nimmt den Hund an die Leine, merkt, daß Gänse, Enten und Hühner auch schon wach sind, entläßt das Geflügel aus den Ställen in die Morgendämmerung, klaubt ein paar Äpfel und Pflaumen auf und überläßt den Rest dem Viehzeug. Große Freude bei Kind und Tieren. Mein Rocksaum ist naß vom Tau.
Nach einer Runde durchs Dorf ist das Haus noch still, das Kind nicht im geringsten. Man deckt den Frühstückstisch, wäscht das Fallobst und knetet einen Teig. Weil die Kommunikation mit dem jungen Menschen nicht erschöpfend ist, schaltet man das Radio an, just als die Sechs-Uhr-Nachrichten beginnen. Nicht, daß man bis dato einer Ermunterung bedurft hätte, aber eben auch nicht dieses kaltnassen Waschlappens, der gleich als zweite Meldung nach „London“ gebracht wird: „Annegret Kramp- Karrenbauer fordert eine Politik, die nicht mehr das Heimchen am Herd in den Mittelpunkt stellen dürfe.“ Huch! War ich, war meinesgleichen bislang etwa Mittelpunkt der Politik? In all meinem heimseligen Tun ist mir das glatt entgangen.
Ich gehöre nun nicht zu der Sparte Hausfrau/Mutter, die besonderes Lob für ihre eher banale, aber doch nicht anspruchslose Tätigkeit erwartet. Aber doch bitte auch keine despektierlichen Bemerkungen! Was wird sich nun ändern für uns kuchenbackende, kinderumsorgende Heimchen, für meine seit geschlagenen 15 Jahren gelebte Lebenswirklichkeit? Der Nachrichtensprecher verweist auf ein FAZ-Interview mit der fordernden Frau.
Die Zeitung habe ich vorhin schon auf den Tisch gelegt, blättere sie auf: Ah, da ist die Frau Kramp – Karrenbauer, die brandneue saarländische Landesmutti (CDU), auf Seite zwei gleich, mit weit gespreizten Fingern, Schulterpolstern, einer Zornesfalte an der Nasenwurzel unter der burschikos-praktischen Kurzhaarfrisur. Klar, sie trägt diese Brille mit breiten Scheuklappen an beiden Bügeln, eine Mode, über die ich schon länger staune. Frau Kramp-Karrenbauer nennt sich hier also selbst eine Quotenfrau und hält politische wie wirtschaftliche Frauenquoten für ein probates „Druckmittel“.
Ihr Mann habe sich „mit Blick auf seine Karriere sehr zurückgenommen, um meine Karriere zu ermöglichen.“ „Ein Stück Ermutigung“ nennt sie diese innerfamiliäre Übereinkunft, die mit geschlechtlich umgekehrten Vorzeichen als schurkische Patriarchenmoral wahrgenommen würde. Andernorts sagte sie: „Ich habe das Glück, einen Mann zu haben, der sehr familienorientiert ist“ und: „wenn ich über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf rede, dann tue ich das aus einer ganz anderen Perspektive als etwa ein Kollege aus dem Bundestag, dessen Frau zu Hause die Kinder großzieht.“
Ja – wie denn? Ist das nun Profilbildung auf saarländisch? Daß endlich mal mit dem hochpopulären Rollenbild des Heimchens aufgeräumt wird? Daß eine ganz keck von „Rückenfreihalten“ spricht und damit den weiblichen Erwerbsrücken meint? Das Gerücht, wonach es im Saarland weit provinzieller zugehe als selbst im dörflichen Osten, scheint sich zu bewahrheiten. Eine CDU, die jetzt ansetzt, gegen das „Heimchen-am- Herd“-Klischee anzukämpfen, um „auch von Frauen gewählt zu werden“, ist so verzopft und bemitleidenswert, daß … ach, ich würde der Annegret am liebsten beruhigend über den Rücken streichen, ihr das strenge Scheuklappengestell abnehmen und ihr mein sanftes Loblied der Unvereinbarkeit singen. Dann ist es sechs Uhr dreißig, und als der Deutschlandfunkmann erneut den Schmäh vom Heimchen in die Küche desselben kündet, riecht es nach frischem Kuchen, und das Kind auf dem Rücken, den keiner freihält, ist eingeschlafen.