Spiegel-Online: „Der Ball ist rund, der Hass groß“

Gewalt gegen Schiedsrichter auf Berliner Fußballplätzen ist das Thema eines ausführlichen Berichts auf Spiegel-Online von heute morgen.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Auf­hän­ger ist ein Zwi­schen­fall vom 17. Sep­tem­ber, als der Tür­ke Hakan Gün­gör den Schieds­rich­ter Gerald Bothe nach einer Roten Kar­te bewußt­los schlug.

Der Ber­li­ner Fuß­ball-Ver­band will nun mit der Akti­on „Bedroht – Beschimpft – Geschla­gen! Das Spiel fällt aus!“ auf die eska­lie­ren­de Gewalt auf­merk­sam machen. Spie­gel-Online schreibt, der Ber­li­ner Schieds­rich­ter­aus­schuß dro­he damit,

zu man­chen Spie­len gar kei­ne Schieds­rich­ter mehr zu schi­cken – als letz­tes Mit­tel, soll­te die Gewalt anhal­ten. „Es wäre ver­hee­rend, wenn wir Schieds­rich­ter uns aus Angst vor Gewalt nicht mehr trau­en wür­den, unse­re Wahr­neh­mun­gen […] in ent­spre­chen­de Ent­schei­dun­gen umzu­set­zen“, warnt Prä­si­di­ums­mit­glied Bodo Brandt-Chol­lé. „Das wäre der Tod des Fußballs!“

Der Hin­ter­grund sind meh­re­re abge­bro­che­ne Spie­le in den letz­ten Wochen. In die­ser Sai­son wur­den bereits vier Schieds­rich­ter tät­lich ange­grif­fen und dies sei nur die „Spit­ze des Eis­bergs“. Es sei all­täg­lich, daß die Unpar­tei­ischen belei­digt, bespuckt und bedroht werden.

Der Ber­li­ner Fuß­ball-Ver­band (BFV) hält sich mit Ursa­chen­for­schung zurück, geht aber mit einer Akti­on in die Offen­si­ve. An die­sem Wochen­en­de wer­den alle Spie­le auf Ber­li­ner Bolz­plät­zen in der 10. Spiel­mi­nu­te kurz unter­bro­chen, um mit Fly­ern und Gesprä­chen für mehr „Respekt und Tole­ranz“ zu wer­ben. Zudem lei­ten Spit­zen­schieds­rich­ter eini­ge unter­klas­si­ge Partien.

So not­wen­dig der Appell des BFV ist, so not­wen­dig ist auch die kla­re Sicht auf die Ursa­chen die­ser Gewalt. Spie­gel-Online hat dazu einen Sport­wis­sen­schaft­ler gefragt:

„Fuß­ball ist ein Brenn­glas unse­rer Gesell­schaft“, sagt der Sport­wis­sen­schaft­ler Gun­ter Pilz. „Und Ber­lin ist ein beson­de­rer Schmelz­tie­gel mit geball­ter sozia­ler Pro­blem­la­ge.“ An der Leib­niz Uni­ver­si­tät Han­no­ver forscht Pilz seit Jah­ren zur Gewalt im Sport. Sei­ne The­se: Der Fuß­ball­platz dient als Aus­tra­gungs­ort sozia­ler Konflikte. (…)

Pilz warnt aber davor, die Schuld an der Gewalt im hohen Migran­ten­an­teil von Städ­ten wie Ber­lin zu suchen. Sta­tis­ti­ken hät­ten zwar gezeigt, dass Fuß­bal­ler mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund über­pro­por­tio­nal oft hand­greif­lich wer­den. Jedoch gin­gen dem in den meis­ten Fäl­len mas­si­ve Pro­vo­ka­tio­nen ande­rer Spie­ler vor­aus. Bei den Belei­di­gun­gen wie­der­um lägen deut­sche Spie­ler über­pro­por­tio­nal weit vorne.

Es sei dahin­ge­stellt, ob deut­sche Spie­ler tat­säch­lich ihr Mund­werk nicht zügeln kön­nen, oder ob die Belei­di­gun­gen von aus­län­di­schen Spie­lern nur auf­grund der Fremd­spra­che nicht kom­plett erfaßt wer­den kön­nen. Dem Spie­gel-Arti­kel hät­te auf jeden Fall ein Exkurs nach Dort­mund gut getan.

  • Am 16.10.2011 belei­dig­ten Spie­ler eines marok­ka­ni­schen Ver­eins den Schieds­rich­ter als „Hit­ler“. Wenig spä­ter bekam er eine Faust ins Gesicht.
  • Das Wochen­en­de davor kam es beim Spiel TuS Eich­ling­ho­fen II gegen Gen­cler­bir­li­gi Hör­de zu einer Mas­sen­schlä­ge­rei, die von der tür­ki­schen Mann­schaft aus­ging. Der Schieds­rich­ter woll­te hier dees­ka­lie­rend auf die Spie­ler ein­wir­ken und ver­teil­te des­halb kei­ne Roten Kar­ten. Die Wahr­heit wird wohl sein, daß der Schieds­rich­ter schlicht­weg Angst hat­te, eben­falls ver­prü­gelt zu werden.
  • Auf einem ande­ren Sport­platz kam es in etwa zeit­gleich zu gegen­sei­ti­gen ras­sis­ti­schen Belei­di­gun­gen zwi­schen einem Spie­ler aus Gui­nea, der sei­ne Gegen­spie­ler als „Nazis“ beschimpf­te. Die­se lie­ßen sich das nicht gefal­len, pöbel­ten zurück und wur­den auch handgreiflich.

Bemer­kens­wert ist außer­dem, daß genau an dem Tag, als Hakan Gün­gör zuschlug, in Kai­ser­lau­tern ein Schieds­rich­ter eben­falls von tür­ki­schen Ama­teur­fuß­bal­lern übel belei­digt wur­de. Das Kreis­li­ga­spiel Fatih­spor Kai­sers­lau­tern gegen SV Enken­bach ende­te damit, daß tür­ki­sche Fans auf den am Boden lie­gen­den Schieds­rich­ter eintraten.

 

 

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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