Vorschlägen zur Prävention solcher Untaten hervorgetan. Da der norwegische Attentäter offenbar ein schwerer Internet-Junkie war und angeblich diverse islamkritische Blogs an seinem Ausrasten schuld sind, solle niemand mehr im Netz anonym und pseudonym agieren dürfen, Blogger sollten von nun an “mit offenem Visier” argumentieren. Dies begründete Friedrich so:
“Politisch motivierte Täter wie Breivik finden heute vor allem im Internet jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen, sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce”, sagte Friedrich dem “Spiegel”. “Warum müssen ‚Fjordman’ und andere anonyme Blogger ihre wahre Identität nicht offenbaren?”
Warum sie dies ungern wollen, ist jedenfalls schon mal kinderleicht zu beantworten: weil sie dann eben mit massivem öffentlichen Druck auf ihre Person rechnen müßten, der ihre Existenzgrundlagen bedrohen könnte. Ein pseudonymloses Internet wäre wie die vorhanglosen Fenster der holländischen Puritaner, damit Big Brother besser ins Schlafzimmer blicken kann, ein Mittel zur sozialen und politischen Kontrolle. Ein Innenminister sollte davon wenigstens ein bißchen Ahnung haben, aber vielleicht stellt sich Friedrich hier auch mit Kalkül dümmer, als er ist, und die bessere Kontrollierbarkeit der Abweichler wäre in Wirklichkeit Zweck der Sache.
Was aber nun die Abkehr von den Mainstreammedien (im Bloggerjargon sagt man inzwischen kurz “MSM”) betrifft, so ließ der norwegische Multikulturalismus-Ideologe Thomas Hylland Eriksen ähnliches wie Friedrich verlauten:
Breivik muß willentlich zugelassen haben, sich von islamophobischen und rechtsextremen Netzseiten gehirnwaschen zu lassen. Wäre er stattdessen gezwungen (sic! M. L.) gewesen, seine Informationen durch eine Tageszeitung zu erhalten, in der sich nicht alle Geschichten um Europas mangelndes Selbstbewußtsein und den Aufstieg des militanten Islam drehen, dann hätte seine Welt womöglich ein wenig anders ausgesehen. Vielleicht ist das eine Lehre aus diesem Wochenende von Schock und Fassungslosigkeit, daß nicht unbedingt der kulturelle Pluralismus eine Bedrohung des nationalen Zusammenhalts darstellt, sondern der Tunnelblick, der durch ein selektives Durchstöbern des Internets entsteht.
Das vekehrt natürlich Ursache und Wirkung: in der Regel ist es die Erkenntnis der Unzulänglichkeit der etablierten Medien, die “radikalisierte, undifferenzierte Thesen” en masse produzieren, und ihrer Rolle als flächendeckender Machtfaktor, die Zuflucht zu Alternativen suchen läßt.
Hiermit bekenne ich also, auch einer von diesen schlimmen Fingern zu sein, die sich täglich “von Blog zu Blog hangeln”, weil sie die Berichterstattung der “MSM” nicht befriedigt, die zu einem großem Teil als schier unbesiegbares Machtinstrument fataler Interessen dienen. Wenn es meine täglichen Blogs nicht gäbe, wären die umfassende Verdummung und Gehirnwäsche, das Dauergeschwätz und die massenhaft verbreiteten Lügen und Propagandablasen kaum zu ertragen.
Hat Friedrich denn wirklich keine Ahnung, daß sich diese dissidenten Seiten ihren Stoff ja nicht aus den Fingern saugen, sondern von den selben Quellen abhängig sind wie alle anderen, sich aber den Luxus alternativer Kommentierung und Kritik und zusätzlicher Informationsbeschaffung erlauben? Es gibt diese Ausschließlichkeit “Mainstream vs. Gegenöffentlichkeit” nicht, sondern beide stehen in einem stetigen Spannungsverhältnis zueinander.
Dies ist ja auch der Grund, warum ich in politischen Dingen grundsätzlich eine ideologische Polarisierung und Nischenbildung ablehne. Während des Interviews für die kürzlich gesendete Reportage über die “Neue Rechte” auf 3sat wurde ich gefragt, warum ich ein “neuer Rechter” sei. Meine Antwort lautete sinngemäß so: “Bin ich denn ein ’neuer Rechter’? Ich habe eine Abneigung gegen diese Etikettierungen, denn mir ist wichtig zu betonen, daß ich weder für eine extravagante Ideologie oder überhaupt eine durchformulierte Ideologie streite, noch irgendwelche Allheilmittel und Meisterpläne in der Schublade habe. Die Front verläuft heute nicht zwangsläufig zwischen ‘Linken’ und ‘Rechten’ und so weiter, sondern zwischen common sense (was mit ‘gesunder Menschenverstand’ nur unzulänglich übersetzt wird) und politischer Korrektheit. Mit anderen Worten, mehr als um alles andere geht es heute um eine Wirklichkeitsbeschreibung, die mehr befriedigt, als das, was man gemeinhin vorgesetzt bekommt.”
Diese Aussage war den Machern aber wohl schon zu substanziell, um in dem Huschpfuschbeitrag inkludiert zu werden. Das ganze Klingelwortgerede um das Bannwort “rechts” herum, wie es auch in dem 3sat-Beitrag praktiziert wurde, vernebelt die Tatsache, daß sich unsere Argumente und Wirklichkeitsbeschreibungen eben auch in einem nicht geringen Maße immer wieder in den “MSM” finden, und das sogar in solchen, die die “Rechte” eher zu bekämpfen suchen. Aktuelle Beispiele dafür sind die Berichte über Überfremdung in Neukölln im Tagesspiegel oder über Ausländergewalt gegen Polizisten im Spiegel. Der Unterschied besteht vor allem darin, daß diese Dinge erst dort, wo die Sezession vom Trampelpfad einsetzt, wirklich ehrlich und gründlich kommentiert und analysiert werden können.
Ein weiterer verbindender Bezugspunkt der Tieferbohrenden aller Lager scheint mir die Wahrnehmung zu sein, daß trotz aller gegenteiligen Parolen und Schlagworte so etwas wie eine “Demokratie” in Deutschland gar nicht mehr existiert, geschweige denn ein echter politischer Pluralismus. Wenn man dieser Tage durch Kreuzberg und andere Stadtteile von Berlin geht, und sich die Wahlplakate ansieht, dann fragt man sich, wo denn überhaupt noch die Unterschiede zwischen den Groß- wie Kleinparteien bestehen. Es geht nur mehr um Nuancen der Krawattenfärbung, aber außer Krawatten gibt es nichts im Angebot. Man hat heute die großzügige Wahl zwischen fünf linken bis linksliberalen Parteien, die allesamt mit austauschbaren Plätscherslogans Gleichheit, “Toleranz” und Eierkuchen (oder so) anpreisen. Das inkludiert natürlich auch das, was sich heute CDU nennt.
Eine ethnisch ziemlich homogene Ausländerlobbypartei wirbt mit dem Spruch “Mut zur Vielfalt” bzw. “Mut zum Miteinander”, den aber offenbar vor allem eher Ute statt Ayshe aufbringen soll, wie dieses sinnige Plakat subtil suggeriert. CDU-Kandidaten wollen mal wieder die “gerade richtige” Mitte sein, damit sich, Zitat, “was” ändert. Die Grünen geben sich bescheiden, indem sie den politikverdrossenen Skeptikern vermelden, sie seien “nicht ganz so Scheiße wie die anderen” (aber beinah so Scheiße offenbar doch). Die “neue” FDP hebt sich ein klein wenig durch auf smart tuende Kalauer mit wohltemperiertem Milchkaffeegeschmack ab. Auf der untersten Niveauebene, sogar noch unterhalb der Grünen, vegetieren die unsäglichen “Piraten”.
Wann i, verstehst, wås z´reden hätt, ich würde einen psychologischen Test einführen: wenn das Wahlverhalten eines Bürgers nachweislich von Plakaten beeinflußt wird, wird ihm das Wahlrecht entzogen.
Aber das wäre wohl, wie man in Wien sagt, “aa scho wuascht”. Wahlplakate funktionieren nach dem Prinzip von anderen Werbungen auch, deren künstlich hochgetriebene Begeisterungssprache und kindische Posen ja auch niemand wirklich ernst nimmt.
“Ob das noch Demokratie ist oder schon Demokratismus”, fragte Botho Strauß schon 1993. Heute liegt es offen zutage, daß dieser ganze Zirkus nur mehr ein “kybernetisches Modell” ist, eine reine Politiksimulation, ein Ablenkungsmanöver, eine Art “dol2day” als Live-Rollenspiel. Inzwischen werden jenseits dieser Simulationswand schwerstwiegende Entscheidungen über unser aller Zukunft getroffen, ohne daß irgendjemand auch nur einen Funken Mitsprache hätte.
Zuletzt: ich habe diese ganze Glosse in erster Linie als Vorwand geschrieben, um auf einen Youtube-Kanal zu verweisen, den Felix Menzel neulich im Blaue-Narzisse-Blog entdeckt hat. Die “Clown-Union” ist ein klug gemachtes Satireprojekt mit zum Teil saukomischen Cartoons im Stil von “South Park” (nicht nur von der Machart, sondern mit einer ähnlich “unsubtilen” Drastik). Die uns umgebende Groteske und Totalregression, die inzwischen Zonen jenseits aller Kommentierbarkeit erreicht hat, kann man kaum besser attackieren, als sie derart dem Gelächter preiszugeben. So also kann eine subversive Gegenöffentlichkeit aussehen: