und ähnlich gelagerter Streitpunkte in unserer Gegend gar nichts ausgemacht. Seit bald einem Jahrzehnt kenne ich die meisten Diskussionen über Erziehung nur aus zweiter Hand. Wohin ein kleines Kind gehört – nämlich zur Mutter, oder meinethalben zur „festen Bezugsperson“ – ist mir klar.
Gehandhabt wird es hier, in Sachsen-Anhalt, allerdings genau anders, seit Jahrzehnten. Es ist mir fast so egal, wie es hier den berufstätigen Müttern wurscht ist, ob eine dennoch ihr Kind selbst betreut. All die Debatten über das Maß an Förderung, das Maß an Fremdbetreuung nehme ich aus gehöriger Distanz wahr. Die Positionen der Mutterkriegerinnen sind hundertfach verdeutlicht worden, es steht auch offen zutage, wohin der Hase laufen soll, zur umfassenden Ganztagsbekrippung nämlich.
Der ausführliche und kritische Artikel, den Martina Lenzen-Schulte am Mittwoch in der FAZ der deutschen „Krippenlandschaft“ widmete, bürstete dagegen recht ordentlich gegen den Strich.
Daß unsere Familienministerin ihren Säugling mit ins wickeltischbestückte Büro nimmt, als sei das Kind ein Maskottchen oder ihr Amt ein Kioskbetrieb, sagt erstens viel darüber aus, mit welch charmanter Lässigkeit hierzulande regiert wird, zweitens über ihre persönliche Wertschätzung der Kinderkrippen, deren Ausbau Frau Schröder fleißig vorantreibt.
Im Vordergrund dieser frühen Fremdbetreuungsoffensive, von Schröder-Vorgängerin Ursula von der Leyen vehement angeleiert, stehen das Wohl der Mütter und der Wirtschaft: erstere möchten a) gern baldmöglichst wieder Geld verdienen und b) wieder „unter die Leute“; Kindererziehung wird meist als dröger und anstrengender wahrgenommen als eine Erwerbstätigkeit; und letztere profitieren von der Arbeitskraft, die im Zuge der demographischen Krise rar geworden ist. Das Wohlergehen des Kindes steht hintenan und wird schöngeredet. („Die Kleine heult nur so massiv, wenn Sie noch dabeistehen, die fängt sich schon nach Minuten!“)
Dabei, so zeigt der Artikel recht drastisch, leiden die Kleinsten sehr nachhaltig bei früher, regelmäßiger und vielstündiger Trennung von der Mutter. Meßbar ist dies am Anstiegen des Cortisol-Pegels. Bei 80% der Kinder in der Tagesbetreuung steige das Streßhormon bis zum Abend steil und pathologisch stetig an. Spuren dieser Belstung sind noch Jahre später meßbar. „Noch die Cortisollevel von Teenagern sind umso höher, je länger sie außerhalb der Familie betreut wurden.“
In unserer örtlichen „Kita“ werden sechsmonatige Kinder mehr als sieben Stunden von einer Erzieherin zusammen mit insgesamt 10 unter 3jährigen versorgt.
Referiert werden im FAZ-Artikel Eckpunkte einer berühmten, „in Deutschland aber wenig beachteten“ Studie aus den USA, die rund 1300 Kleinstkinder in Betreuungseinrichtungen über Jahre untersucht hat: „Die Kinder (von denen 900 noch im Alter von 15 Jahren begutachtet wurden, E.K.) waren deutlich aggressiver, häufiger an Kämpfen beteilgt, fielen eher durch Gemeinheiten, Ungehorsam und Sachbeschädigung auf. Dieser Befund war unabhängig von der Qualität der Krippe, und er war bis ins Jugendalter zu erheben. Dann fielen die Langzeitbetreuten durch Alkohlkonsum , Diebstahl und Vandalismus auf.“ Ingesamt dominiere zwar dennoch der Einfluß der Familie, was aber gleichzeitig ein beliebtes Argument der Krippenbefürworter entkräftet: Daß gerade die armen Kinder aus schlecht gestellten und asozialen Verhältnissen von der Krippe profitierten.
Die Misere des bundesweiten Trends zur Krippe erscheint um so bedrückender, als wir im Artikel auch lesen, daß Kritik an der Krippenoffensive von „oben“ weggedrückt werde. Es heißt hier, daß dem Krippenskeptiker Rainer Böhm entsprechend kritische wie fundierte Äußerungen sogar aus seinem aktuellen wissenschaftlichen Aufsatz für die Fachzeitschrift „Kinderärztliche Praxis“ gestrichen wurden. Während der Satz „uns hat es doch auch nicht geschadet“ unter krippensozialisierten DDR-Bürgern gängig ist ( bei uns im Ort gibt es Familien, die offen bedauern, daß die Wochenkrippe mit durchgehender Kinderaufbewahrung von Montag früh bis Freitag abend anscheinend nicht mehr zur Debatte stehe), gibt es Scharen von Erwachsenen, die heute noch an den krankmachenden Umständen der Krippenverwahrung laborieren und das mühsam psychotherapeutisch aufarbeiten.
Ich selbst sehe das keinesfalls als Verfechterin einer reinen Lehre. Der Großteil unserer Kinder wurde auch mit etwa 14 Monaten „eingekrippt“, stundenweise, mit Abholzeit um halb zwölf. Klar war, wer da profitiert: die Mutter, die Eltern. Daß ein Kind sich ausgerechnet in staatlichen Institutionen „wertvolles soziales Rüstzeug“ erwerbe, dafür fehlt mir bisher jeder Beleg.
Daß die Krippenpolitik grunsätzlich unsoziale oder schwermütige Existenzen produziere, glaube ich nicht. Daß damit ein tendenziell trostloser „mainstream“ herangezogen wird, mit gleichförmigen kommerziellen Interessen (das immerhin traf auf die DDR-Krippen noch nicht zu!) und einem unschön rundgeschliffenen Persönlichkeitsprofil, das schon. Und: Mir ist kein Fall bekannt, wo ich „äußere Zwänge“ hätte gelten lassen können, die dazu führten, daß eine Mutter (oder eben: die „Bezugsperson“) wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes in die Erwerbstätigkeit „gedrängt“ würde.
“Für uns ist ein zweites Auto schlicht unabdingbar”, oder, so verzweifelt wie hochbeliebt: “Versuch doch mal, nach drei Jahren wieder reinzukommen in die Materie!” (Und zwar nicht als Ministerin, sondern als Fachverkäuferin oder Lehrerin.) Es ist alles eine Frage der Prioritäten, die man selbst setzt. Es gilt a), daß man nicht alles haben kann und b), daß es mit Ehrgeiz und Anstrengung eben doch geht, nacheinander. Kinder können verdammt unbequem sein.
RoiDanton
Ich denke, man sollte in diesem Falle durchaus die etwas abfällig bezeichnete "reine Lehre" vertreten. Warum? Weil es um das Wohl der eigenen Kinder geht. Wo sonst wenn nicht hier, sollte man so gut als möglich keinerlei Abstriche machen bzw. schädliche Kompromisse eingehen?
Über die ganzen Nachteile für Kleinkinder (auch für die mit 14 Monaten) wurde schon alles gesagt, gibt es tonnenweise gute wissenschaftliche Literatur. Auch über die Ideologie, die hinter diesem Verwahrungssystem steht, ist alles sattsam bekannt (da geben sich der Kapitalismus, der linienförmige Konsumenten und der Sozialismus, welcher eben den per se oder um eines Regime willens "gleichmachen" will, nichts; da ist weder eines besser noch schlechter).
Wieso also das Kind in so jungen Jahren bereits in eine Krippe geben? Warum selbst nur "stundenweise" das Kind negativen Einflüssen aussetzen? Wirklich nur aus egoistischen Motiven? Ich sage das mal ganz im Bewusstsein der gerne belächelten reinen Lehre: Das ist doch Käse. Bis zum vierten Lebensjahr sollte das Kind zuhause sein, bei der Mutter. Das sollte diese eben genau so priorisieren. Der Dienst am Kind hat eben Vorrang. Das ist die Hauptaufgabe der Mutter, und nichts anderes. Gerne von vielen Frauen angeführtes "Selbstverwirklichungsgedöhns" ist doch nur ein Zeichen des übersteigerten Individualismus und somit der Dekadenz der Moderne. Man hört natürlich nicht auf eine Person zu sein, nur weil man Mutter ist. Dennoch muss ich meine Kleinkinder nicht schon abschieben. Das ist eben mit eine der zeitintensivsten Phasen, bis die Kleinen in die Schule gehen. Diesen Dienst wird man verlangen können. Ohne wenn und aber.