Anngret Kramp-Karrenbauer entzieht mir die Unterstützung

Da steht man heute ganz früh - kurz vor fünf - auf, weil der Säugling nicht aufhört zu krakeelen, schultert den kleinen Menschen,...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

nimmt den Hund an die Lei­ne, merkt, daß Gän­se, Enten und Hüh­ner auch schon wach sind, ent­läßt das Geflü­gel aus den Stäl­len in die Mor­gen­däm­me­rung, klaubt ein paar Äpfel und Pflau­men auf und über­läßt den Rest dem Vieh­zeug. Gro­ße Freu­de bei Kind und Tie­ren. Mein Rock­saum ist naß vom Tau.

Nach einer Run­de durchs Dorf ist das Haus noch still, das Kind nicht im gerings­ten. Man deckt den Früh­stücks­tisch, wäscht das Fall­obst und kne­tet einen Teig. Weil die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem jun­gen Men­schen nicht erschöp­fend ist, schal­tet man das Radio an, just als die Sechs-Uhr-Nach­rich­ten begin­nen. Nicht, daß man bis dato einer Ermun­te­rung bedurft hät­te, aber eben auch nicht die­ses kalt­nas­sen Wasch­lap­pens, der gleich als zwei­te Mel­dung nach „Lon­don“ gebracht wird: „Anne­gret Kramp- Kar­ren­bau­er for­dert eine Poli­tik, die nicht mehr das Heim­chen am Herd in den Mit­tel­punkt stel­len dür­fe.“ Huch! War ich, war mei­nes­glei­chen bis­lang etwa Mit­tel­punkt der Poli­tik? In all mei­nem heim­se­li­gen Tun ist mir das glatt entgangen.

Ich gehö­re nun nicht zu der Spar­te Hausfrau/Mutter, die beson­de­res Lob für ihre eher bana­le, aber doch nicht anspruchs­lo­se Tätig­keit erwar­tet. Aber doch bit­te auch kei­ne despek­tier­li­chen Bemer­kun­gen! Was wird sich nun ändern für uns kuchen­ba­cken­de, kin­der­um­sor­gen­de Heim­chen, für mei­ne seit geschla­ge­nen 15 Jah­ren geleb­te Lebens­wirk­lich­keit? Der Nach­rich­ten­spre­cher ver­weist auf ein FAZ-Inter­view mit der for­dern­den Frau.

Die Zei­tung habe ich vor­hin schon auf den Tisch gelegt, blät­te­re sie auf: Ah, da ist die Frau Kramp – Kar­ren­bau­er, die brand­neue saar­län­di­sche Lan­des­mut­ti (CDU), auf Sei­te zwei gleich, mit weit gespreiz­ten Fin­gern, Schul­ter­pols­tern, einer Zor­nes­fal­te an der Nasen­wur­zel unter der bur­schi­kos-prak­ti­schen Kurz­haar­fri­sur. Klar, sie trägt die­se Bril­le mit brei­ten Scheu­klap­pen an bei­den Bügeln, eine Mode, über die ich schon län­ger stau­ne. Frau Kramp-Kar­ren­bau­er nennt sich hier also selbst eine Quo­ten­frau und hält poli­ti­sche wie wirt­schaft­li­che Frau­en­quo­ten für ein pro­ba­tes „Druck­mit­tel“.

Ihr Mann habe sich „mit Blick auf sei­ne Kar­rie­re sehr zurück­ge­nom­men, um mei­ne Kar­rie­re zu ermög­li­chen.“ „Ein Stück Ermu­ti­gung“ nennt sie die­se inner­fa­mi­liä­re Über­ein­kunft, die mit geschlecht­lich umge­kehr­ten Vor­zei­chen als schur­ki­sche Patri­ar­chen­mo­ral wahr­ge­nom­men wür­de. Andern­orts sag­te sie: „Ich habe das Glück, einen Mann zu haben, der sehr fami­li­en­ori­en­tiert ist“ und: „wenn ich über die Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf rede, dann tue ich das aus einer ganz ande­ren Per­spek­ti­ve als etwa ein Kol­le­ge aus dem Bun­des­tag, des­sen Frau zu Hau­se die Kin­der großzieht.“

Ja – wie denn? Ist das nun Pro­fil­bil­dung auf saar­län­disch? Daß end­lich mal mit dem hoch­po­pu­lä­ren Rol­len­bild des Heim­chens auf­ge­räumt wird? Daß eine ganz keck von „Rücken­frei­hal­ten“ spricht und damit den weib­li­chen Erwerbs­rü­cken meint? Das Gerücht, wonach es im Saar­land weit pro­vin­zi­el­ler zuge­he als selbst im dörf­li­chen Osten, scheint sich zu bewahr­hei­ten. Eine CDU, die jetzt ansetzt, gegen das „Heim­chen-am- Herd“-Klischee anzu­kämp­fen, um „auch von Frau­en gewählt zu wer­den“, ist so ver­zopft und bemit­lei­dens­wert, daß … ach, ich wür­de der Anne­gret am liebs­ten beru­hi­gend über den Rücken strei­chen, ihr das stren­ge Scheu­klap­pen­ge­stell abneh­men und ihr mein sanf­tes Lob­lied der Unver­ein­bar­keit sin­gen. Dann ist es sechs Uhr drei­ßig, und als der Deutsch­land­funk­mann erneut den Schmäh vom Heim­chen in die Küche des­sel­ben kün­det, riecht es nach fri­schem Kuchen, und das Kind auf dem Rücken, den kei­ner frei­hält, ist eingeschlafen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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