“Fjordman verteidigen”

Dies ist der Titel eines langen Aufsatzes, den ich der von Manfred Kleine-Hartlage und mir besorgten Fjordman-Textsammlung "Europa verteidigen"...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

als Bonus bei­gege­ben habe. Die­se Ver­tei­di­gung ist aus vie­len Grün­den not­wen­dig, und deren nicht gerings­ter ist, daß “Fjord­man” Peder Jen­sen zur Zeit in den skan­di­na­vi­schen Medi­en zum Buh­mann gemacht wird, ohne daß er eine Chan­ce auf adäqua­te Gegen­wehr hätte.

Jen­sen ver­öf­fent­lich­te am 10. Okto­ber nach län­ge­rer Pau­se wie­der einen Arti­kel, der als Ant­wort auf einen Bei­trag in der nor­we­gi­schen Aften­pos­ten gedacht war, der pro­mi­nen­te Islam­kri­ti­ker wie Robert Spen­cer, Bat Ye’or (Gisè­le Litt­man) sowie ihn selbst mit “Nazis” gleich­setz­te. Jen­sen stand mit Aften­pos­ten in Ver­hand­lun­gen über einen Abdruck sei­ner Replik. Er berief sich dabei auf den ethi­schen Kodex des nor­we­gi­schen Pres­se­bun­des, wonach jeder­mann das Recht bekom­men sol­le, auf öffent­li­che Anschul­di­gun­gen zu antworten.

Aber wenn es dann tat­säch­lich ums Ein­ge­mach­te geht, sind auch in Skan­di­na­vi­en Fair­play und “Ethik” Fremd­wör­ter für die Macher der Main­stream­m­e­di­en. Nach lan­gem Hin- und Her ver­wei­ger­te die Zei­tung den Abdruck unter faden­schei­ni­gen Begrün­dun­gen. Wie­der war Jen­sen, wie schon zu Beginn sei­ner Kar­rie­re als “Fjord­man”, auf das Inter­net ange­wie­sen.  Sei­ne Replik kann man auf deutsch (in einer nicht sehr guten Über­set­zung), auf eng­lisch und nor­we­gisch nachlesen.

Fjord­man führt dar­in aus, daß im “Natio­nal­so­zia­lis­mus” der “Sozia­lis­mus” ste­cke, den er in allen For­men ableh­ne. Alle tota­li­tä­ren Bewe­gun­gen sei­en mehr oder weni­ger “sozia­lis­tisch” gewe­sen. Dar­über­hin­aus gäbe es weit­aus mehr struk­tu­rel­le Ähn­lich­kei­ten zwi­schen dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und dem Islam, als zwi­schen dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und sei­nen Posi­tio­nen, wofür er meh­re­re Bei­spie­le anführt.

Wie tief in den nor­we­gi­schen Medi­en in die unters­te Schub­la­de der Dif­fa­mie­rung gegrif­fen wur­de, zeigt etwa ein Fern­seh­sketch, in dem Fjord­man als ver­klemm­ter, frau­en­feind­li­cher Krüp­pel in Nazi­uni­form dar­ge­stellt wird. Dazu Jensen:

Tho­mas Selt­zer, ein Talk­mas­ter auf NRK3, hat eine Kari­ka­tur von mir gebracht, die mich als mehr­fach behin­der­ten Schrift­stel­ler in einem Roll­stuhl sit­zend prä­sen­tiert. Ich neh­me an, daß dies das nor­we­gi­sche Äqui­va­lent von Ste­phen Haw­king dar­stel­len soll, was ich als Kom­pli­ment betrach­te. Ande­rer­seits könn­te man sich auch vor­stel­len, daß es unter­stellt, daß Men­schen, die auf den Roll­stuhl ange­wie­sen sind, sab­bern­de Idio­ten sind, was nicht gera­de geschmack­voll wäre.

Der Unter­schied zwi­schen Sati­re und Ein­schüch­te­rung (bet­ween a humo­rist and a bul­ly) ist der, daß sich ein wah­rer Sati­ri­ker über die Mäch­ti­gen lus­tig macht, nicht über die Schwa­chen. Selt­zer kann sich über Men­schen wie mich lus­tig machen, weil er weiß, dass wir ihn nicht angrei­fen wer­den, aber er wür­de sich nicht trau­en, einen sab­bern­den Yus­uf al-Qara­da­wi in einem Roll­stuhl zu zei­gen, der den Mus­li­men erklärt, daß Pädo­phi­lie OK ist.

Jen­sens Conclusio:

Man­che Men­schen mögen gel­tend machen, daß ich mir das gefal­len las­sen muß, weil ich die Gren­zen der Rede­frei­heit aus­ge­dehnt habe. Mög­li­cher­wei­se. Der Unter­schied liegt dar­in, daß die Bür­ger für mei­ne Arti­kel nichts bezah­len müs­sen. Durch die Rund­funk­ge­büh­ren [ähn­lich wie die GEZ in Deutsch­land] müs­sen sie für das bezah­len, was auf NRK [nor­we­gi­sches Staats­fern­se­hen] gesen­det wird, ob sie es wol­len oder nicht.

In einem Zeit­al­ter, in dem eine stark nach links ori­en­tier­te Pres­se wie ein flä­chen­de­cken­der Wand­tep­pich der mul­ti­kul­tu­rel­len Pro­pa­gan­da aus­sieht, muß man sich fra­gen, war­um dies so ist. Hun­dert­tau­sen­de Nor­we­ger haben es satt, daß jene, die tief besorgt sind um die Zukunft ihrer Kin­der wegen der Mas­sen­im­mi­gra­ti­on, die in der Mensch­heits­ge­schich­te ohne Bei­spiel ist, von ihrer eige­nen Pres­se schi­ka­niert und als Extre­mis­ten, Ras­sis­ten und Nazis gebrand­markt werden.

Im Zen­trum der Kam­pa­gnen gegen Fjord­man ste­hen natür­lich die Unta­ten sei­nes selbst­er­klär­ten Fans Anders Brei­vik.  Die­ser hat übri­gens nie behaup­tet, von Fjord­man kau­sal beein­flußt zu sein: in sei­nem “Mani­fest” berich­tet er, daß sei­ne Welt­sicht als auch sei­ne nach eige­nen Anga­ben seit 2002 geheg­ten Atten­tats­plä­ne bereits voll ent­wi­ckelt waren, ehe er auf die Essays sei­nes etwa gleich­alt­ri­gen Lands­manns stieß.

Der “Nor­we­gi­an Psycho” hat sich im End­ef­fekt zum Quis­ling all jener gemacht, die danach trach­ten, abwei­chen­de Ansich­ten zur soge­nann­ten Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung Euro­pas mit dem Stig­ma eines ethi­schen Defekts zu brand­mar­ken.  “Dank” Brei­vik sind Kri­tik am Islam, Mas­sen­ein­wan­de­rung, Libe­ra­lis­mus etc. ille­gi­tim besetz­tes Gelän­de, und mit mei­nem Auf­satz ver­su­che ich die­ses von sei­ner ver­bre­che­ri­schen Okku­pa­ti­on freizuräumen.

Dabei ver­tre­te ich die Ansicht, daß der in vie­ler­lei Hin­sicht außer­ge­wöhn­li­che Fall Brei­vik  (wie alle ande­ren Din­ge auch) am bes­ten von rechts her in den Griff zu bekom­men ist.  Ich ver­spre­che, daß es span­nend wird. Leser die­ses Blogs haben bereits einen Vor­ge­schmack erhal­ten. Für die Lin­ken und Links­li­be­ra­len steht fest, daß islam­kri­ti­sche Blogs und “Rechts­po­pu­lis­ten” schuld sei­en, wäh­rend Kon­ser­va­ti­ve und Rechts­li­be­ra­le ent­we­der Brei­viks Psy­cho­pa­tho­lo­gie beto­nen oder auf die ver­stopf­ten Mei­nungs­ven­ti­le einer von der PC domi­nier­ten Gesell­schaft ver­wei­sen: der Wut­bür­ger als Mas­sen­mör­der qua­si. All die­se Deu­tun­gen haben Teil­wahr­hei­ten für sich, kön­nen aber für sich genom­men nicht befrie­di­gen. Der Schlüs­sel liegt für mich dar­in, daß, wie bei allen Tätern sei­ner Art, Brei­viks Patho­lo­gie nicht allein sei­ne Pri­vat­sa­che ist.

Noch ein paar Wor­te zu Fjord­man selbst. Sei­ne Tex­te haben die Kraft, star­ke Reak­tio­nen wie  Zorn, Ver­blüf­fung und Ver­zweif­lung her­vor­zu­ru­fen.  Dies geschieht jedoch nicht durch einen Appell an die Gefüh­le oder eine auf­peit­schen­de Spra­che – im Gegen­teil. Kühl reiht er Fakt an Fakt, Nach­richt an Nach­richt, Link an Link, Zitat an Zitat, Refe­renz an Refe­renz und bün­delt das Zusam­men­ge­tra­ge­ne zu einem kla­ren, meis­tens über­zeu­gen­den Gesamt­bild, in dem plötz­lich Lini­en deut­lich wer­den, die man in sol­cher Schär­fe bis­her nicht gese­hen hat.

Zugleich offen­bart er eine Sen­si­bi­li­tät und ideo­lo­gi­sche Fein­hö­rig­keit, wie sie den Rene­ga­ten aus dem links­li­be­ra­len Lager oft zu eigen ist, zu denen auch Klei­ne-Hart­la­ge und in gewis­ser Wei­se auch ich zäh­len, obwohl ich schon als Zehn­jäh­ri­ger via Tscher­no­byl zum kon­ser­va­ti­ven Apo­ka­lyp­ti­ker wur­de.  In einer Welt vol­ler Schlaf­wand­ler, die am Dach­sims ent­lang­tor­keln, ist Fjord­man einer der weni­gen, die wach geblie­ben sind, und er wird geh­aßt, weil er es wagt, am kol­lek­ti­ven Schlaf der Illu­sio­nen zu rüt­teln. El sue­ño de la razón pro­du­ce monstruos.

Wir dage­gen sagen den Beschwich­ti­gern und Schlaf­müt­zen: wer heu­te die Gefahr einer zukünf­ti­gen Isla­mi­sie­rung Euro­pas für ein xeno­pho­bes Hirn­ge­spinst hält,  ist schlicht und ergrei­fend nicht aus­rei­chend über die Lage infor­miert. Wer, wie unser Spe­zi a. D. und sozia­lis­ti­scher Selbst­kri­ti­ker Lorenz Jäger, die “poli­ti­cal cor­rect­ness” für einen blo­ßen Witz hält, mit dem man sich hin und wie­der ein paar lau­nig-geist­rei­che Feuil­le­ton-Bröt­chen schmie­ren kann, hat den Ernst der Lage nicht annä­hernd begrif­fen. Die PC ist ein “Clown mit einem Mes­ser” (Derek Tur­ner), eine ent­schei­den­de Waf­fe in einem all­um­fas­sen­den, neo-mar­xis­ti­schen Psycho-Dschi­had gegen die Iden­ti­tät des west­li­chen Men­schen.  Auch ihr liebs­tes Kind, der soge­nann­te “Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus” hat “nichts mit Tole­ranz und Viel­falt zu tun”, er ist nichts weni­ger als “eine anti-west­li­che Haßideo­lo­gie, die ent­wor­fen wur­de, um die west­li­che Zivi­li­sa­ti­on zu zer­stö­ren.” (Fjord­man) Das­sel­be gilt für den Femi­nis­mus, der weit­aus destruk­ti­ve­re Zie­le ver­folgt, als für “Frau­en­rech­te”  und “Gleich­be­rech­ti­gung” zu strei­ten, wie das land­läu­fi­ge Gerücht lautet.

Wie gesagt: wer das für zu dras­tisch aus­ge­drückt hält, ist ein­fach noch nicht aus­rei­chend infor­miert.  Gera­de an die­ser Stel­le kann die Lekü­re von Fjord­mans Essays einen augen­öff­nen­den Effekt haben – und sie über­zeu­gen durch Fak­ten und Argu­men­te, nicht durch Rhe­to­rik. Das bedeu­tet nicht, daß der Autor vor schar­fen und pro­vo­kan­ten Urtei­len, Schluß­fol­ge­run­gen und Zuspit­zun­gen zurück­schre­cken wür­de.  Vor allem in sei­nen spä­te­ren Tex­ten der Jah­re 2010 und 2011, in denen sich eine gewis­se Radi­ka­li­sie­rung abzeich­net, wird sich so man­cher Leser die Zehe an kras­sen For­mu­lie­run­gen anstos­sen. Auch wir Her­aus­ge­ber haben uns oft genug dar­an die Füs­se ver­staucht, und wir sehen man­che von Fjord­mans The­sen und Posi­tio­nie­run­gen kei­nes­wegs unkri­tisch. Wir sind aber der Ansicht, daß die­se Stim­me ange­sichts der mehr als gefähr­li­chen Lage Euro­pas gehört und bedacht wer­den muß, von allen Men­schen guten Wil­lens, die bereit sind, dem Abgrund ins Auge zu bli­cken und zu handeln.

Lek­tü­re:
Fjord­man: Euro­pa ver­tei­di­gen. Zehn Tex­te, hier ein­se­hen beim Ver­lag und beim Internet-Laden.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.