Guttenberg, “Gorch Fock” und die Frau als Soldat

pdf der Druckfassung aus Sezession 41 / April 2011

Immer deutlicher zeichnet sich ab, daß Karl-Theodor zu Guttenberg mit seinem Rücktritt einem Skandal zuvorkam, der die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit in den Schatten gestellt hätte. Der Untersuchungsbericht über die Vorfälle auf dem Segelschulschiff der Bundeswehr, der »Gorch Fock«, liegt mittlerweile vor. Er kommt zu dem Ergebnis, daß dem suspendierten Kommandanten keine Dienstvergehen anzulasten seien. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf Guttenbergs Amtsführung und hätte spätestens jetzt zu dessen Rücktritt führen müssen – nicht zuletzt die näheren Umstände dieses Falls würden keine andere Konsequenz zulassen.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Nach­dem im Novem­ber 2010 eine Kadet­tin auf dem Segel­schul­schiff der Bun­des­ma­ri­ne »Gorch Fock« töd­lich ver­un­glück­te, war bei Gut­ten­berg zunächst eine Ent­schei­dungs­un­si­cher­heit zu beob­ach­ten. So warn­te er zuerst vor einer Vor­ver­ur­tei­lung des Kapi­täns, dem dienst­li­che Ver­säum­nis­se und eine Mit­schuld am Tod der Kadet­tin vor­ge­wor­fen wur­den, ent­hob er ihn aber wenig spä­ter sei­nes Kom­man­dos und stell­te sogar die Zukunft der »Gorch Fock« als Aus­bil­dungs­schiff in Fra­ge. Pikan­ter­wei­se fiel die­se Ent­schei­dung in Gegen­wart eines Repor­ters der Bild am Sonn­tag.
Die­ses Vor­ge­hen war sym­pto­ma­tisch für Gut­ten­berg, weil er sich bei sei­ner Amts­füh­rung grund­sätz­lich auf die Unter­stüt­zung der Bild-Zei­tung ver­las­sen konn­te und weil er nicht bereit war, Unter­ge­be­ne so lan­ge zu schüt­zen, bis stich­hal­ti­ge Bele­ge für ihr Fehl­ver­hal­ten vor­la­gen. Gut­ten­berg ließ es zu, daß Maß­stä­be einer Öffent­lich­keit, die kei­ner­lei Ver­ständ­nis für und Berüh­rungs­punk­te mit dem Mili­tär hat, indi­rekt sein Han­deln leiteten.
Anläß­lich des »Gorch Fock«-Skandals hät­te Gut­ten­berg grund­sätz­lich die Fra­ge nach der Ver­wen­dung von Frau­en im Mili­tär und die nach der Leis­tungs­be­reit­schaft des Offi­ziers­nach­wuch­ses stel­len müs­sen. Dabei wäre eine Ver­tei­di­gung der har­ten Aus­bil­dung ange­zeigt gewe­sen, weil sie dazu dient, mili­tä­ri­sche Füh­rer auf den Ernst­fall, in dem es um Leben und Tod geht, vorzubereiten.

Der Skan­dal lag ent­ge­gen der media­len Dar­stel­lung nicht in den »Zustän­den« an Bord, son­dern in der Wei­ge­rung von Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter zu Gut­ten­berg, das inne­re Gefü­ge des Mili­tärs gegen die Zivil­ge­sell­schaft zu schüt­zen. Daß es Extrem­si­tua­tio­nen gibt, daß der »Arbeits­platz« eines Sol­da­ten gefähr­li­cher als der eines Zivi­lis­ten ist, daß Befeh­le auch in sehr lau­tem Ton gege­ben wer­den müs­sen, daß das Leben in der mili­tä­ri­schen Gemein­schaft sich von dem in jeder ande­ren unter­schei­det, daß ein Segel­schul­schiff kei­ne Ein­zel­zim­mer hat – all das ist nach Maß­stä­ben der Öffent­lich­keit unmensch­lich und Ursa­che für den Tod der Kadet­tin. Und Gut­ten­berg scheint das ähn­lich gese­hen zu haben.

Wenn Gut­ten­berg sei­nem Pos­ten als Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter gerecht gewor­den wäre, hät­te er sich einem ganz ande­ren Pro­blem zuwen­den müs­sen: dem ideo­lo­gisch begrün­de­ten Ein­satz von Frau­en in den Streit­kräf­ten und den Kon­se­quen­zen dar­aus, zu denen nicht zuletzt der tra­gi­sche Tod der bei­den Kadet­tin­nen gehört. Frau­en in den Kampf zu schi­cken, bedeu­tet eine ver­meid­ba­re Stei­ge­rung der Wahr­schein­lich­keit von Ver­lus­ten in den eige­nen Rei­hen, ins­be­son­de­re aber bei den ein­ge­setz­ten Frau­en. Die kom­pen­sa­to­ri­schen Maß­nah­men zur Inte­gra­ti­on von Frau­en in Kampf und Kampf­un­ter­stüt­zungs­ein­hei­ten zie­len angeb­lich dar­auf ab, Vor­ur­tei­le und nutz­lo­se »Bar­rie­ren« abzu­bau­en. In der Pra­xis haben sie sich ledig­lich nega­tiv auf Stan­dards und Kampf­be­reit­schaft aus­ge­wirkt. West­li­che Streit­kräf­te ris­kie­ren dadurch den Ver­lust ihres Wett­be­werbs­vor­teils im Ver­gleich zu ande­ren Armeen. Die ein­zi­ge Alter­na­ti­ve zu die­ser Fehl­ent­wick­lung ist, daß per­sön­li­che Fähig­keit und Ver­dienst wie­der die aus­schließ­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­ons­kri­te­ri­en werden.
Dage­gen steht das schlech­te Gewis­sen einer Öffent­lich­keit, die den Frau­en in den letz­ten Jahr­zehn­ten Tätig­kei­ten wie das Sol­dat-Sein als Eman­zi­pa­ti­ons­pflicht qua­si auf­ge­zwun­gen hat. Unter Abse­hung von der Rea­li­tät wur­de den jun­gen Frau­en vor­ge­gau­kelt, ihr Geschlecht sei nur eine Kon­struk­ti­on, und es bedür­fe nur der Über­win­dung die­ses Vor­ur­teils, um es den Män­nern in allen Belan­gen gleich­zu­tun. Inso­fern sind die bei­den ver­un­glück­ten Kadet­tin­nen Opfer einer Ideo­lo­gie, die aus ver­meint­lich guter Absicht die Kon­se­quen­zen sol­cher »Gleich­be­rech­ti­gung« ver­schwie­gen hat.

Nicht nur die Gleich­heits­ideo­lo­gie bringt einen Sub­stanz­ver­lust mit sich, auch die Abschaf­fung der Wehr­pflicht, die ja eigent­lich die Bun­des­wehr pro­fes­sio­na­li­sie­ren soll, führt abseh­bar dazu, daß Frei­wil­li­ge ange­nom­men wer­den müs­sen, die den Anfor­de­run­gen nicht ent­spre­chen. Die Vor­schlä­ge, Schul­ab­bre­cher und in Deutsch­land leben­de Aus­län­der ein­zu­stel­len, spre­chen für sich. Nach zu Gut­ten­bergs Rück­tritt wur­de deut­lich, wel­che Bau­stel­le er sei­nem Nach­fol­ger hin­ter­las­sen hat. Dazu gehört, daß eine Berufs- und Frei­wil­li­gen­ar­mee sogar teu­rer wer­den könn­te – nicht nur in finan­zi­el­ler Hinsicht.
Die Erfah­run­gen in ande­ren euro­päi­schen Län­dern zei­gen nicht nur das Pro­blem, qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal zu rekru­tie­ren, was über die Wehr­pflicht leicht mög­lich war, son­dern auch einen Qua­li­täts­ver­lust der Streit­kräf­te, der auf der not­ge­drun­ge­nen Ein­stel­lung von Min­der­qua­li­fi­zier­ten beruht. Im Gegen­satz zu den Streit­kräf­ten vie­ler ande­rer Län­der war die Bun­des­wehr bis­lang kei­ne Unter­schicht­ar­mee, sie wird es aber unwei­ger­lich wer­den. Unter der neu­en Ent­wick­lung wer­den nicht nur die Umgangs­for­men mit den Unter­ge­be­nen zu lei­den haben, son­dern die Ein­satz­fä­hig­keit all­ge­mein. Die Auf­trags­tak­tik, auf die die Bun­des­wehr bis­lang so stolz war, wird sich nicht mehr umset­zen las­sen, weil es dazu des mit­den­ken­den Sol­da­ten bedarf.

Hin­zu kommt als gesell­schafts­po­li­ti­scher Neben­ef­fekt, daß das heh­re Ziel der Inte­gra­ti­on der Migran­ten durch ihre Ver­pflich­tung zum Wehr­dienst ein­fa­cher zu errei­chen gewe­sen wäre. In Frank­reich, das 2001 die Wehr­pflicht aus­setz­te, gibt es bereits Kla­gen über die man­geln­den »Sekun­där­tu­gen­den « bei jun­gen Män­nern, die nicht mehr durch die »Schu­le der Nati­on« gegan­gen sind. Inso­fern ist die von Gut­ten­berg for­cier­te Bun­des­wehr­re­form das typi­sche Pro­dukt einer Poli­tik, die ihre eige­nen Kon­se­quen­zen nicht zu Ende denkt, weil sie sich bereits dadurch gerecht­fer­tigt wähnt, für alle das Bes­te zu wollen.
Der Skan­dal um Gut­ten­bergs Dok­tor­ar­beit lenkt von den eigent­li­chen Ver­säum­nis­sen ab, die sein Amt betref­fen. Durch die Pla­gi­ats­af­fä­re ist der Ein­druck ent­stan­den, als sei ein über­aus erfolg­rei­cher und belieb­ter Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter ein wehr­lo­ses Opfer einer lin­ken Kam­pa­gne gewor­den und sein Rück­tritt nur ein tra­gi­sches Miß­ver­ständ­nis. Die­ser Ein­druck täuscht, da es in die­sem Fall nicht um Befind­lich­kei­ten oder Beliebt­heits­wer­te geht, son­dern um ein Res­sort, das wie kein zwei­tes nüch­tern und unideo­lo­gisch geführt wer­den muß, um Men­schen­le­ben zu schonen.

Gut­ten­bergs größ­tes Ver­dienst ist es daher, die ver­drucks­te Sprach­re­ge­lung über den Afgha­ni­stan-Ein­satz der Bun­des­wehr durch­bro­chen zu haben. Im April 2010 mein­te er, daß man »umgangs­sprach­lich von Krieg« spre­chen kön­ne und rück­te den Ein­satz damit in das rich­ti­ge Licht. Dar­aus erwuch­sen zwar kei­ne Kon­se­quen­zen, doch nicht zuletzt war die nicht beschö­ni­gen­de Bezeich­nung mit der Hoff­nung ver­bun­den, dass sie das Resul­tat einer nüch­ter­nen Ein­schät­zung der Lage in Afgha­ni­stan war. Nur so ist es über­haupt mög­lich, den dort ein­ge­setz­ten Trup­pen die wenigs­tens größt­mög­li­che Unter­stüt­zung und Aner­ken­nung zuteil­wer­den zu las­sen. Gut­ten­berg war zudem oft bei den Trup­pen in Afgha­ni­stan und konn­te sich damit die Sym­pa­thie der ein­fa­chen Sol­da­ten sichern.
Die­se Sym­pa­thie genießt Gut­ten­berg auch wei­ter­hin bei einer Mehr­heit der deut­schen Bevöl­ke­rung. Es ist ein ver­mut­lich ein­ma­li­ges Phä­no­men, daß bereits am Tag des Rück­tritts von Gut­ten­berg sei­ne Rück­kehr auf die poli­ti­sche Büh­ne beschwo­ren wur­de. Inso­fern könn­te sich die Fuß­no­ten-Affä­re noch als wah­rer Segen für Gut­ten­bergs zwei­te poli­ti­sche Kar­rie­re ent­pup­pen. Er wird als jemand im Gedächt­nis der Mas­se blei­ben, der wegen Neben­säch­lich­kei­ten aus dem Amt gemobbt und so um die Früch­te sei­ner Arbeit gebracht wurde.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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