Das August-Gedicht: Wir Gärtner

von Felix Springer

Eines meiner Lieblingsgedichte stammt von Friedrich Georg Jünger und heißt „Der Garten“. Es handelt vom Auftrag des schöpferischen Menschen,...

der unge­ord­ne­ten Welt ein Stück Glück abzu­trot­zen. Das sat­te Erd­reich der viel­fäl­ti­gen mensch­li­chen Maß­stä­be zwingt uns sei­ne Gestalt­bar­keit in die Hän­de, ruft nach Form und Rich­tung gegen die Ver­we­hun­gen des ste­ten Zei­ten­sturms. Wo uns die­ser Ruf erreicht, tref­fen wir nicht immer auf schon kei­men­de Spros­sen in schwar­zem Boden: Manch einer irrt lan­ge ein­sam durch die Wüs­te und gräbt nach Wasser.

Das Gedicht han­delt auch vom Bewah­ren der Din­ge und For­men, die uns ent­spre­chen, und vom Wesen des­sen, der hegt und pflegt. Es ist kein Zufall, dass in dem 1949 her­aus­ge­ge­be­nen Gedicht­band Jün­gers auf den „Gar­ten“ die „Abbit­te an die Wild­nis“ folgt: „Unbe­nannt geht von dir aus, und Namen­los kehrt einst zurück dir.“ Es ist der Gärt­ner, der die Din­ge beim Namen nennt und so den Men­schen die zu schüt­zen­de Welt erschließt.

Das Benen­nen und In-Form-Brin­gen der Din­ge des wil­den Lebens bedeu­tet dem Gärt­ner eine stil­le Macht. Die­sen Genuß der beheg­ten Erde gibt es nicht umsonst: Neben die Mühen der Für­sor­ge tre­ten die Nei­der die­ser Macht und die Fein­de der Form. Wo ein Mör­der prä­sen­tiert wer­den muss, war es dann für manch einen Zeit­ge­nos­sen im Zwei­fel der Gärt­ner.

 

Der Gar­ten
von Fried­rich Georg Jünger

Wäre der Gärt­ner nicht da, sag an, wo blie­be der Garten?
Wo die Lau­be, der Pfad? Rosen, wo blie­bet ihr dann?
Rasch ver­lö­re die Lilie ihr Recht, Vio­len und Nelken,
Und von der Mau­er schnell wäre der Wein­stock verdrängt.
Wer wird das Lieb­li­che hüten? Wer wird die wei­ße Narzisse
Schüt­zen und wer das Beet, wo der Ado­nis mir blüht?
Ach, sie stür­ben dahin mir wie die Schö­ne des Südens,
Die im rau­he­ren Nord zärt­li­cher Pfle­ge entbehrt.
Oft bedarf das Edle des Schut­zes, und gut ist’s, wenn Waffen
Es beschir­men, und gut Krieg gegen rohe Gewalt.
Denn sie blüh­ten von Anbe­ginn nicht. Was der Gärt­ner gezogen,
Fällt, wenn er fort­geht, sogleich wie­der dem Anfang anheim.
Was mich durch For­men ergötzt, was lieb mir durch Far­be und Duft ist,
Ist durch des Stär­ke­ren Recht müh­sam und künst­lich gepflanzt.
Drum bekämpft mit Wut mich das Volk, es ruft nach dem Lande,
Das der Ahne bewohnt, ficht uner­müd­lich mich an.
Wolfs­milch dringt durch die Zäu­ne und wuchert saf­tig im Schatten,
Strei­tet mit zäher Kraft gegen die roden­de Hand.
Que­cken, euch tilgt kein Gärt­ner, du trotzt, o Lat­tich, dem Messer,
Hart wie der Bau­er lebt Wege­rich über den Pfad.
Hah­nen­fuß wur­zelt bestän­dig sich an, und Tres­pe und Windhalm
Schi­cken, und Mel­de und Lolch, furcht­los die Vor­hut herein.
Rüs­ti­ges Bet­tel­volk naht bewehrt und besta­chelt den Beeten.
Kom­men die Dis­teln zu Gast, spie­len im Haus sie den Herrn.
Und die wil­den Töch­ter des Rains, deren Früch­te der Südwind
Fort­trug, Win­den durch­ziehn, Hop­fen umschlingt mir den Strauch.
Fröh­lich drängt sich die Wild­nis durch offe­ne Git­ter und Stäbe,
Führt mit den Blu­men Krieg, die ich so zärt­lich gepflanzt.
Flie­gen­de Samen nahn und Samen von haf­ten­den Kletten,
Fein wie der Staub durch­irrt man­cher die glei­ten­de Luft.
Liebs­te, du bringst mir im Haar des Löwen­zahns zier­li­ches Schirmchen,
Trägst mit dem schma­len Fuß röt­li­chen Amp­fer herein.
Und sie alle wol­len ja wach­sen, wol­len sich nähren,
Wol­len herr­schen zuletzt, ob sie als Die­bes­volk auch
Heim­lich in das rei­che­re Land sich geschli­chen, bevor sie
Pochend auf Sitz und Recht kühn es als Eige verlangt.
Doch ich will dich, Gesin­del, als Herr nicht, will dich nicht nähren,
Kann dich nicht brau­chen als Knecht, ob du auch Diens­te gewährst.
Und so gilt es Ver­nich­tung allein, so herr­sche Gewalt denn,
Herr­sche das Mes­ser, der Stahl, Auf­ruhr bekämpf‘ ich mit Macht.
Schweiß ent­rie­selt der Stirn, es schmerzt von der Beu­gung der Rücken,
Und die Nes­sel ver­brennt zor­nig die grei­fen­de Hand.
Doch indem ich dem Wild­ling Schutz und Heim­statt verwehre,
Schwirrt mit sum­men­dem Laut har­tes Gezie­fer einher.
Muti­ger Zwer­ge Volk ums­urrt mir Blät­ter und Blüten,
Kie­fer, wie Mes­ser geschärft, zeh­ren den grü­nen­den Trieb.
Enger­lings­völ­ker seh‘ ich bena­gen die Wur­zeln und Knollen,
Augen­los ist das Geschlecht, weiß­lich und bläß­lich die Haut.
Tie­fer kro­chen hin­ab sie, da ver­barg sie die Tiefe,
Scheu­end des Tages­ge­stirns Licht, zie­hen sie wüh­lend einher.
Nun bedrängt mich der Frost, der Sturm, die Sturz­flut des Regens,
Hagel schlägt in die Saat, Dür­re ver­zehrt mir den Wuchs.
Immer steh‘ ich gerüs­tet bereit, gewapp­net im Freien,
Braun von der Son­ne Brand, schütz‘ ich gefähr­de­te Flur.
Und sie dankt es mit rei­che­rem Wachs­tum, sie knos­pet und grünet,
Schließt dem hei­te­ren Blick duf­tend und blü­hend sich auf.

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