Akademiebericht “Konservative Revolution”

Ein Gastbeitrag von Johannes Ludwig

Konservative Revolution zieht immer. Die 12. Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik, die sich der Konservativen Revolution widmete,...

war mit etwa 50 Teil­neh­mern beson­ders gut besucht. Dabei mach­ten die Ankün­di­gung und die Vor­trags­the­men von vor­ne­her­ein klar, daß es weder um geschicht­li­che Nach­er­zäh­lung noch um Hel­den­ver­eh­rung gehen soll­te. Statt­des­sen wur­de ver­sucht, das The­ma sys­te­ma­tisch anzugehen.

Einen his­to­ri­schen Über­blick über die Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on gab daher ledig­lich Dr. Karl­heinz Weiß­mann in sei­nem Ein­füh­rungs­vor­trag. Der kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­re Grund­im­puls – näm­lich Ver­hält­nis­se schaf­fen zu wol­len, deren Erhal­tung sich lohnt – habe sich bereits im Lau­fe des 19. Jahr­hun­derts in Deutsch­land ent­wi­ckelt. Den Prot­ago­nis­ten der KR der Zwi­schen­kriegs­zeit sei es dann vor allem dar­um gegan­gen, die „deut­sche Welt­al­ter­na­ti­ve“ zur Gel­tung zu brin­gen, die unter ande­rem auf die Begrif­fe des „Drit­ten Weges“, des „Drit­ten Rei­ches“ oder des „Gehei­men Deutsch­lands“ gebracht wor­den sei. Weiß­mann mach­te sehr deut­lich, daß die Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on als Denk­be­we­gung nicht als poli­ti­scher Anknüp­fungs­punkt für die Gegen­wart zu ver­ste­hen sei, son­dern als geschicht­li­ches Phä­no­men. Ent­spre­chend for­der­te Weiß­mann eine kon­se­quen­te His­to­ri­sie­rung der KR.

Über „Lebens­re­form und Poli­tik“ sprach Dr. Erik Leh­nert. Er wies dar­auf hin, daß die Lebens­re­form­be­we­gung ihren Ursprung im Kai­ser­reich hat­te, das es dem Ein­zel­nen ermög­licht habe, sich fern von poli­ti­schen Lager­zu­ord­nun­gen öffent­lich zu betä­ti­gen. Die Lebens­re­form sei daher eine hete­ro­ge­ne Bewe­gung gewe­sen und dür­fe kei­nes­wegs auf Frei­kör­per­kul­tur und Früh­hip­pie­tum redu­ziert wer­den. Den Ernst­haf­ten unter den Lebens­re­for­mern sei es viel­mehr dar­um gegan­gen, das Leben – ein Grund­be­griff kon­ser­va­ti­ven Den­kens – heil­sam zu reformieren.

Einen kon­kre­ten Ent­wurf für eine sol­che Reform des Lebens lie­fer­te der Alt­his­to­ri­ker Prof. Dr. Micha­el Stahl. Er stell­te in sei­nem Vor­trag nicht so sehr einen Aspekt kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­ren Den­kens vor, son­dern gab eher ein prak­ti­sches Bei­spiel dafür. Mit einer poli­ti­schen Denk­schrift plä­dier­te er für „Die ande­re Moder­ne“, die den Bruch mit der Vor­mo­der­ne über­win­den und sich geis­tig-kul­tu­rell an der Anti­ke ori­en­tie­ren sol­le. Auf die­se Wei­se könn­ten die Öko­no­mi­sie­rung des Den­kens, die Ideo­lo­gie des Fort­schritts und die Über­trei­bun­gen der Säku­la­ri­sie­rung kor­ri­giert werden.

Die­ser letz­te Hin­weis auf die Reli­gi­on als zen­tra­les The­ma der KR wur­de auf­ge­nom­men in Dr. Karl­heinz Weiß­manns Vor­trag über „Deutsch­tum und Chris­ten­tum“. Weiß­mann stell­te einen weit­ge­hend ver­ges­se­nen Aspekt deut­scher Geis­tes- und Theo­lo­gie­ge­schich­te der Moder­ne vor. Schon die deut­sche Auf­klä­rung sei im Gegen­satz etwa zur fran­zö­si­schen grund­sätz­lich reli­gi­ons­freund­lich gewe­sen; die „Deut­sche Bewe­gung“ – Klas­sik, Idea­lis­mus und Roman­tik – habe dann die natio­na­le ganz eng mit der reli­giö­sen Fra­ge ver­knüpft. Ernst Moritz Arndt habe bereits in Fort­füh­rung des refor­ma­to­ri­schen Impul­ses eine auf reli­giö­se Inner­lich­keit kon­zen­trier­te deut­sche Natio­nal­kir­che gefor­dert. Im Lau­fe des 19. Jahr­hun­derts habe sich par­al­lel zur his­to­ri­schen Bibel­kri­tik im Gefol­ge der libe­ra­len Theo­lo­gie ein Deutsch­chris­ten­tum ent­wi­ckelt, dem es um reli­giö­se eben­so wie um völ­ki­sche Erneue­rung gegan­gen sei. Durch den Ers­ten Welt­krieg sei die­ser Dis­kurs auf eine höhe­re Stu­fe geho­ben wor­den und habe sich mit dem spe­zi­fi­schen reli­giö­sen Auf­bruch durch die Luther­re­nais­sance und die Dia­lek­ti­sche Theo­lo­gie ver­bun­den. Sei­nen Höhe- und his­to­ri­schen Schluß­punkt habe der Ver­such einer Syn­the­se aus Deutsch­tum und Chris­ten­tum dann in dem evan­ge­li­schen Theo­lo­gen Ema­nu­el Hirsch gefun­den, der gefor­dert habe, die auf­klä­re­ri­sche mythen­zer­stö­ren­de Refle­xi­on ernst­zu­neh­men und radi­kal die Fra­ge nach den Kon­se­quen­zen zu stel­len. Die his­to­ri­schen Umstän­de nach 1945 führ­ten dann aber dazu, daß nach einem kur­zen Nach­be­ben das The­ma von der theo­lo­gi­schen Tages­ord­nung verschwand.

Am stärks­ten mit der real­his­to­ri­schen KR befaß­te sich Dr. Die­trolf Berg in sei­nem Vor­trag über den „Wehr­wolf“, einen anti­bür­ger­li­chen und anti­par­la­men­ta­ri­schen Wehr­ver­band in der Wei­ma­rer Repu­blik. Das sei an sich nichts spe­zi­fisch kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­res oder auch nur rech­tes gewe­sen, habe es doch in Gestalt des Reichs­ban­ners Schwarz-Rot-Gold auch eine ent­spre­chen­de SPD-Orga­ni­sa­ti­on gege­ben. Der Wehr­wolf sei aller­dings unter Füh­rung von Fritz Klop­pe zu einer Avant­gar­de unter den rechts­ra­di­ka­len Wehr­ver­bän­den gewe­sen, habe sogar die SA für zu gemä­ßigt gehal­ten, da die NSDAP sich durch die Betei­li­gung an Wah­len mit dem Par­la­men­ta­ris­mus ein­ge­las­sen habe. Trotz­dem unter­stell­te sich der Wehr­wolf nach 1933 der SA und ver­lor damit jeden wei­te­ren poli­ti­schen Einfluß.

Sehr viel grund­sätz­li­cher wur­de es dann wie­der in dem Vor­trag von Prof. Dr. Stef­fen Dietzsch über die geis­tes­ge­schicht­li­chen Grund­la­gen des Kon­ser­va­tis­mus. Für Dietzsch ori­en­tiert sich kon­ser­va­ti­ves Den­ken his­to­risch und sys­te­ma­tisch an drei Leit­ideen: der Reichs­idee, der Frei­heits­idee und der Idee der Anti­po­li­tik. Mit der Reichs­idee sei der Ver­such einer Syn­the­se aus Natio­na­lem und Über­na­tio­na­lem gemeint, ori­en­tiert am Alten Reich und gegen­wär­tig etwa rea­li­sier­bar in einer euro­päi­schen Gemein­schaft unter deut­scher Füh­rung. Die Frei­heits­idee band Dietzsch an ein durch Schel­ling geform­tes Ver­ständ­nis von Luthers Anthro­po­lo­gie, nach wel­chem der Mensch in Frei­heit und Gebun­den­heit zugleich exis­tie­re, vor allem aber durch Chris­tus zur Frei­heit ver­ur­teilt sei. Die Idee der Anti­po­li­tik schließ­lich woll­te Dietzsch als Abkehr vom Klein­klein des poli­ti­schen Tages­ge­schäfts ver­stan­den wis­sen, nicht aber als Abkehr vom (meta-)politischen Denken.

Über „Heid­eg­gers Revo­lu­ti­on“ sprach Prof. Dr. Harald Seu­bert. Heid­eg­ger sei eine phi­lo­so­phi­sche Jahr­tau­send­ge­stalt, und es sei bezeich­nend für die gegen­wär­ti­ge Lage des aka­de­misch-phi­lo­so­phi­schen Betrie­bes, daß Heid­eg­ger kon­se­quent gemie­den wer­de. Wenn man sich schon mit ihm befas­se, dann kom­me immer nur des­sen Ver­hält­nis zum Natio­nal­so­zia­lis­mus in den Blick. Dage­gen stell­te Seu­bert den Heid­eg­ger von 1918/19 vor und inter­pre­tier­te des­sen Phi­lo­so­phie als kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­res Den­ken in sei­ner radi­kals­ten Form.

Den Schluß­vor­trag hielt Götz Kubit­schek über die „Strahl­kraft der KR“. Der Vor­trag knüpf­te impli­zit an Weiß­manns For­de­rung vom Ein­füh­rungs­vor­trag an, die KR zu his­to­ri­sie­ren. Kubit­schek kon­tras­tier­te plas­tisch die Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on der Zwi­schen­kriegs­zeit, in der es um Alles oder Nichts gegan­gen sei und nicht radi­kal genug gedacht und geschrie­ben wer­den konn­te, mit der gegen­wär­ti­gen Neu­en Rech­ten, die nur über Mehr oder Weni­ger dis­ku­tie­ren und zwar grund­sätz­li­ches den­ken und schrei­ben kön­ne, dabei aber die harm­lo­ses­te Rech­te aller Zei­ten sei. Der Grund für die­se Dis­kre­panz sei die sich von der Wei­ma­rer Zeit radi­kal unter­schei­den­de his­to­risch-poli­ti­sche Lage der Gegen­wart. Wich­ti­ger als Ver­bal­ra­di­ka­lis­men, so stell­te Kubit­schek im Abschluß­ge­spräch her­aus, sei der Auf­bau ver­läß­li­cher orga­ni­sa­to­ri­scher Struk­tu­ren, um kon­ser­va­ti­ve poli­ti­sche Bil­dungs­ar­beit leis­ten zu können.

 

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