Satiremagazin chrismon

Das Satire-Heft Titanic hatte ich abbestellt, nachdem ich für den Studententarif nicht mehr in Frage kam.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Die län­ge­re Durst­stre­cke ohne for­cier­te Erhei­te­rung hat­te ein Ende, seit­dem der FAZ das soge­nann­te „evan­ge­li­sche Maga­zin“ chris­mon bei­liegt. Bibel­wor­te und Chris­ten­tu­gen­den dre­hen und deh­nen, bis sie plat­zen: ein sau­ko­mi­sches Schel­men­stück – was die aktu­el­le Num­mer aufs Neue bestätigt!

Arnd Brum­mer, sei­nes Zei­chens Chef­re­dak­teur des wit­zi­gen Wohl­fühl­ma­ga­zins eröff­net den komi­schen Rei­gen in sei­ner Kolum­ne (“was ich notiert habe“) gewohnt hei­ter und stellt sich in aller Aus­führ­lich­keit vor, er wäre – ein Kühl­schrank. Sau­cool. Immer­hin, kei­ne Ket­ten­sä­ge oder was ganz Unver­nünf­ti­ges wie ein Ziga­ril­lo oder ein Pier­cing. „Ja, und wie ich brum­me!“, schreibt er aus­ge­las­sen. Er heißt ja auch Brum­mer! Sei­ne Bir­ne sei aller­dings zur­zeit kaputt, klagt der fre­che Quatsch­kopf mit Sinn für Dop­pel­deu­tig­keit, denn „die Leu­te in mei­ner Fami­lie sind ent­we­der zu schlam­pig, um sie aus­zu­tau­schen, oder zu doof, weil sie nicht wis­sen wie das geht und die Bedie­nungs­an­lei­tung nicht fin­den.“ Herr, schmeiß Alle­go­rien vom Him­mel, auf daß wir jauch­zen vor Freude!

Unter der Rat­ge­ber- Rubrik „Reli­gi­on für Ein­stei­ger“ wird dann die Leser­fra­ge beant­wor­tet, ob sich Reli­gi­on „demo­kra­tisch orga­ni­sie­ren“ las­se. Nein. Das habe man jeden­falls frü­her gemeint. Daher hat­te so ein alt­ba­cke­ner Pfar­rer-Wüst­ling vor Jahr­zehn­ten die kecke Fra­ge eines Jun­gen – der womög­lich mit dem ant­wor­te­ten Schrei­ber­ling iden­tisch ist -, ob „der Hei­li­ge Geist etwas mit Maria hat­te“ mit einer Ohr­fei­ge beant­wor­tet. „Chris­ten, die mit­den­ken und mit­ge­stal­ten, wach­sen so nicht her­an“, das wäre schon mal klar!, beschei­det der Brief­kas­ten­on­kel. Kir­chen­ge­schicht­lich sei­en „Jahr­hun­der­te ver­gan­gen, bis Pro­tes­tan­ten end­lich Tole­ranz lern­ten. (..) Bis in die frü­he Bun­des­re­pu­blik war vie­len Gehor­sam wich­ti­ger als Mün­dig­keit.“ Gewag­tes Fazit: „Pro­tes­tan­ten könn­ten sich ruhig wie­der an die Spit­ze der Demo­kra­tie­be­we­gung stel­len.“ (Mein Ver­bes­se­rungs­vor­schlag wäre: „(un)ruhig.“)

Es folgt Michel Fried­man als Ultra­mün­di­ger – unter der muti­gen Über­schrift „Ich kann nicht gehor­chen.“ Fried­mann bekennt im Inter­view, „auf einem Fried­hof“ auf­ge­wach­sen zu sein („alle ande­ren wur­den von den Nazis umge­bracht“) und an Gott nie geglaubt zu haben. „Ich wäre auch nicht gern gläu­big, das wür­de mich ein­engen“, sagt er, der den wei­te­ren, ja, aufs äußers­te dehn­ba­ren Hori­zont wohl ken­nen­ge­lernt hat. 2003 sei ein „schwie­ri­ges Jahr“ für ihn gewe­sen, und die Reak­ti­on ist so lieb, erklä­rend anzu­fü­gen, daß Fried­man damals „alle Ämter“ abge­ge­ben habe, nach­dem sein „Koka­in­kon­sum“ (da trickst mich die Erin­ne­rung aber­wit­zig aus: ich hat­te glatt den Kon­sum sehr jun­ger Ost­eu­ro­päe­rin­nen in Erin­ne­rung!) „öffent­lich wur­de“. Alles endet gut bei chris­mon, so gehen hier die Poin­ten auf, drum steht auch Herrn Fried­mans Schick­sal letzt­lich unter güns­ti­gem Stern. Nach einem „schmerz­haf­ten, sehr inten­si­ven Pro­zeß“ („ich bin sehr selbst­kri­tisch, sehr selbst­zwei­felnd“) habe er sich gefragt „Wie ist das Leben, wenn man sich selbst ein biß­chen lieb­hat?“ und ist nun: klar, „glück­lich“, wenn auch nur „wie ein Mensch wie ich glück­lich sein kann.“

Ein paar Sei­ten wei­ter wird – wenn das nicht lus­tig ist, in einem gefühls­lin­ken Maga­zin! – der IfS-Stu­die Die Frau als Sol­dat Schüt­zen­hil­fe geleis­tet. Unter der Rubrik „vor­bil­der“ (klein im Ori­gi­nal) wird die schwä­bi­sche „Frau­en­po­li­ti­ke­rin“ Anna Haag por­trä­tiert, die „Mas­sen von Flug­blät­tern der Frau­en­li­ga“ auf dem Dach­bo­den hor­te­te und sich damit vehe­ment für das Recht auf Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung einsetzte.

Den bun­ten Bogen, den der Chef­re­dak­teur mit sei­ner aben­teu­er­li­chen Kühl­schrank­wand­lung begin­nen ließ, beschließt die Mut­ter von Regi­na* (Name geän­dert), deren Toch­ter einst ihr Sohn Richard (*) war und die sich mit die­sem Wech­sel in fröh­li­cher Nach­denk­lich­keit abge­fun­den hat: „Daß Wich­tigs­te ist, daß sie sich wohl­fühlt.“ Womit das Grund­an­lie­gen des Blat­tes wie­der auf­ge­grif­fen wäre. Wie komisch sich Tra­gik anfüh­len kann! Denn ein­mal, als Richard-Regi­nas Toch­ter ein Kind bekam, da hat die Urgroß­mutter doch glatt (voll aus Ver­se­hen) gesagt: „Glück­wunsch Opa! Wir haben bei­de dar­über gelacht.“ Und das, auch wenn es nicht gera­de eine Weis­heit aus den Psal­men ist, ist doch das wich­tigs­te: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Unterm Strich sind die komi­schen „Pro­tes­tan­ten“ von chris­mon heim­li­che Nietz­schea­ner: „Was fällt, das soll man auch noch stoßen!“

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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