sie sich in ihren Film hin­ein­stei­ger­ten. Kei­ner schien die Absur­di­tät und die Thea­tra­lik der gan­zen Sze­ne­rie wahr­zu­neh­men. Wären die Poli­zis­ten wirk­lich “Mör­der”, wäre bin­nen kur­zem der Platz leer­ge­fegt wor­den, und kei­ne ein­zi­ge Anti­fan­ten­so­cke hät­te sich mehr hervorgewagt.

Wären die Poli­zis­ten wirk­lich “Mör­der”, könn­ten die Socken gar nicht unbe­hel­ligt her­um­ste­hen, und sie als “Mör­der” beschimp­fen. Es wür­de schon aus­rei­chen, wenn die deut­schen Poli­zis­ten nur halb  so hart durch­grei­fen wür­den, wie unter den Cara­bi­nie­ri in Ita­li­en üblich. Dann möch­te ich sehen, wer noch “Wider­stand an allen Orten” zu leis­ten wagt. Den deut­schen Bul­len sind ohne­hin die Hän­de gebun­den, wirk­lich hart durch­zu­grei­fen. Nicht nur die Links­au­to­no­men, alle Welt war­tet dar­auf, sie bei einem Über­tritt zu erwi­schen, um nach­her laut­hals die “faschis­ti­sche Poli­zei­ge­walt” und die “repres­si­ve Staats­macht” anpran­gern und poli­tisch aus­wer­ten zu kön­nen.  (Wie bei Mon­ty Python’s: “Kommt her und seht die Gewalt, auf der sich das Sys­tem grün­det!” )

Die Demons­tran­ten ver­such­ten, die Poli­zis­ten mit allen Mit­tel zu pro­vo­zie­ren, von Beschimp­fung bis Ver­höh­nung. “Ihr seid nur ein Kar­ne­vals­ver­ein”, sang eine Grup­pe zur Melo­die von “Yel­low Sub­ma­ri­ne”, sich dabei unglaub­lich kühn und über­le­gen vor­kom­mend. Im Vor­über­ge­hen faß­te ich einen von ihnen ins Auge und rief ihm zu: “Sei doch froh dar­über, daß sie nur ein Kar­ne­vals­ver­ein sind, sonst könn­test du das Maul gar nicht so weit auf­rei­ßen!” Der sah mich nur blö­de irri­tiert an, ein sol­cher Gedan­ke war ihm offen­bar noch nie gekom­men. Wie­vie­le von den Demons­tran­ten wären noch so mutig und so höh­nisch, wenn ihnen ernst­haft etwas pas­sie­ren könnte?

Es gibt die­sen alten Witz vom Maso, der zum Sado sagt: “Bit­te quäl mich!” Wor­auf der Sado kühl ant­wor­tet: “Nein.”  Klei­ne Kin­der haben zuwei­len auf­säs­si­ge Pha­sen, in denen sie mas­siv die Gren­zen aus­tes­ten und aus­rei­zen, die ihnen gesteckt sind. Auf wie­ne­risch nennt man das dann “Um a Watsch bet­teln.” Schon allein optisch wir­ken die Links­extre­men wie ein Hau­fen ver­lot­ter­ter Kin­der, wie wan­deln­de Erzie­hungs­dis­as­ter, die umso mehr von “Repres­si­on” faseln, je weni­ger davon vor­han­den ist (und je mehr sie ihnen gut tun wür­de).  Ange­sichts von Sze­nen wie den oben geschil­der­ten kommt man nicht um den Ein­druck her­um, daß Anti­fan­ten zuwei­len mas­siv nach dem Schlag­stock bet­teln, und gera­de­zu frus­triert sind, wenn ihnen die Bul­len nicht den Gefal­len tun,  zu eska­lie­ren. Womit sie auch die ganz anti­fan­ti­sche rai­son d’êt­re ver­der­ben. Wenn schon kein böser, repres­si­ver, auto­ri­tä­rer Staat da ist, muß man ihn eben her­bei ima­gi­nie­ren. Womit sich der “Wider­stand” dage­gen prak­ti­scher­wei­se erheb­lich leich­ter gestal­tet, als wenn ech­te Repres­si­on droht, wie etwa in süd­ame­ri­ka­ni­schen oder ara­bi­schen Staaten.

Man könn­te das gan­ze als Spaß­auf­stand im anti­au­to­ri­tä­ren Kin­der­gar­ten oder als spät- und post­pu­ber­tä­re Initia­ti­ons­ri­tua­le abtun, ein biß­chen Genua und Revo­lu­ti­on und Auf­stand spie­len, wenn es nicht erns­te Kon­se­quen­zen hät­te. Am Ende gab es 34 ver­letz­te Poli­zis­ten.  Ich habe selbst gese­hen, wie von Häu­sern her­ab Fla­schen auf vor­bei­fah­ren­de Poli­zei­au­tos gewor­fen wer­den, und die Split­ter in vol­ler Wucht in alle Rich­tun­gen knal­len; ich selbst stand in gerau­mer Ent­fer­nung und bekam den­noch einen fei­nen Split­ter ins Auge. Ein­zeln mögen die­se Leu­te wie ver­blen­de­te Witz­fi­gu­ren wir­ken, die auf dem Rücken einer schwa­chen Auto­ri­tät her­um­tan­zen; in der Mas­se kön­nen sie durch­aus gefähr­lich werden.

Eini­ge Anti­fan­ten hat­ten bereits am sel­ben Abend eine NPD-Demo ange­grif­fen, die aus­ge­rech­net unter dem Mot­to „Sicher­heit durch Recht und Ord­nung – Här­te­re Stra­fen für Links­kri­mi­nel­le“ stand.  Sie gaben sich offen­bar alle Mühe, dem Slo­gan hand­greif­li­che Berech­ti­gung zu ver­schaf­fen: es “ver­sam­mel­ten sich etwa 120 gewalt­be­rei­te Links­extre­mis­ten und grif­fen NPD-Anhän­ger und Poli­zis­ten mit Fla­schen, Stei­nen und Feu­er­werks­kör­pern an.” (JF)  Wenn es dar­um geht, eine Demo ihrer poli­ti­schen Geg­ner zu ver­hin­dern, sind die Lin­ken weit­aus weni­ger zim­per­lich, als die Poli­zei mit ihnen.  Rou­ti­ne­mä­ßig kla­gen sie die Poli­zei an, “die Faschis­ten zu schüt­zen”, weil sie das Demons­tra­ti­ons­recht aller Bür­ger durch­set­zen muß. Sie hät­ten ver­mut­lich weit­aus weni­ger Pro­ble­me mit dem so ver­haß­ten Büt­tel, wenn er sich aus­schließ­lich der ande­ren Bür­ger­kriegs­par­tei anneh­men wür­de und sie sel­ber “schüt­zen”; sie wür­den ver­mut­lich zu gro­ßen Tei­len sel­ber pri­ma Büt­tel abge­ben, wenn man sie gegen die NPD und sons­ti­ge Rech­te ein­set­zen würde.

Noch eine Beob­ach­tung: unter den Links­extre­men über­wie­gen die nicht-migran­ti­schen Gesich­ter bei wei­tem. Fast könn­te man sagen, daß die Anti­fa so “impli­cit­ly white” (oder hier: “impli­ci­ty Ger­man”) ist wie die Tea Par­ty. Ähn­lich ver­hielt es sich selt­sa­mer­wei­se mit den Schau­lus­ti­gen und den sym­pa­thi­sie­ren­den Men­gen. Dabei kam es zu kaba­rett­rei­fen, bezeich­nen­den Sze­nen. In einer Ecke stand eine Grup­pe jun­ger Kur­den, alle­samt gro­ße Macho­kerls mit arro­gant aus­ra­sier­ten Nacken und Kurz­haar­schnitt, mus­ku­lö­sen Ober­ar­men, nied­ri­gen Stir­nen und sau­be­ren Hem­den. Der männ­li­che Durch­schnitts­an­ti­fant ist weiß, deutsch, mul­ti­pel gepierct, mit unsport­li­chem, geschlechts­neu­tra­len Habi­tus, in bewußt ver­lot­ter­ten Kla­mot­ten, und mit lan­gen Haa­ren, die ent­we­der im Punk­stil getra­gen wer­den oder zu Ras­ta­zöp­fen oder Dre­ad­locks gefloch­ten sind.

Die Kur­den amü­sier­ten sich präch­tig über das Spek­ta­kel, lach­ten, klatsch­ten und johl­ten mit, wäh­rend die Anti­fan­ten die von ihnen sel­ber pro­vo­zier­te Komö­die weit­ge­hend bier­ernst nah­men.  Als einer der Kur­den, eben­falls ein kurz­haa­ri­ger Mus­kel­kerl, die Bul­len als “Huren­söh­ne” beschimpf­te, dreh­te sich ein Mäd­chen mit Ras­ta­zöp­fen um, und rüg­te ihn des “Sexis­mus” und der “Dis­kri­mi­nie­rung” von Huren.  Nun beschimpf­te er auch sie, und als sich ein bebrill­ter Hänf­ling mit schie­fer Kör­per­hal­tung ein­misch­te, um ihr bei­zu­ste­hen, wur­de er mit vol­ler Wucht von dem Kur­den ange­brüllt, der kurz davor schien, eine Schlä­ge­rei anzu­fan­gen. Die Situa­ti­on beru­hig­te sich wie­der, als ande­re Aus­län­der­jungs inter­ve­nier­ten (“Wir has­sen die Bul­len doch genau­so wie ihr!”). Das Letz­te, was ich von der Sze­ne mit­krieg­te, war, daß ein wei­te­rer lin­ker Hänf­ling einen Aus­län­der im Hip-Hop-Out­fit dar­über zu beleh­ren ver­such­te, daß auch das Schimpf­wort “Spast” “dis­kri­mi­nie­rend” sei, und er beim Zivil­dienst mit Spas­ti­kern gear­bei­tet hät­te, die total net­te Men­schen seien…

Spä­tes­tens hier woll­te ich den gan­zen Hau­fen frei nach den Dead Ken­ne­dys auf “Urlaub nach Kam­bo­dscha”, resp. Nord­ko­rea schicken.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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