Die deutsche Rechte abseits der extremistischen Zone ist im Gegensatz zur Linken arm an solchen Gestalten. Ihre internen Legenden besitzt sie dennoch. Der Österreicher Christian Böhm, der sich Christian Böhm-Ermolli nannte, hat kein nennenswertes schriftstellerisches oder künstlerisches Werk hinterlassen, und sein Name ist über einen kleinen Kreis hinaus kaum bekannt. Diesem jedoch hat er sich durch eine schockierende, radikale Tat für immer ins Gedächtnis gebrannt. Der frühere Obmann der FPÖ-Organisation „Ring Freiheitlicher Jugend” (RFJ) erschoß sich am 5. März 1996 im Alter von dreißig Jahren in seiner Wohnung in der Wiener Schwarzspanierstraße, wo einst das Sterbehaus Beethovens gestanden hatte, in dem sich Otto Weininger 1903 das Leben nahm. Böhm-Ermolli hat auf seine Zeitgenossen eine Faszination ausgeübt, die durch den plötzlichen, blutigen Schlußstrich, den er unter sein Leben setzte, besiegelt wurde.
Unfreiwillig hat ihm der Hamburger Filmemacher Lutz Dammbeck eine Art Denkmal gesetzt, indem er Böhm-Ermolli zu einer Schlüsselfigur seines labyrinthischen Dokumentaressays Das Meisterspiel (1998) machte. Die Schlußszene des Films zeigt die Mitglieder des „Konservativen Clubs” um Böhm-Ermolli, unter ihnen Johann Gudenus und Nikolaus Amhof, die sich beinahe andächtig um ein Kraftfeld zu sammeln scheinen, das der Abwesende ausfüllt. Jeder von ihnen hat ein Jahr nach dem Tod des Freundes eine mysteriöse Postkarte mit „Grüßen aus dem Jenseits” erhalten.
Der Ausgangspunkt des Meisterspiels war ein Anschlag im Jahre 1994 auf einige Gemälde Arnulf Rainers in der Akademie der Bildenden Künste in Wien, die von einem unbekannten Täter schwarz übermalt worden waren. Rainer selbst hatte einst durch „Übermalungen” fremder Bilder Berühmtheit erlangt. Fast ein Jahr später tauchte ein anonymes „Bekennerschreiben” auf, ein ironischer, mit Zitaten gespickter Traktat, der gewissen Entwicklungen der modernen Kunst und im speziellen Rainer den Fehdehandschuh hinwarf.
Weder Täter noch Verfasser konnten jemals ausfindig gemacht werden. Böhm-Ermolli war einer der Hauptverdächtigen. Der begabte Maler abstrakter Bilder war Schüler von Rainer ebenso wie des „Wiener Aktionisten” Peter Weibel gewesen, und galt als einer der schillerndsten Vertreter der sogenannten „Neuen Rechten”, deren Auftreten zu diesem Zeitpunkt von Dämonisierung einerseits und überzogener Erwartungshaltung andererseits begleitet war. Es war die Zeit der Wir ’89er, der Selbstbewußten Nation in der Nachfolge von Botho Strauß’ Bocksgesängen, die Zeit, als die Junge Freiheit einen notorischen Bekanntheitsgrad erlangte und ins Visier der Verfassungsschützer geriet, des Zenits der rauschhaften Ausbreitung der Neofolk-Subkultur im deutschen Sprachraum und der Furcht vor der „Unterwanderung” der Techno-Szene durch „Rechte”. In Österreich gewann die FPÖ unter Jörg Haider immer mehr Anhänger, was von den Medien alarmistisch kommentiert wurde, während eine mysteriöse Briefbombenserie mit rechtsextremistischem Hintergrund die Nation erschütterte.
Insgesamt konnte man Anfang der neunziger Jahre den Eindruck gewinnen, daß die Rechte aus einem Tiefschlaf erwacht war. Christian Böhm, der den Beinamen „Ermolli” von einem altösterreichischen Feldherrn übernommen hatte, erschien in vielerlei Hinsicht als die Inkarnation des Ideals, das die „Neue Rechte” von sich projizierte. Er war jung, gutaussehend, sportlich, besaß einen überragenden Intellekt, war modern, urban und fand mühelos Anschluß zu sub- und popkulturellen Bereichen, die bisher nicht im Entferntesten mit der Rechten assoziiert worden waren. Man wollte den Gegensatz „links-rechts” überhaupt aufheben, anders, „nonkonform”, provokant, ein „Querdenker” sein, wie sich ein Buch von Jürgen Hatzenbichler im damals für Teile der Szene einflußreichen Arun-Verlag betitelte.
Zum Zeitpunkt seines Todes war Böhm-Ermolli dreifacher Magister in Sozialphilosophie, Kunst und Jura. Ihn umgab eine Aura von Abenteuer, Romantik und Elitarismus, Antibürgerlichkeit und Unberechenbarkeit. Er war passionierter Reiter, Jäger, Bergsteiger und Waffennarr mit betont virilem Auftreten. Anläßlich eines „Ohrfeigen-Disputs” zwischen John Gudenus und Erhard Busek forderte er die Wiedereinführung des Duell-Paragraphen. Ihm stand ein beträchtliches Vermögen zur Verfügung, das ihm einen dandyesken Lebensstil ermöglichte. Stets elegant gekleidet, fuhr er einen Jaguar und besaß eine große Wohnung in der Wiener Innenstadt. Sein Professor und Mentor Norbert Leser charakterisierte ihn folgendermaßen: „Er war militaristisch-autoritär geprägt. Irgendwie hat er seine Rolle nicht gefunden. Erst wollte er Priester beim Deutschen Orden werden, dann Rechtsanwalt, dann Künstler, dann Philosoph, dann Richter.” Der elitäre Verehrer Ernst Jüngers und Stauffenbergs wußte sich allerdings auch souverän in der Camouflage des Zeitgeistes zu bewegen. Als ihn die linksgerichtete Wiener Stadtzeitung Falter interviewte, machte er einen ganz und gar „unrechten” Eindruck: Er erschien „in betont lässiger Generation-X-Kleidung; kariertes Flanellhemd, offen über der Jeans getragen, Windjacke mit Kapuze, Stadt-Rucksack. So einer soll ewiggestrigen Ideen anhängen?”
Aber alles Tarnen half nichts: Böhm-Ermolli wurde zum Anführer einer perfiden Vereinnahmung des „Techno” stilisiert, weil er dieser Musikrichtung eine Deutung als zeitgenössisches „Stahlgewitter” unterschieben wolle, in einer Neuauflage des Konzeptes einer technophilen „Moderne von Rechts” im Gefolge von Marinetti und Ernst Jünger. In einem Artikel, der sich auch als „Binnenfeinderklärung” lesen läßt, stilisierten noch Jahre später Manuel Ochsenreiter und Jürgen Hatzenbichler Ernst Jünger zum „ersten deutschen Raver” und deuteten die stundenlange Ekstase des Ravers als „Rebellion” gegen eine „durchrationalisierte” Welt, verwandt mit den Entgrenzungszuständen des „Kampfes als inneres Erlebnis”. In einem Interview mit der Jungen Freiheit (31–32/1995) lehnte Böhm-Ermolli die pauschale Deutung des Techno als „rechts” (oder auch „links”) ebenso ab, wie den Gedanken, eine kleine Minderheit könne eine Massen-Szene „unterwandern”, und sprach sich gar ausdrücklich gegen einen politischen „Mißbrauch” der Musik aus.
Dennoch: Die Verknüpfung von Popkultur und Totalitarismus über die Ästhetik (kurze Haare, Tarnjacken, Militäroveralls, Kampfstiefel und Camouflage-Minis) mußte dem künstlerisch ambitionierten Böhm-Ermolli ins Auge springen. Sein Essay Politische Symbole im Austrofaschismus und Nationalsozialismus in der Anthologie Österreichs politische Symbole beschrieb in unbekümmert-postmoderner Manier den Nationalsozialismus als durchdesigntes Meisterstück der concept-art mit Hitler als oberstem „Chefgraphiker und art-director”.
Wegen der angeblichen Behauptung, Hitler sei „ein großer Staatsmann” gewesen, verlor Böhm-Ermolli bereits im Dezember 1994 seinen Posten beim RFJ. Tatsächlich lehnte er Hitler als Vertreter eines plebejerhaften Massengeistes ab, er bezeichnete ihn ebenso als „Kniébolo” wie den populistischen Superstar der FPÖ, Jörg Haider. Parteiarbeit und ‑politik erschienen Böhm-Ermolli zunehmend sinnlos. Der „Putsch im Alsergrund”, bei dem die Bezirksobfrau der FPÖ Ingrid Kariotis von der Böhm-Ermolli-Fraktion geschlossen abgewählt wurde, war vielleicht bereits purer Aktionismus. Die linken Medien stilisierten die „Rechtsextremen” in der FPÖ hemmungslos zu geistigen Brandstiftern. Die Falter-Ausgabe, auf der groß das Ortsschild von Oberwart im Burgenland prangte, wo vier Zigeuner durch eine Bombe der „Bajuwarischen Befreiungsarmee” getötet worden waren, verknüpfte die Mordtat assoziativ mit dem Aufstieg der jungen Rechten: „Die junge Rechte liebt es intellektuell. Statt Asylantenheime möchte man den linken Geist zerstören.” Böhm-Ermolli war in dieser Perspektive eines dieser klug getarnten Reptilien. „Das Monster schien kurz auf (…) dann wieder die grinsende Glätte des New-Wave-Twens, schicke Jeansjacke oder wehender langer Mantel”, zitierte man Sentenzen von Klaus Theweleit über Ewald Althans.
Böhm-Ermolli zog sich indessen weitgehend aus der Politik zurück. Mit dem FPÖ-Umfeld war nichts anzufangen, und dem RFJ Pasolini-Filme nahebringen zu wollen, war ein fruchtloses Unterfangen. Er setzte neu an: Mit den Gefährten des „konservativen Clubs”, der zeitweise WG-artig in der Schwarzspanierstraße zusammenwohnte, wurde begierig das „Opium der Konservativen Revolution” (Jürgen Hatzenbichler) inhaliert, man verschlang Klassiker wie Syberberg, Benoist, Evola, Weininger und natürlich Ernst Jünger, dem man in Wilflingen Besuche abstattete. Dazu kamen Esoterik, Parapsychologie, Astrologie, obskure Traktate wie die Aorta-Hefte aus der Feder „Kadmons” (Gerhard Petak), dem Kopf des Musikprojekts Allerseelen. Wien wurde wieder zur „Wetterecke der Moderne”, zur „Versuchsanstalt für Weltuntergänge”. Geheimnisvolle Kraftlinien zogen sich netzartig vom Stephansdom, der Schatzkammer der Hofburg, der Akademie am Schillerplatz über die Strudlhofstiege im Alsergrund und dem Gasometer bis hin zum Ullrichsberg. Man hörte Bands wie Death in June und las Szeneblätter wie Sigill, das damals wichtigste Organ des aus dem Darkwave hervorgegangenen Neofolk. Man träumte davon, die Moderne mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen, „den Tiger zu reiten”.
Warum und wann setzte der Sog ins Nichts ein, der im Selbstmord endete? Es liegt wohl in der Natur einer solchen Tat, daß sich ihre letzten Gründe dem Blick von außen verschließen. „Der Selbstmord wird in der Stille des Herzens vorbereitet wie ein Kunstwerk”, schrieb Albert Camus. Tatsache ist, daß Böhm-Ermolli zunehmend paranoide Züge an den Tag legte: Ein psychotischer Wahnsinn, den er durch seine gesteigerte innere und äußere Aktivität, einen permanenten inneren Rausch, noch forcierte und beschleunigte, nahm überhand, und wahrscheinlich war er tatsächlich „von Ecstasy zerfressen”, wie Andreas Mölzer vermutete. Bald sah er sich verfolgt von finsteren Verschwörermächten, die ihn jederzeit zu erwischen drohten.
Nun flackerte vor Böhm-Ermollis Augen jenes „Irrlicht” auf, das Drieu la Rochelle in seinem berühmten gleichnamigen Suizid-Roman beschrieben hatte. Aus der Ferne schien es jedoch ein Fanal zu sein, eine jener heroisch entzündeten Fackeln, die Julius Evola in Revolte gegen die moderne Welt beschrieb: „Am Rande der großen Weltströmungen gibt es noch Menschen, die in den ‚unbeweglichen Landen‘ verankert sind (…) Sie verteidigen die Gipfellinien und gehören nicht dieser Welt an (…) Dieser innerste Kern handelt nicht: er hat nur die Aufgabe, die der Symbolik des ‚ewigen Feuers‘ entspricht. Dank ihm ist die Tradition trotz allem gegenwärtig, brennt die Flamme unsichtbar, und etwas verbindet diese Welt mit der Überwelt.”
Unter dem Einfluß von Evola reifte in Böhm-Ermolli die Erwartung einer reinigenden Apokalypse, die den Übergang zu einem neuen Zeitalter bringen sollte, und er sah er sich dazu berufen, durch ein Selbstopfer ein Zeichen zu setzen, wie Stauffenberg, dessen Putschversuch ebenso aussichtslos gewesen war wie derjenige Yukio Mishimas. In einer theatralischen Aktion nahm der todesbesessene japanische Schriftsteller am 25. November 1970 mit Hilfe einiger Gefolgsleute im Hauptquartier der japanischen Armee in Ichigaya einen General als Geisel und forderte den Antritt der Belegschaft der Kaserne, um von einem Balkon aus eine Rede zu halten. Hubschrauberlärm, Beschimpfungen und Hohngelächter übertönten den ebenso flammenden wie lächerlichen Appell an die Soldaten, zum Kriegergeist, zur Kaisertreue und den transzendenten Werten des alten Japan zurückzukehren. Mishima, gekleidet in eine elegante Phantasie uniform, die er selbst entworfen hatte, beendete seinen letzten Auftritt mit dem Ruf „Tenno Heika Banzai!”, stieg in das Büro des Generals zurück und schlitzte sich nach dem klassischen Ritual des sepuku den Bauch auf.
In einer Welt, in der die Masse ebenso wie ihre politische Führung den eigenen Untergang wollte, war aus der Sicht Böhm-Ermollis paradoxerweise nichts anderes zu tun übrig, als sich gegen den Strom der Lemminge zu werfen, untergehend wie sie, im Gegensatz zu diesen jedoch durch eine bewußte Tat. Am 5. März 1996 erschoß er sich mit seinem Jagdgewehr, im Stil der Offiziere der k. u. k.-Armee: Ein Schluck Wasser im Mund garantierte das Explodieren der Schädeldecke.
Das Ungeheuerliche dieser Tat ließ Freund und Feind den Atem stokken. Der Bericht über Böhm-Ermollis Freitod, der im Falter erschien, war zurückhaltend und getragen. Tatsächlich schien es so, als könne der Autor einen gewissen Respekt nicht verhehlen. Der Verfasser selbst erinnert sich an den tiefen Eindruck, den der Artikel bei ihm hinterlassen hat. Ein Nachruf, gezeichnet mit den Namen Nikolaus Amhof, Johann Gudenus und René Scheibe, erschien in der Jungen Freiheit vom 29. März 1996: „Wenn die Guten nicht kämpfen, siegen die Bösen (…) Das Licht seines Geistes brannte zu hell, um lange zu leuchten.” Böhm-Ermollis Epopöe schrieb fünf Jahre später Werner Bräuninger in der Aula.
Christian Böhm-Ermolli war Jahrgang 1965, mithin so etwas wie ein Dissident der „Generation X”. Der Begriff geht in dieser Form auf den gleichnamigen Roman von Douglas Coupland (1991) zurück und bezeichnet die Stimmungslage der Jahrgänge von etwa 1965–1975. „Generation X”, das bedeutete eine Abkehr von den Idealen der Eltern, Zynismus, Nihilismus, Ziellosigkeit, Entscheidungsschwäche, aber auch den Wunsch, den Konsum- und Yuppie-Idealen der achtziger Jahre zu entrinnen, was nicht ausschloß, sich einer unpolitischen Spaßkultur hinzugeben. Die Twentysomethings, die sich mit McJobs durchschlugen und regelmäßig den Mid-Twenties-Breakdown erlitten, wählten sich als Idol bezeichnenderweise den traurigsten aller Rockstars, Kurt Cobain, den Kopf von Nirvana, der sich 1994, ebenfalls mit einem Gewehr, erschoß. Im Nachspiel dieses Trends tauchte dennoch immer wieder vereinzelt die alte Sehnsucht nach dem reinigenden Ausnahmezustand auf, wie sie in den Neunzigern von Böhm-Ermolli und anderen Protagonisten der jungen Rechten sowie der Neofolk-Szene verkörpert wurde. Die zynischste Absage an die Passivität der „Generation X” war Chuck Palahniuks „Kult”-Roman Fight Club (1996).
In der Gestalt des Tyler Durden mutiert der „Gen-X-Slacker” zum nihilistischen Faschisten im Sinne Drieu La Rochelles: „Wir schlagen uns gegen alle!”. In dem Popliteraten-Manifest Tristesse Royale wünschte sich Alexander von Schönburg einen „Herbst 1914” als Heilmittel gegen die „Langeweile” und die „Wohlstandsverwahrlosung”. Einer der Teilnehmer der als blasierte Dandys posierenden Runde, Christian Kracht, Jahrgang 1967, der mit Faserland (1995) einen prototypischen „Generation‑X”-Roman geschrieben hatte, ließ schließlich in seinem großen Wurf 1979 den dekadent-hedonistischen Protagonisten in einem rotchinesischen Umerziehungslager enden. Damit vollzog er die Sehnsucht der Décadents der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach, die sich nach totalitären Eiszeiten sehnten, um den Morast im Innen wie im Außen trockenzulegen. „Kälte ist zu empfehlen, wo es anrüchig wird. Es geht sich leichter über gefrorenen Schlamm” (Ernst Jünger). Kritiker nannten Krachts Buch zu Recht eine „Selbstauslöschungsphantasie”.
Christian Böhm-Ermollis eigentlicher Zwilling im Geiste war jedoch der Jungstar des postmodernen Berliner Merve-Verlags, Konrad Markus Leiner, alias QRT, auch bekannt als „Fascho-Kurt”. Er teilt mit Böhm-Ermolli nicht nur das Geburts- und Sterbejahr: Auch er schied vermutlich freiwillig aus dem Leben, in seinem Fall durch den „Goldenen Schuß” einer Überdosis Heroin. Leiner wurde 1965 in Konstanz geboren und entstammte einer Philosophenfamilie. Die Hauptstadt seines Wirkens wurde allerdings Berlin. Auch er war ein schillernder Charakter, der sein Leben im Zeitraffer verbrauchte. Er hinterließ tausende Manuskriptseiten zu den entlegensten Themen, denen jedoch allesamt ein transgressives Element zugrundeliegt: Drogen, Horrorfilme, Pornographie, Gewalt, politische Extremismen.
An der FU Berlin provozierte der Student mit seiner brillanten, aggressiven Intellektualität und einem ungenierten „Fascho”-Look, irgendwo zwischen Techno und Neofolk: „Mit seinem Kleidungsstil, einem individualistischen Radical-Chic-Plagiarismus proletarischer Jugendbewegungen, kurzgeschorenem Haupthaar, Militäroverall, Militärstiefeln, fellbezogener Lederjacke und seiner großen Vorliebe für die schwarze Romantik wirkte er wie ein Abziehbild seiner eigenen Vorstellungen vom Antibürger” (Mario Mentrup).
Leiner war kampfsporterprobt, Meinungsverschiedenheiten wurden mitunter mit der Faust ausgetragen. Neben seiner Karriere als Schriftsteller war er als Schauspieler, Barkeeper, Musiker und Porschefahrer tätig. Seine Techno-Theorie schließt nahtlos an die „neurechte” Deutung an: „Die Techno-Bewegung ist eine militärische Organisation, die im Raum der Diskothek einen Medienkrieg ausficht (…) die gezielte Deprivation der Sinne, das ‚zu grell‘ und ‚zu laut‘, der Drogenexzeß und völlige körperliche Verausgabung im Tanz sind Strategien der paramilitärischen Bildung (…) im Techno steht der archaische Krieger wieder auf, allerdings als ein Exponent der Ordnung des Heiligen (…) die Techno-Kultur bricht mit dem Wertesystem der bürgerlichen Gesellschaft, das den Mythos durch die Ideologie ersetzt.”
QRTs Hauptwerk Drachensaat erschien vier Jahre nach seinem Tod in schwarzem Einband. Auf über fünfhundert Seiten tauchte er tief hinab in den Schlund des von ihm so bezeichneten „heroischen Nihilismus”, der mit der „Konservativen Revolution” quasi deckungsgleich sei. Wie der späte Armin Mohler erblickte er deren wilde Nachfolger in den französischen Postmodernen und Poststrukturalisten. Ausgehend von den zentralen Gestalten Otto Weininger, Hans Blüher, Ernst Jünger, Oswald Spengler entwarf er eine affirmative Theorie des Helden, die sich allerdings in dem für Postmoderne typischen ortlosen Raum bewegt, hemmungslos assoziiert, deliriert und spekuliert. Am Ende sprach er trotzig den Verfemten das Wort: „Dieser Text wollte von den Diskursen handeln, die kein Ohr mehr haben. Die hier behandelten Autoren wurden verdrängt, beiseite geschoben, verhöhnt, verunglimpft und ignoriert. Man hat sie in das geistige Massengrab gestoßen, in dem so vieles verrottet, was unsere Rentenversicherungsgesellschaft nicht mehr verdauen kann. Die Geschichte des Heroischen Nihilismus zeigt einmal mehr: die Wahrheit ist ein Siegerrecht (…) Es kommt, man kann es der deutschen Philosophie nur wünschen, vielleicht eine Zeit, in der mit Begeisterung Spengler gelesen wird, wenn sich kein Mensch mehr an den Namen Habermas erinnert.” Der Durst, der aus diesem Buch und diesen Zeilen spricht, war nur durch einen letzten Exzeß zu stillen, er kostete QRT das Leben.
Es war eingangs von Unkonventionellen, Exzentrikern und Märtyrern die Rede. Genausogut ließe sich von Überspannten, Pathologischen, Romantikern, Extremisten, Narzissen reden. Ist das bereits ein Einwand? „Unsere Hoffnung ruht in den jungen Leuten, die an Temperaturerhöhung leiden, weil in ihnen der grüne Eiter des Ekels frißt, in den Seelen von Grandezza, deren Träger wir gleich Kranken zwischen der Ordnung der Futtertröge einherschleichen sehen”, schrieb Ernst Jünger 1929. Nehmen wir sie wahr, diese jungen Leute!