Kleiner Traktat über die Vielfalt

pdf der Druckfassung aus Sezession 41 / April 2011

»Ja, macht das Ihnen denn keine Freude, wenn die Vögelein pfeifen?« Mit dieser Frage wurde Armin Mohler einmal von einer »sympathischen Dame in mittleren Jahren« überrumpelt, nachdem er in ihrer Gegenwart über die »Ökomanen« gelästert hatte: »Darauf fiel mir nun wirklich keine Antwort ein.« Ähnlich kann es einem gehen, wenn man es heute wagt, etwas gegen den Gummibegriff von der »Vielfalt« zu sagen. Da könnte die freundliche Dame nunmehr fragen: »Ja, wollen Sie denn lieber in einer langweiligen eintönigen Welt leben anstelle einer bunten, abwechslungsreichen?«

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Der­lei Argu­men­ta­tio­nen sind so grund­falsch ange­setzt, daß man erst­mal wirk­lich nicht weiß, wo man anfan­gen soll, um den clust­er­fuck an Denk­feh­lern zu ent­wir­ren, der sich dar­in mani­fes­tiert. Was etwa einem Staats­mann ant­wor­ten, der imstan­de ist, über die Lip­pen zu brin­gen, er wün­sche sich eine »bun­te­re« Repu­blik? Die Ein­falt, die beson­ders jenem Per­so­nal so pene­trant ins Gesicht geschrie­ben steht, das so ger­ne von der »Viel­falt« spricht, sorgt dabei für Tita­nic-wür­di­ge Poin­ten, beson­ders in Kom­bi­na­ti­on mit dem Slo­gan »Viel­falt statt Ein­falt«. Man den­ke an das zum Löwen­bän­di­ger ernann­te Über-Lamm Maria Böh­mer, deren tan­ten­haf­ter Habi­tus ihren Bon­mots erst so rich­tig die auf­rei­zen­de Wür­ze ver­leiht. »Die­se Men­schen mit ihrer viel­fäl­ti­gen Kul­tur, ihrer Herz­lich­keit und ihrer Lebens­freu­de sind eine Berei­che­rung für uns alle.« Die­ses berüch­tig­te Zitat über die in Deutsch­land leben­den Tür­ken ziert inzwi­schen als Run­ning Gag unzäh­li­ge Netz-Arti­kel über Ausländergewalt.
Den­noch gibt heu­te kei­ne mit Inte­gra­ti­ons- und Migra­ti­ons­pro­ble­men beauf­trag­te Insti­tu­ti­on, die es sich erlau­ben könn­te, die Ein­wan­de­rungs­fra­ge unter ande­ren Gesichts­punk­ten als dem der dubio­sen »Viel­falt « abzu­han­deln. Ein Muß für die ein­schlä­gi­gen Bro­schü­ren und Netz­sei­ten sind Regen­bo­gen-Logos, Gra­phi­ken mit händ­chen­hal­ten­den bun­ten Männ­chen und Grup­pen­fo­tos von fried­fer­tig lächeln­den Men­schen mit gel­ber, bei­ger, rosa, brau­ner und sons­ti­ger Haut­far­be, die in mul­t­iras­si­scher Ein­tracht schwel­gen. Die­ses Bild­gen­re stammt ursprüng­lich aus den USA, wo es fixer Bestand­teil von Fir­men­prä­sen­ta­tio­nen und Wer­be­an­zei­gen jeg­li­cher Art gewor­den ist. Wem »Viel­falt« nicht pri­ckelnd genug klingt, der kann auch das eben­falls US-ame­ri­ka­ni­sche Schlag­wort »diver­si­ty« benut­zen, wenn es beliebt, auch in tau­to­lo­gi­scher Kom­bi­na­ti­on mit ers­te­rem. Das Bil­dungs­pro­gramm »Eine Welt der Viel­falt e.V.« etwa, »geför­dert durch eine Zuwen­dung der Beauf­trag­ten der Senats­ver­wal­tung für Inte­gra­ti­on und Migra­ti­on Ber­lin«, wirbt mit dem Slo­gan »Unter­schied­lich­keit und Viel­falt und zugleich DIVERSITY«.
»Diver­si­ty« bezeich­net dabei einen Zustand, der sich qua­si aus sich selbst her­aus recht­fer­tigt. Ihre Apo­lo­ge­ten bie­ten zumeist nur vage Begrün­dun­gen, war­um und inwie­fern man denn »Unter­schie­de und Viel­falt als Berei­che­rung erle­ben« soll. Unklar bleibt auch, was für einen kon­kre­ten Nut­zen die For­cie­rung der »Viel­falt« hat. Ver­su­che, sie ratio­nal zu begrün­den, fal­len in der Regel ver­rä­te­risch aus. Eine 2006 von der Bun­des­re­gie­rung lan­cier­te »Char­ta der Viel­falt« ver­pflich­tet deut­sche Unter­neh­mer, auf frei­wil­li­ger Basis »ein Arbeits­um­feld zu schaf­fen, das frei von Vor­ur­tei­len ist. Alle Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter sol­len Wert­schät­zung erfah­ren – unab­hän­gig von Geschlecht, Ras­se, Natio­na­li­tät, eth­ni­scher Her­kunft, Reli­gi­on oder Welt­an­schau­ung, Behin­de­rung, Alter, sexu­el­ler Ori­en­tie­rung und Iden­ti­tät«. Die Ver­pflich­tung schließt ein, die »Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter über Diver­si­ty (sic) zu infor­mie­ren« und »sie bei der Umset­zung der Char­ta ein­zu­be­zie­hen«. Wie die­se Umset­zung kon­kret aus­se­hen soll, dazu schweigt sich die­ser nebu­lö­se Kata­log voll guter Absich­ten frei­lich aus.

In der beglei­ten­den Publi­ka­ti­on »Viel­falt als Chan­ce«, deren Titel­sei­te die obli­ga­te Ras­sen-Col­la­ge ziert, ver­kün­det Schirm­her­rin Ange­la Mer­kel: »Deutsch­land ist ein Land der Viel­falt. Für unse­re Wirt­schaft und Gesell­schaft ist Viel­falt ein Erfolgs­fak­tor, den es zu nut­zen gilt.« An sel­ber Stel­le Maria Böh­mer: »Unse­re Bot­schaft lau­tet: Viel­falt lohnt sich!« Das klingt nun eben­so lahm, wie es ver­lo­gen ist, näm­lich ganz so, als hät­te man zuerst die wun­der­sa­me Lukra­ti­vi­tät der »Viel­falt« ent­deckt, um sie anschlie­ßend den Unter­neh­men als blen­den­de Geschäfts­idee auf­zu­nö­ti­gen. In Wirk­lich­keit ver­hält es sich natür­lich genau umge­kehrt. Die Unter­neh­men pro­fi­tie­ren vor allem des­we­gen von Bekennt­nis­sen zur »Char­ta«, weil sie damit ihr öffent­li­ches Pres­ti­ge zeit­geist­ge­mäß erhö­hen kön­nen. Kein Per­so­nal­chef aber wird anneh­men, daß höhe­re »Diversitäts«-Quoten von bei­spiels­wei­se Tür­ken oder Schwu­len an sich schon die Kas­sen klin­geln lie­ßen. Von einer »Wert­schät­zung« auf­grund der erbrach­ten Arbeits­leis­tung, unab­hän­gig von Haut­far­be, Her­kunft oder sexu­el­ler Ori­en­tie­rung, ist in der Char­ta bezeich­nen­der­wei­se nicht die Rede. Hier soll wohl vor allem die psy­cho­lo­gi­sche Basis geschaf­fen wer­den, auf der man eines Tages Min­der­hei­ten-Quo­ten nach dem ame­ri­ka­ni­schen Vor­bild der »affir­ma­ti­ve action« durch­set­zen kann.
Initia­ti­ven wie die »Char­ta« die­nen vor allem als kul­tur­he­ge­mo­nia­le Coups zur Ver­brei­tung, Auf­wer­tung und Ver­net­zung der »Diversity«-Ideologie. Dabei ist das gan­ze Pro­jekt offen­bar eher aus einer Ver­le­gen­heit her­aus gebo­ren, wie man zwi­schen den Zei­len erah­nen kann: »Tech­no­lo­gie, Talen­te, Tole­ranz – Die drei gro­ßen ›T‹ gel­ten als ent­schei­den­de Stand­ort­fak­to­ren der Zukunft. (…) Der demo­gra­fi­sche Wan­del stellt Deutsch­land vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen. Die Erwerbs­be­völ­ke­rung in Deutsch­land schrumpft schnel­ler und stär­ker als in ande­ren Län­dern. (…) Die­se Lücke lässt sich auch durch Zuwan­de­rung nicht mehr schlie­ßen.« Nun tau­chen lei­der Spiel­ver­der­ber wie Thi­lo Sar­ra­zin und Udo Ulfkot­te auf, die die Pro­pa­gan­da­be­haup­tung von der »Viel­falt als Erfolgs­fak­tor« Lügen stra­fen, und auf­zei­gen, daß die prak­ti­zier­te »Diver­si­ty« alles ande­re als einen öko­no­mi­schen Nut­zen hat, son­dern viel­mehr erheb­lich dazu bei­trägt, daß sich Deutsch­land auch wirt­schaft­lich »abschafft«. Den­noch wird beharr­lich an der »Viel­falt« fest­ge­hal­ten. Sie ist das erlö­sen­de Zau­ber­wort, das den Fluch der geru­fe­nen Geis­ter zum Segen ver­gol­den soll.
Robert Hepp wies in dem Auf­satz »Mul­ta non mul­tum: Kul­tur­kri­ti­sche Anmer­kun­gen zur ›mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft‹« (2002) dar­auf hin, daß bereits die Rede von der »mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft« (MKG), die momen­tan von der »Diver­si­ty« abge­löst wird, eher am End­punkt als am Anfang einer Ent­wick­lung stand. Man muß­te die Sup­pe recht­fer­ti­gen, die man sich ein­ge­brockt hat­te. Als der Import von »Gast­ar­bei­tern« tat­säch­lich noch wirt­schaft­li­che Grün­de hat­te, sprach nie­mand von einer »mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft« (geschwei­ge denn von »Viel­falt« und »Berei­che­rung«), auch nicht, als »zur Kom­pen­sa­ti­on des abseh­ba­ren lang­fris­ti­gen Bevöl­ke­rungs­rück­gangs schließ­lich eine geziel­te Wan­de­rungs­po­li­tik ent­wi­ckelt wur­de, die durch eine Poli­tik der Inte­gra­ti­on ergänzt wer­den soll­te. (…) Unter Inte­gra­ti­on ver­stand man damals all­ge­mein Assi­mi­la­ti­on. « Die­se »Schmelztiegel«-Strategie schei­ter­te schließ­lich: Die Mehr­zahl der Aus­län­der beharr­te »stur auf der Respek­tie­rung ihrer natio­na­len Iden­ti­tät. Auch sah man sich zuneh­mend mit Mino­ri­tä­ten kon­fron­tiert, die sich zwar nicht assi­mi­lie­ren las­sen woll­ten, aber trotz­dem poli­ti­sche Gleich­be­rech­ti­gung for­der­ten.« In die­sem Dilem­ma »schien sich das Kon­zept der MKG als Ei des Kolum­bus anzu­bie­ten«, stell­te es doch die »Ver­wirk­li­chung der kos­mo­po­li­ti­schen Repu­blik in einem Lan­de«, »zugleich kon­se­quent plu­ra­lis­tisch und kon­se­quent ega­li­tär«, in Aus­sicht. Dies wur­de zum »Ziel, das die Mehr­heit der deut­schen Lin­ken nun unter der Fah­ne der MKG ansteu­er­te. Der ursprüng­lich inten­dier­te Zweck der Wan­de­rungs­po­li­tik wur­de von ganz ande­ren Zie­len überlagert.«

Die­ses Ziel ist nun nichts weni­ger, als die als »alter­na­tiv­los« betrach­te­te Trans­for­ma­ti­on Deutsch­lands in einen Viel­völ­ker­staat zu »mana­gen« und zu beschleu­ni­gen. Der Haupt­adres­sat der »Diversity«-Propaganda ist natür­lich die »Mehr­heits­ge­sell­schaft« der Stamm­deut­schen, die sich auf die­sem Weg mit der Aus­sicht anfreun­den sol­len, in abseh­ba­rer Zeit nur mehr eine Min­der­heit neben vie­len ande­ren zu stel­len. Die­se Poli­tik ist inzwi­schen nahe­zu allen west­li­chen Natio­nen zur rai­son d’être gewor­den. Wo auch immer »Viel­falt«, »Tole­ranz« und »Men­schen­rech­te « als obers­te Güter fir­mie­ren, wird in letz­ter Kon­se­quenz »die Auf­lö­sung der eth­ni­schen Homo­ge­ni­tät der euro­päi­schen Natio­nal­staa­ten « (Hepp) ange­strebt. Davon ver­spricht man sich einen uto­pi­schen End­zu­stand, ähn­lich der »klas­sen­lo­sen Gesell­schaft« des Mar­xis­mus. Heu­te füh­ren die poli­ti­schen Eli­ten West­eu­ro­pas einen kal­ten Krieg gegen ihre Staats­völ­ker, die jedoch in ängst­li­cher bis ver­blen­de­ter und des­in­for­mier­ter Kom­pli­zen­schaft an ihrer eige­nen Abschaf­fung mit­wir­ken. Das poli­ti­sche Sys­tem der Bun­des­re­pu­blik kennt »Staats­fein­de« und »Ver­fas­sungs­fein­de«, aber bezeich­nen­der­wei­se kei­ne »Volks­fein­de«. Letz­te­re ken­nen wir alle beim Namen, und sie ste­hen dem eige­nen Volk nicht weni­ger feind­se­lig gegen­über als irgend­ein ori­en­ta­li­scher Dik­ta­tor, denn sie hebeln sein Selbst­be­stim­mungs­recht aus und haben es in einen schlei­chen­den Geno­zid geführt.
Die »Viel­falt« als ethisch-mora­li­sches Gebot wur­de zum sinn­stif­ten­den Evan­ge­li­um einer Zeit, in der der Libe­ra­lis­mus an der äußers­ten Gren­ze sei­ner Selbst­ent­lee­rung ange­kom­men ist, und »den Mör­dern die Tür auf­schließt« (Ernst Jün­ger). Ideen­ge­schicht­lich ist sie ein Zweig des Plu­ra­lis­mus, der sich vor dem Hin­ter­grund der tota­li­tä­ren Erfah­run­gen des 20. Jahr­hun­derts als obers­ter poli­ti­scher Wert durch­set­zen konn­te. Man kann die tota­li­tä­ren Expe­ri­men­te als Ant­wort auf die Kri­se der moder­nen Mas­sen­ge­sell­schaft ver­ste­hen, in der die ewi­ge Fra­ge nach dem dia­lek­ti­schen Ver­hält­nis zwi­schen dem Ein­zel­nen und der Gemein­schaft mit her­kömm­li­chen Mit­teln nicht mehr zu lösen war. Heu­te die­nen sie, von der Ras­sen­po­li­tik des Natio­nal­so­zia­lis­mus bis zu den »blau­en Amei­sen « Maos als Schreck­bild, das die »Plu­ra­li­tät« einer Gesell­schaft und die Frei­heit des Indi­vi­du­ums um so wert­vol­ler erschei­nen läßt. Das ist All­ge­mein­gut gewor­den, auch unter denen, die sich die­ser Zusam­men­hän­ge nicht bewußt sind. Wenn in einem belie­bi­gen Pro­vinz­nest XY wie­der ein­mal eine NPD-Demo ange­kün­digt ist, dann wis­sen sich die ver­schreck­ten Bür­ger in der Regel nicht anders zu hel­fen, als den Gru­sel­ge­stal­ten mit Trans­pa­ren­ten ent­ge­gen­zu­tre­ten, auf denen »XY ist bunt statt braun« geschrie­ben steht. Oder eben »Viel­falt statt Ein­falt«, was ein­fäl­ti­ger­wei­se sug­ge­riert, daß nur die Retar­dier­ten, Dum­men und Nazi­dump­fen unter sich blei­ben wol­len, die Schlau­en, Fort­schritt­li­chen und Auf­ge­klär­ten aber für Mul­ti­kul­ti votieren.
In der Wirk­lich­keit jedoch gibt es eine abso­lu­te Homo­ge­ni­tät eben­so wenig wie eine abso­lu­te Hete­ro­ge­ni­tät. »Homo­gen« oder »hete­ro­gen« kann eine belie­bi­ge Grup­pie­rung nicht an sich sein, son­dern nur inner­halb einer bestimm­ten Kate­go­rie und rela­tiv zu ande­ren Kate­go­rien: Haut­far­be, Haar­far­be, Reli­gi­on, Geschlecht, Alter und so wei­ter. Kei­ne »Gesell­schaft«, mag sie in sich so »hete­ro­gen« sein, wie sie will, kann ohne einen Min­dest­grad von Homo­ge­ni­tät und ohne einen ver­bind­li­chen gemein­sa­men Bezugs­punkt bestehen. Die Unfä­hig­keit, eine not­wen­di­ge Ein­heit (»e plu­ri­bus unum«) her­zu­stel­len, ja die­se Pro­ble­ma­tik über­haupt zu den­ken, ist ein Haupt­grund des Schei­terns der Ausländerintegration.
Das Bild, das ihre Apo­lo­ge­ten von der »Viel­falt« pro­pa­gie­ren, reicht banal­er­wei­se kaum über eine Art Smar­ties­rol­len-Ästhe­tik hin­aus, in der eine mög­lichst »bun­te« Ansamm­lung ver­schie­de­ner Haut­far­ben auf einem Fleck schon als aus­rei­chend gilt, um »Plu­ra­lis­mus« zu signa­li­sie­ren. Ein »Smar­ty« ist eine Scho­ko­la­den­lin­se, die sich von den ande­ren sei­ner Sor­te nur durch die Far­be ihres Zucker­gus­ses unter­schei­det. Von wirk­li­chen Unter­schie­den zwi­schen Völ­kern, Geschlech­tern, ja blo­ßen Indi­vi­du­en, etwa gene­ti­scher, bio­lo­gi­scher, kul­tu­rel­ler, reli­giö­ser, poli­ti­scher, men­ta­ler Art, will man eigent­lich nichts wis­sen. Wo der Lin­ke »Viel­falt« sagt, meint er im Grun­de »Viel­heit«. Die Idee der Viel­falt als Wert hat in Wirk­lich­keit ihre legi­ti­me Hei­mat auf der Rech­ten, wäh­rend ihre Beschlag­nah­me durch den poli­ti­schen Geg­ner ihre Orwell’sche Ver­keh­rung ins Gegen­teil zur Fol­ge hat. »Dif­fe­renz im Sin­ne von ›Unter­schied‹ ist einer der kon­ser­va­ti­ven Gegen­be­grif­fe zu ›Gleich­heit‹, der grund­sätz­li­che Vor­zug, den man der Viel­falt gegen­über der Ein­falt gibt.«
Hier lie­ßen sich unzäh­li­ge Bele­ge anfüh­ren, von Jus­tus Möser, der den Reich­tum der Natur in ihrer wesens­mä­ßi­gen »Man­nig­fal­tig­keit« erkann­te, über Leo­pold von Ran­kes »Wollt ihr die Unter­schie­de ver­nich­ten, hütet euch, daß ihr nicht das Leben tötet«, bis zu »neu­rech­ten« Stan­dards wie Armin Moh­ler, Erik von Kueh­nelt-Led­dihn, Hen­ning Eich­berg oder Alain de Benoist und dem inzwi­schen musea­len, aus der Defen­si­ve gebo­re­nen Schlag­wort des »Eth­no­plu­ra­lis­mus«. Der ent­schei­den­de Unter­schied zur lin­ken Kon­zep­ti­on der »Viel­falt« ist, daß der Kon­ser­va­ti­ve sich die­se nicht als kun­ter­bun­tes Kud­del­mud­del den­ken kann, in dem letzt­lich alle Tup­fer gleich, gleich­wer­tig und damit gleich­gül­tig sind. Sie muß sinn­voll geglie­dert, gestal­tet und aus­ge­rich­tet sein, Platz für Span­nungs­ver­hält­nis­se las­sen, vor allem aber ihren spe­zi­fi­schen Ort haben.

Der Kon­ser­va­ti­ve weiß um die his­to­ri­schen, bio­lo­gi­schen und räum­li­chen Fak­to­ren, die das Ent­ste­hen und den Erhalt von »Man­nig­fal­tig­keit« über­haupt erst bedin­gen. Und er weiß auch, daß es kei­nes­wegs des Inputs frem­der Eth­ni­en oder Reli­gio­nen bedarf, um eine Nati­on oder ein Volk »viel­fäl­tig« zu machen. Die Behaup­tung, eth­ni­sche Homo­ge­ni­tät und »Viel­falt« wür­den ein­an­der aus­schlie­ßen, ist blan­ker Unsinn, es sei denn man redu­ziert den Begriff unzu­läs­sig aufs Eth­nisch-Ras­si­sche, wie es gera­de die Anti­ras­sis­ten stän­dig tun. In einer ein­zi­gen grö­ße­ren Fami­lie kann eine erheb­li­che »Viel­falt« an Cha­rak­te­ren, phy­si­schen Kon­sti­tu­tio­nen, sozia­len Kon­stel­la­tio­nen und Her­kunfts­un­ter­schie­den auf­ein­an­der­pral­len. Nicht anders ist es mit einer gan­zen Nati­on, die unter ihrem Dach eine gro­ße Zahl kom­ple­xer Struk­tu­ren ver­sam­meln kann. Dies haben nun aus­ge­rech­net die Deut­schen ver­ges­sen, deren kom­pli­zier­te Nati­on, »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt«, immer schon aus­rei­chend »mul­ti­kul­tu­rell« war und einen unge­heu­ren und nicht immer unpro­ble­ma­ti­schen Reich­tum an phy­sio­gno­mi­schen Typen, Tem­pe­ra­men­ten, Mund­ar­ten, Men­ta­li­tä­ten, Land­schaf­ten und his­to­ri­schen Kon­ti­nui­tä­ten umfaßte.
Armin Moh­ler schil­der­te in sei­nem Buch Der Nasen­ring, wie über­rascht er wäh­rend sei­nes Auf­ent­halts in Deutsch­land im Jah­re 1942 über des­sen »eigen­ar­ti­ge und wohl auch ein­zig­ar­ti­ge Viel­falt« war: »Das Volk, das sich in den Augen des Aus­lan­des, von Freund und Feind, als Pha­lanx von Gleich­ge­rich­te­ten mit ein­heit­li­chem Wil­len aus­nahm, erwies sich bei nähe­rem Zuse­hen als ein ver­wir­ren­des Geflecht von Eigen­hei­ten, Beson­der­hei­ten und Ver­schie­den­hei­ten.« Die­se Beob­ach­tung ver­band er mit einer sei­ner typi­schen Pro­vo­ka­tio­nen: »Und doch hielt es zusam­men und war imstan­de, einen Krieg – und was für einen! – zu füh­ren!«, und dies in einem ein­zi­gen Jahr­hun­dert gar zwei­mal. Er kommt zu einem Schluß, der iro­ni­scher­wei­se an den »diver­si­ty is strength«-Slogan der ame­ri­ka­ni­schen Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten erin­nert: »Viel­leicht war es gera­de die laby­rin­thi­sche Viel­falt Deutsch­lands, die den Deut­schen eine sol­che Leis­tung ermög­lich­te; durch ein so gewach­se­nes Gehäu­se fegt ein Sturm nie ganz durch; die Abschot­tun­gen schaf­fen Frei­räu­me (›Nischen‹ im Sin­ne Geh­lens), aus denen immer neue Kraft gewon­nen wer­den kann.«
Die Lin­ken und Links­li­be­ra­len kön­nen die »Viel­falt« dage­gen nur ort­los und sche­ma­tisch den­ken. Sie ist für sie nur inso­fern inter­es­sant, als sie als »Fer­ment der Zer­set­zung« gegen die »Mehr­heits­ge­sell­schaft« ein­setz­bar ist. Das führt dazu, daß am Ende doch wie­der der typisch lin­ke Haß auf jedes Anders­wo und Anders­wie zum Vor­schein kommt. Alles muß »bunt« gemischt sein, und wehe jedem wie das Gal­lier­dorf des Aste­rix ver­tei­dig­ten Fle­cken, der es noch wagt, sich den Zwangs­seg­nun­gen der »Diver­si­ty« zu ver­wei­gern. Die »Diver­sen«, die die »Bunt­heit« brin­gen sol­len, die uns nie gefehlt hat, wer­den dabei stets aus den­sel­ben außer­eu­ro­päi­schen Reser­voirs geschöpft, die über­bers­ten von »eth­nisch homo­ge­nen« Men­schen­mas­sen. In Euro­pa ange­kom­men, ver­har­ren sie in der Segre­ga­ti­on, bil­den raum­grei­fen­de Kon­tin­gen­te, die die Städ­te afri­ka­ni­sie­ren, ori­en­ta­li­sie­ren, asia­ti­sie­ren und ein­an­der anglei­chen. Damit wird uns auch die Freu­de am Exo­ti­schen und Frem­den zer­stört, wenn die­ses unse­ren All­tag besetzt und vor unse­rer Haus­tür regiert. Mus­li­misch besetz­te Zonen wach­sen ste­tig, und sie brin­gen über­all, von Lon­don, Paris und Mal­mö bis Rot­ter­dam, Ber­lin und Köln die glei­chen Stra­ßen­bil­der, die glei­chen Kon­flik­te, die glei­che Sor­te Kul­tur­kämp­fer, Mör­der, Ver­ge­wal­ti­ger und Ter­ro­ris­ten her­vor. Das Sze­na­rio eines Euro­pas, das in naher Zukunft »aus schwar­zen oder maghre­bi­ni­schen Afri­ka­nern und Asia­ten aus allen uner­schöpf­li­chen Win­keln der Drit­ten Welt bestehen wird, unter der Vor­herr­schaft des Islams in sei­ner fun­da­men­ta­lis­ti­schen und dschi­ha­dis­ti­schen Aus­prä­gung« (Jean Ras­pail) ist beklem­mend nahe gerückt. Am Ende wer­den die Vor­an­trei­ber der »Diver­si­ty« die wun­der­ba­re und ech­te Viel­falt der euro­päi­schen Völ­ker mut­wil­lig und ver­bre­che­risch ver­nich­tet haben. Wenn eines Tages die Muez­zin-Rufe von Oslo bis Mar­seil­le ertö­nen und das wei­ße Euro­pa ver­schwun­den sein wird, wird es nie­man­den mehr geben, der sich über man­geln­de Viel­falt bekla­gen und »bun­te« Gesell­schaf­ten her­bei­seh­nen wird. Im Neu­en Tes­ta­ment heißt es: »Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird ver­wüs­tet, und jede Stadt oder jedes Haus, das mit sich selbst uneins ist, kann nicht bestehen.« (Mt 12, 25).
Die chao­ti­sche Viel­heit ist indes­sen nicht nur eine Wur­zel der Zwie­tracht und des Krie­ges, son­dern ent­stammt auch dem dämo­ni­schen Bereich. »Legi­on hei­ße ich; denn wir sind vie­le«, ant­wor­tet der in den Beses­se­nen gefah­re­ne Teu­fel auf Chris­ti Fra­ge nach sei­nem Namen. Unter »Viel­falt e.V.« fin­det man fol­ge­rich­tig auch einen Ver­ein, der sich der The­ra­pie von »Trau­ma und Dis­so­zia­ti­on«, also schwe­ren psy­cho­ti­schen Iden­ti­täts­stö­run­gen, ver­schrie­ben hat. Die Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten mögen zum Teil nach dem alten Kal­kül des »Tei­le und herr­sche« agie­ren; sie sind zum guten Teil aber auch gewiß von einem patho­lo­gi­schen Wahn befal­len, in dem Selbst­haß und Heils­er­war­tung inein­an­der grei­fen. Die Teu­fel stür­zen sich mit Vor­lie­be auf mor­sche Kör­per und See­len, an denen sie dann ihr wüten­des Abbruchs­werk voll­zie­hen. Hat es da noch Sinn, sie zu exorzieren?

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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