Aufhänger ist ein Zwischenfall vom 17. September, als der Türke Hakan Güngör den Schiedsrichter Gerald Bothe nach einer Roten Karte bewußtlos schlug.
Der Berliner Fußball-Verband will nun mit der Aktion „Bedroht – Beschimpft – Geschlagen! Das Spiel fällt aus!“ auf die eskalierende Gewalt aufmerksam machen. Spiegel-Online schreibt, der Berliner Schiedsrichterausschuß drohe damit,
zu manchen Spielen gar keine Schiedsrichter mehr zu schicken – als letztes Mittel, sollte die Gewalt anhalten. „Es wäre verheerend, wenn wir Schiedsrichter uns aus Angst vor Gewalt nicht mehr trauen würden, unsere Wahrnehmungen […] in entsprechende Entscheidungen umzusetzen“, warnt Präsidiumsmitglied Bodo Brandt-Chollé. „Das wäre der Tod des Fußballs!“
Der Hintergrund sind mehrere abgebrochene Spiele in den letzten Wochen. In dieser Saison wurden bereits vier Schiedsrichter tätlich angegriffen und dies sei nur die „Spitze des Eisbergs“. Es sei alltäglich, daß die Unparteiischen beleidigt, bespuckt und bedroht werden.
Der Berliner Fußball-Verband (BFV) hält sich mit Ursachenforschung zurück, geht aber mit einer Aktion in die Offensive. An diesem Wochenende werden alle Spiele auf Berliner Bolzplätzen in der 10. Spielminute kurz unterbrochen, um mit Flyern und Gesprächen für mehr „Respekt und Toleranz“ zu werben. Zudem leiten Spitzenschiedsrichter einige unterklassige Partien.
So notwendig der Appell des BFV ist, so notwendig ist auch die klare Sicht auf die Ursachen dieser Gewalt. Spiegel-Online hat dazu einen Sportwissenschaftler gefragt:
„Fußball ist ein Brennglas unserer Gesellschaft“, sagt der Sportwissenschaftler Gunter Pilz. „Und Berlin ist ein besonderer Schmelztiegel mit geballter sozialer Problemlage.“ An der Leibniz Universität Hannover forscht Pilz seit Jahren zur Gewalt im Sport. Seine These: Der Fußballplatz dient als Austragungsort sozialer Konflikte. (…)
Pilz warnt aber davor, die Schuld an der Gewalt im hohen Migrantenanteil von Städten wie Berlin zu suchen. Statistiken hätten zwar gezeigt, dass Fußballer mit Migrationshintergrund überproportional oft handgreiflich werden. Jedoch gingen dem in den meisten Fällen massive Provokationen anderer Spieler voraus. Bei den Beleidigungen wiederum lägen deutsche Spieler überproportional weit vorne.
Es sei dahingestellt, ob deutsche Spieler tatsächlich ihr Mundwerk nicht zügeln können, oder ob die Beleidigungen von ausländischen Spielern nur aufgrund der Fremdsprache nicht komplett erfaßt werden können. Dem Spiegel-Artikel hätte auf jeden Fall ein Exkurs nach Dortmund gut getan.
- Am 16.10.2011 beleidigten Spieler eines marokkanischen Vereins den Schiedsrichter als „Hitler“. Wenig später bekam er eine Faust ins Gesicht.
- Das Wochenende davor kam es beim Spiel TuS Eichlinghofen II gegen Genclerbirligi Hörde zu einer Massenschlägerei, die von der türkischen Mannschaft ausging. Der Schiedsrichter wollte hier deeskalierend auf die Spieler einwirken und verteilte deshalb keine Roten Karten. Die Wahrheit wird wohl sein, daß der Schiedsrichter schlichtweg Angst hatte, ebenfalls verprügelt zu werden.
- Auf einem anderen Sportplatz kam es in etwa zeitgleich zu gegenseitigen rassistischen Beleidigungen zwischen einem Spieler aus Guinea, der seine Gegenspieler als „Nazis“ beschimpfte. Diese ließen sich das nicht gefallen, pöbelten zurück und wurden auch handgreiflich.
Bemerkenswert ist außerdem, daß genau an dem Tag, als Hakan Güngör zuschlug, in Kaiserlautern ein Schiedsrichter ebenfalls von türkischen Amateurfußballern übel beleidigt wurde. Das Kreisligaspiel Fatihspor Kaiserslautern gegen SV Enkenbach endete damit, daß türkische Fans auf den am Boden liegenden Schiedsrichter eintraten.