war noch in den siebziger Jahren nicht vorauszusehen. Seine Beschäftigung mit Schmitt war kritischer Natur, was diesem nicht verborgen blieb. Dennoch merkte er, daß Maschke ihn nicht in den eingefahrenen Gleisen kritisierte. Nach der ersten Begegnung Ende 1979 entstand daher eine freundschaftliche Beziehung, die bis zu Schmitts Tod hielt.
Maschke verantwortete seit Anfang 1980 eine eigene Edition als Verleger, die vom Deutschen Ärzte-Verlag finanziert wurde, und konnte Schmitt die Zustimmung zur Neuveröffentlichung einiger Werke, darunter den Leviathan, abringen. Während seine Geldgeber Land und Meer mit einem knappen Nachwort von Schmitt passieren ließen, wollten sie die Veröffentlichung des Leviathan mit der Begründung verhindern, es handle sich um ein antisemitisches Werk. Nach langen Verhandlungen gab es schließlich einen Kompromiß: Maschke sollte in einem Begleittext Schmitts Werk einordnen und so Missverständnissen vorbeugen. Das Buch erschien dann 1982 mit einem sechzigseitigen Nachwort von Maschke, mit dem Schmitt nicht so recht, der Geldgeber aber ganz und gar nicht zufrieden war: Die »Edition Maschke« wurde zum Jahresende 1982 eingestellt.
Maschke indes sah darin keinen Grund, Schmitt von nun an zu meiden. Im Gegenteil: Den einmal eingeschlagenen Weg der exakten Rekonstruktion der Entstehungssituationen der Werke Schmitts und deren Exegese behielt er bei. Resultate dieser jahrzehntelangen Arbeit sind vor allem die äußerst umfangreichen Bände mit Aufsätzen Schmitts: Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916–1969 (Berlin: Duncker & Humblot 1995) und Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924–1978 (Berlin: Duncker & Humblot 2005). Nun hat Maschke einen weiteren, lange erwarteten Text von Schmitt in seiner so überaus gründlichen und gelehrten Art und Weise ediert: Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches. Der Sieg des Bürgers über den Soldaten (Berlin: Duncker & Humblot 2011, XLVI, 117 S. 38 €). Es handelt sich um einen rätselhaften Text aus der NS-Zeit, der allerdings nicht, wie der Leviathan, am Ende seines Engagements stand, sondern den Anfang markiert.
Schmitt hat diese kurze Abhandlung einmal als den »letzten Versuch« bezeichnet, der »Reichswehr zur Hilfe« zu kommen. Sie erschien im April/Mai 1934 und damit kurz vor der entscheidenden Auseinandersetzung zwischen Röhms SA und Reichswehr. Daß sie Einfluß auf die Entwicklung genommen hat, ist unwahrscheinlich, auch wenn zahlreiche Rezensionen erschienen und entscheidende Kreise die Schrift aufmerksam studierten. Maschke hat die Besprechungen zusammengetragen und erläutert im Vorwort die Argumentation Schmitts. Dieser geht in seiner Schrift von einem fast schon manichäischen Gegensatz aus: dem »preußischen Soldatenstaat« auf der einen und dem »bürgerlichen Konstitutionalismus« auf der anderen Seite, deren Widerstreit für Deutschlands Zusammenbruch am Ende des Ersten Weltkriegs verantwortlich gewesen sei. Konkret ist Schmitt der Auffassung, daß im Zuge der Einigungskriege es Bismarck zwar gelungen sei, das Reich zu errichten, er dieses Ziel jedoch mit übermäßigen Zugeständnissen an die Liberalen erkauft habe. Schmitt macht das an dem (oft behandelten) Indemnitätsersuchen Bismarcks an das Preußische Abgeordnetenhaus fest, bei dem er sich die finanzielle Seite der Heeresreform nachträglich billigen ließ. Er sieht darin eine Unterwerfung des soldatischen Führerstaats unter den Rechtsbegriff der liberalen Opposition, was schließlich im Pluralismus mündete. Damit sei das zweite Reich in eine unheilvolle Schieflage gekommen, in der kein einheitlicher Wille mehr aufzubringen gewesen sei, der Landesverteidigung alles unterzuordnen. Schmitts Konsequenz daraus war seine Parteinahme für den Nationalsozialismus, von dem er sich das »revolutionäre Werk einer deutschen Staatsordnung« erhoffte. Mit dieser Hoffnung stand Schmitt, zumindest bis zum 30. Juni 1934, nicht allein. Daß aus der Erhebung dann gerade kein »preußischer Soldatenstaat « folgte, hat Schmitt erst mit einiger Verzögerung begriffen.
Schmitt war ohne Zweifel kein reiner Fachgelehrter, sondern ein universaler Geist, ein überaus gebildeter Jurist. Er verfaßte nicht nur als junger Mann eine glänzende Interpretation des Großgedichts Das Nordlicht von Theodor Däubler, sondern ließ in seinen Schriften immer wieder und gern seine umfassenden philosophischen Kenntnisse aufscheinen. Die fach- und lagerübergreifende Rezeption, die Schmitt bis heute erfährt, hat nicht zuletzt darin ihren Grund: Die Philosophie hat von Schmitt so manche Anregung erhalten. Stellvertretend sei an Hans Blumenbergs Legitimität der Neuzeit und Hermann Lübbes Arbeiten zum Dezisionismus erinnert. Deshalb ist die Frage nach der Stellung Schmitts »bezüglich der Tradition der praktischen Philosophie« sinnvoll.
So lautet der Untertitel eines Buches, das Carl Schmitt als politischen Philosophen herausstellen möchte (Hugo Eduardo Herrera: Carl Schmitt als politischer Philosoph, Berlin: Duncker & Humblot 2010, 143 S., 78 €). Nach der praktischen Philosophie wird gefragt, weil in ihren Bereich nicht nur die politische, sondern auch die Rechtsphilosophie fällt. Schmitt war nun allerdings der Überzeugung, daß die Philosophie eher ihren Platz in der Rechtswissenschaft haben sollte und nicht umgekehrt: »Für mich waren Sokrates, Platon und Aristoteles primär Rechtslehrer und nicht das, was man heutzutage Philosophen nennt«. Allerdings argumentiert Schmitt mit einem wesentlich erweiterten Begriff der Rechtswissenschaft, wenn er darunter die »Entwicklung konkreter Begriffe aus der Immanenz einer konkreten Rechtsund Gesellschaftsordnung« versteht.
Diesem Anspruch spürt Herrera in seiner Arbeit nach. Dabei geht er von einer Kontinuität im Werk Schmitts aus, die durch die NS-Zeit zwar unterbrochen, aber nicht beendet worden sei. Die Mißverständnisse, denen das Werk Schmitts bis heute ausgesetzt sei, führt Herrera auf dessen Methode (»phänomenologisch, konkret operierende Haltung«) zurück. Deshalb lautet seine These salomonisch, daß Schmitts Denken eine offensichtliche Nähe zur Tradition der praktischen Philosophie aufweise, obwohl wichtige Unterschiede bestünden. Das ist nun, gelinde gesagt, wenig verblüffend und hätte dennoch interessante Zusammenhänge ans Tageslicht bringen können. Herrera beschränkt sich allerdings auf eine Sichtung der Literatur zu Schmitt. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Verortung Schmitts im philosophischen Kontext seiner Zeit. Von einigen Hinweisen auf Heidegger abgesehen, wird nicht deutlich, ob Schmitt von der Philosophie Anregungen aufgenommen hat. Es paßt insofern ins Bild, daß Herrera Schmitts kleine Schrift über Die Tyrannei der Werte nicht erwähnt. Dabei findet sich gerade darin eine Auseinandersetzung Schmitts mit praktischer Philosophie.
Die Schrift war lange vergriffen und liegt jetzt erstmals als separate Veröffentlichung vor (Berlin: Duncker & Humblot 2011, 91 S., 18 €). Der Text geht auf einen Vortrag zurück, den Schmitt im Oktober 1959 zum Thema »Tugend und Wert in der Staatslehre« in Ebrach gehalten hat. Ausgangspunkt ist die Überlegung von Ernst Forsthoff, daß »das Legalitäts-System des bürgerlichen Rechtsstaates mit einem Wort und Begriff wie Tugend nichts mehr anzufangen weiß«. Deshalb sei man, so Schmitt, im zweiten Reich auf den Wert als Ersatz verfallen, der seit 1949 auch die Rechtsprechung dominiere. Schmitt kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Wertphilosophie des Neukantianismus und setzt sich mit deren Annahmen und Konsequenzen auseinander. Er zeigt, daß es unmöglich ist, den Wert zu definieren, daß Denken in Werten seinen Ursprung in der Ökonomie hat und zwangsläufig zu Entwertungen führt. Werte existieren nicht an sich, sondern werden gesetzt und müssen dann durchgesetzt werden, sonst sind sie wertlos. Schmitt schöpft auch hier die zahlreichen Überlegungen der Philosophie zu diesem Thema nicht aus, wie Christoph Schönberger in seinem Nachwort zeigt. Die kleine Schrift Schmitts bleibt aber ein bis heute aktueller Hinweis auf die Grenzen praktischer Philosophie, die insbesondere von Konservativen und ihrem Rückgriff auf »Werte« gerne vergessen werden.