Berndt Krauthoff: “Ich befehle! Kampf und Tragödie des Barons Ungern-Sternberg” – eine Rezension

Im Regin-Verlag erscheint seit rund zwei Jahren ein ambitioniertes Programm, das sich – grob gesagt – dem traditionalen...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Gedan­ken­kreis um Juli­us Evo­la, der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on im wei­tes­ten Sin­ne sowie Figu­ren und Leit­bil­dern einer Anti­mo­der­ne wid­met. Der Ver­le­ger bestückt also – salopp gesagt – die Nische in der Nische mit Büchern, und jeder, der sich ein biß­chen mit dem Ver­lags­ge­schäft aus­kennt, muß sich fra­gen, ob und wie man dort ein paar Mark ver­die­nen will:

Denn der Regin-Ver­lag hat weder »Ever-Brauns« im Pro­gramm, noch legt er schlam­pi­ges Zeug vor, dem man ansieht, daß wirk­lich jeder Pfen­nig gespart wur­de. Die Bücher sind viel­mehr gut gesetzt, gut lek­to­riert, inter­es­sant und ange­mes­sen gestal­tet. Ein Blick auf die stets aktu­ell gehal­te­ne Inter­net­sei­te www.regin-verlag.de lohnt sich.

In die­sem Jahr erschie­nen ist der Nach­druck des Romans Ich befeh­le! von Berndt Kraut­hoff aus dem Jahr 1938. Der Autor schil­dert dar­in Auf­stieg und Fall des Barons Ungern-Stern­berg, der als Befehls­ha­ber einer bunt zusam­men­ge­wür­fel­ten, auf sei­ne Per­son ein­ge­schwo­re­nen Armee den Kom­mu­nis­ten vier Jah­re lang schwer zusetz­te. Er nahm den Kampf auf Sei­ten der »Wei­ßen« unmit­tel­bar nach der bol­sche­wis­ti­schen Febru­ar­re­vo­lu­ti­on 1917 auf, hielt bis zur Nie­der­la­ge Admi­ral Kolt­schaks sei­ne sibi­ri­sche Stel­lung und setz­te danach auf eige­ne Faust, und ohne wei­ter­hin in gegen­re­vo­lu­tio­nä­re Stra­te­gien ein­ge­bun­den zu sein, einen bereits vor­be­rei­te­ten Plan um: Ungern-Stern­berg über­schritt im Okto­ber 1920 die Gren­ze der Äuße­ren Mon­go­lei, erober­te im Febru­ar die Haupt­stadt Urga (das heu­ti­ge Ulan Bator) und bis Mit­te April 1921 das gesam­te Gebiet. Aller­dings über­spann­te er bereits im Som­mer sei­ne Kräf­te und schei­ter­te bei dem Ver­such, von der Mon­go­lei aus Tei­le Sibi­ri­ens von den »Roten« zu säu­bern und sei­nen Ein­fluß­be­reich aus­zu­wei­ten. Am 15. Sep­tem­ber wur­de Ungern-Stern­berg, der auch die erober­ten Tei­le der Mon­go­lei wie­der ver­lo­ren hat­te, gefan­gen­ge­nom­men und erschossen.

Ich befeh­le! folgt ins­ge­samt dem, was an his­to­risch gesi­cher­tem Wis­sen über die kur­ze, aber inten­si­ve Füh­rer­schaft Ungern-Stern­bergs vor­han­den ist. Da die Dar­stel­lung – streng chro­no­lo­gisch und im Prä­senz ver­faßt – wie das unmit­tel­ba­re Tage­buch eines Feld­schrei­bers wirkt, ist es sogar als his­to­ri­sches Doku­ment wahr­ge­nom­men und ver­wen­det wor­den. Das Nach­wort des rus­si­schen His­to­ri­kers Ser­gej Lwo­witsch Kus­min zeigt aller­dings, wie in der Dar­stel­lung des Lebens Ungern-Stern­bergs stets bio­gra­phi­sche Exakt­heit und Mythen­bil­dung ein­an­der abwech­seln: Natür­lich gibt es Berich­te über den Mut oder die Füh­rungs­ge­walt des Barons, des­sen gera­de­zu unwi­der­steh­li­ches Cha­ris­ma eben­so belegt ist wie sei­ne asia­ti­sche Grau­sam­keit in der Bestra­fung sei­ner Unter­ge­be­nen, wenn Befeh­le nicht aus­ge­führt oder Eide gebro­chen wur­den; aber die Quel­len­la­ge ist alles in allem doch dürf­tig, und so ist der Zugriff Berndt Kraut­hoffs eben vor allem eine gut erzähl­te his­to­ri­sche Geschich­te, die dem Fak­ten­ske­lett sozu­sa­gen das Fleisch an die Kno­chen hängt. Manch­mal gerät die Dar­stel­lung sogar zur Legen­de über eine dämo­ni­sche Hei­li­gen­fi­gur: In ihm sah man einen Befrei­er, einen Ret­ter, sogar die Inkar­na­ti­on einer krie­ge­ri­schen Gott­heit der Mon­go­len. Kraut­hoff gelingt es, den Stoff nüch­tern anzu­fas­sen und damit ein gera­de­zu unwirk­li­ches Leben in der Wirk­lich­keit zu halten.

Mit der »dra­ma­ti­schen Bal­la­de« Kreuz­zug 1921 von Micha­el Haupt ist ein zwei­ter lite­ra­ri­scher Text im Buch ent­hal­ten. Die­ses Dra­ma ist viel wei­ter weg von der his­to­ri­schen Per­sön­lich­keit als der Roman, aber es ver­dich­tet wich­ti­ge Sta­tio­nen und Sze­nen und ist, wie das Nach­wort fest­hält, »ein Bei­spiel dafür, wie man das Ungern­sche Epos in Euro­pa ver­stand, kurz nach­dem es bekannt wur­de.« Die Wid­mung ist pathe­tisch, sie gilt »den weni­gen Aus­er­le­se­nen, die in der Welt zu füh­ren ver­ste­hen«. Ist Haupts Dra­ma je auf­ge­führt wor­den? Hier wünscht man sich mehr Aus­kunft über den Autor und über die Auf­nah­me sei­nes Stückes.

Aber viel­leicht ist das für das Ansin­nen des Regin-Ver­lags auch zu sehr ger­ma­nis­tisch gedacht. Hier geht es um die Ber­gung und Bewah­rung ver­schüt­te­ten Schrift­tums, und zwar aus gege­be­nem Anlaß. 2011 ist näm­lich ein Gedenk­jahr für alle Ungern-Stern­berg-Ver­eh­rer: Er ist vor 125 Jah­ren gebo­ren wor­den und wur­de vor 80 Jah­ren füsi­liert. Das ist auch der Grund, war­um neben der lite­ra­ri­schen Wür­di­gung des Barons bereits im ver­gan­ge­nen Jahr in der »Ande­ren Biblio­thek« (Eich­born) die Bio­gra­phie Der blu­ti­ge, wei­ße Baron aus der Feder James Pal­mers erschien (Sezes­si­on ver­wies im Febru­ar-Heft die­ses Jah­res dar­auf). Auch die­ses Buch hat kei­ne Furo­re gemacht. Wer kennt schon Ungern-Stern­berg, wer die lite­ra­ri­schen Zeug­nis­se über ihn? Nun sind sie also wie­der erhält­lich, sind in der Welt und gut in Form gebracht.

Berndt Kraut­hoff: Ich befeh­le! Kampf und Tra­gö­die des Barons Ungern-Stern­berg mit Anhang: Micha­el Haupt: Kreuz­zug 1921. Dra­ma­ti­sche Bal­la­de, Kiel: Regin-Ver­lag 2011.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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