Kristina Schröder wickelt im Amt

Wenn Frauen streiten, geht es in den seltensten Fällen rational zu. Darum hat mir das völlige Fehlen der sogenannten Rabenmutter-Debatte...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

und ähn­lich gela­ger­ter Streit­punk­te in unse­rer Gegend gar nichts aus­ge­macht. Seit bald einem Jahr­zehnt ken­ne ich die meis­ten Dis­kus­sio­nen über Erzie­hung nur aus zwei­ter Hand. Wohin ein klei­nes Kind gehört – näm­lich zur Mut­ter, oder mei­net­hal­ben zur „fes­ten Bezugs­per­son“ – ist mir klar.

Gehand­habt wird es hier, in Sach­sen-Anhalt, aller­dings genau anders, seit Jahr­zehn­ten. Es ist mir fast so egal, wie es hier den berufs­tä­ti­gen Müt­tern wurscht ist, ob eine den­noch ihr Kind selbst betreut. All die Debat­ten über das Maß an För­de­rung, das Maß an Fremd­be­treu­ung neh­me ich aus gehö­ri­ger Distanz wahr. Die Posi­tio­nen der Mut­ter­krie­ge­rin­nen sind hun­dert­fach ver­deut­licht wor­den, es steht auch offen zuta­ge, wohin der Hase lau­fen soll, zur umfas­sen­den Ganz­tags­bekrip­pung nämlich.

Der aus­führ­li­che und kri­ti­sche Arti­kel, den Mar­ti­na Len­zen-Schul­te am Mitt­woch in der FAZ der deut­schen „Krip­pen­land­schaft“ wid­me­te, bürs­te­te dage­gen recht ordent­lich gegen den Strich.

Daß unse­re Fami­li­en­mi­nis­te­rin ihren Säug­ling mit ins wickel­tisch­be­stück­te Büro nimmt, als sei das Kind ein Mas­kott­chen oder ihr Amt ein Kiosk­be­trieb, sagt ers­tens viel dar­über aus, mit welch char­man­ter Läs­sig­keit hier­zu­lan­de regiert wird, zwei­tens über ihre per­sön­li­che Wert­schät­zung der Kin­der­krip­pen, deren Aus­bau Frau Schrö­der flei­ßig vorantreibt.

Im Vor­der­grund die­ser frü­hen Fremd­be­treu­ungs­of­fen­si­ve, von Schrö­der-Vor­gän­ge­rin Ursu­la von der Ley­en vehe­ment ange­lei­ert, ste­hen das Wohl der Müt­ter und der Wirt­schaft: ers­te­re möch­ten a) gern bald­mög­lichst wie­der Geld ver­die­nen und b) wie­der „unter die Leu­te“; Kin­der­er­zie­hung wird meist als drö­ger und anstren­gen­der wahr­ge­nom­men als eine Erwerbs­tä­tig­keit; und letz­te­re pro­fi­tie­ren von der Arbeits­kraft, die im Zuge der demo­gra­phi­schen Kri­se rar gewor­den ist. Das Wohl­erge­hen des Kin­des steht hin­ten­an und wird schön­ge­re­det. („Die Klei­ne heult nur so mas­siv, wenn Sie noch dabei­ste­hen, die fängt sich schon nach Minuten!“)

Dabei, so zeigt der Arti­kel recht dras­tisch, lei­den die Kleins­ten sehr nach­hal­tig bei frü­her, regel­mä­ßi­ger und viel­stün­di­ger Tren­nung von der Mut­ter. Meß­bar ist dies am Anstie­gen des Cor­ti­sol-Pegels. Bei 80% der Kin­der in der Tages­be­treu­ung stei­ge das Streß­hor­mon bis zum Abend steil und patho­lo­gisch ste­tig an. Spu­ren die­ser Bel­s­tung sind noch Jah­re spä­ter meß­bar. „Noch die Cor­tisol­le­vel von Teen­agern sind umso höher, je län­ger sie außer­halb der Fami­lie betreut wurden.“

In unse­rer ört­li­chen „Kita“ wer­den sechs­mo­na­ti­ge Kin­der mehr als sie­ben Stun­den von einer Erzie­he­rin zusam­men mit ins­ge­samt 10 unter 3jährigen versorgt.

Refe­riert wer­den im FAZ-Arti­kel Eck­punk­te einer berühm­ten, „in Deutsch­land aber wenig beach­te­ten“ Stu­die aus den USA, die rund 1300 Kleinst­kin­der in Betreu­ungs­ein­rich­tun­gen über Jah­re unter­sucht hat: „Die Kin­der (von denen 900 noch im Alter von 15 Jah­ren begut­ach­tet wur­den, E.K.) waren deut­lich aggres­si­ver, häu­fi­ger an Kämp­fen beteilgt, fie­len eher durch Gemein­hei­ten, Unge­hor­sam und Sach­be­schä­di­gung auf. Die­ser Befund war unab­hän­gig von der Qua­li­tät der Krip­pe, und er war bis ins Jugend­al­ter zu erhe­ben. Dann fie­len die Lang­zeit­be­treu­ten durch Alkohl­kon­sum , Dieb­stahl und Van­da­lis­mus auf.“ Inge­samt domi­nie­re zwar den­noch der Ein­fluß der Fami­lie, was aber gleich­zei­tig ein belieb­tes Argu­ment der Krip­pen­be­für­wor­ter ent­kräf­tet: Daß gera­de die armen Kin­der aus schlecht gestell­ten und aso­zia­len Ver­hält­nis­sen von der Krip­pe profitierten.

Die Mise­re des bun­des­wei­ten Trends zur Krip­pe erscheint um so bedrü­cken­der, als wir im Arti­kel auch lesen, daß Kri­tik an der Krip­pen­of­fen­si­ve von „oben“ weg­ge­drückt wer­de. Es heißt hier, daß dem Krip­pen­skep­ti­ker Rai­ner Böhm ent­spre­chend kri­ti­sche wie fun­dier­te Äuße­run­gen sogar aus sei­nem aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Auf­satz für die Fach­zeit­schrift „Kin­der­ärzt­li­che Pra­xis“ gestri­chen wur­den. Wäh­rend der Satz „uns hat es doch auch nicht gescha­det“ unter krip­pen­so­zia­li­sier­ten DDR-Bür­gern gän­gig ist ( bei uns im Ort gibt es Fami­li­en, die offen bedau­ern, daß die Wochenkrip­pe mit durch­ge­hen­der Kin­der­auf­be­wah­rung von Mon­tag früh bis Frei­tag abend anschei­nend nicht mehr zur Debat­te ste­he), gibt es Scha­ren von Erwach­se­nen, die heu­te noch an den krank­ma­chen­den Umstän­den der Krip­pen­ver­wah­rung labo­rie­ren und das müh­sam psy­cho­the­ra­peu­tisch aufarbeiten.

Ich selbst sehe das kei­nes­falls als Ver­fech­te­rin einer rei­nen Leh­re. Der Groß­teil unse­rer Kin­der wur­de auch mit etwa 14 Mona­ten „ein­gekrippt“, stun­den­wei­se, mit Abhol­zeit um halb zwölf. Klar war, wer da pro­fi­tiert: die Mut­ter, die Eltern. Daß ein Kind sich aus­ge­rech­net in staat­li­chen Insti­tu­tio­nen „wert­vol­les sozia­les Rüst­zeug“ erwer­be, dafür fehlt mir bis­her jeder Beleg.

Daß die Krip­pen­po­li­tik grun­sätz­lich unso­zia­le oder schwer­mü­ti­ge Exis­ten­zen pro­du­zie­re, glau­be ich nicht. Daß damit ein ten­den­zi­ell trost­lo­ser „main­stream“ her­an­ge­zo­gen wird, mit gleich­för­mi­gen kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen (das immer­hin traf auf die DDR-Krip­pen noch nicht zu!) und einem unschön rund­ge­schlif­fe­nen Per­sön­lich­keits­pro­fil, das schon. Und: Mir ist kein Fall bekannt, wo ich „äuße­re Zwän­ge“ hät­te gel­ten las­sen kön­nen, die dazu führ­ten, daß eine Mut­ter (oder eben: die „Bezugs­per­son“) weni­ge Mona­te nach der Geburt ihres Kin­des in die Erwerbs­tä­tig­keit „gedrängt“ würde.

“Für uns ist ein zwei­tes Auto schlicht unab­ding­bar”, oder, so ver­zwei­felt wie hoch­be­liebt: “Ver­such doch mal, nach drei Jah­ren wie­der rein­zu­kom­men in die Mate­rie!” (Und zwar nicht als Minis­te­rin, son­dern als Fach­ver­käu­fe­rin oder Leh­re­rin.)   Es ist alles eine Fra­ge der Prio­ri­tä­ten, die man selbst setzt. Es gilt a), daß man nicht alles haben kann und b), daß es mit Ehr­geiz und Anstren­gung eben doch geht, nach­ein­an­der.  Kin­der kön­nen ver­dammt unbe­quem sein.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (21)

RoiDanton

24. Oktober 2011 10:45

Ich denke, man sollte in diesem Falle durchaus die etwas abfällig bezeichnete "reine Lehre" vertreten. Warum? Weil es um das Wohl der eigenen Kinder geht. Wo sonst wenn nicht hier, sollte man so gut als möglich keinerlei Abstriche machen bzw. schädliche Kompromisse eingehen?

Über die ganzen Nachteile für Kleinkinder (auch für die mit 14 Monaten) wurde schon alles gesagt, gibt es tonnenweise gute wissenschaftliche Literatur. Auch über die Ideologie, die hinter diesem Verwahrungssystem steht, ist alles sattsam bekannt (da geben sich der Kapitalismus, der linienförmige Konsumenten und der Sozialismus, welcher eben den per se oder um eines Regime willens "gleichmachen" will, nichts; da ist weder eines besser noch schlechter).

Wieso also das Kind in so jungen Jahren bereits in eine Krippe geben? Warum selbst nur "stundenweise" das Kind negativen Einflüssen aussetzen? Wirklich nur aus egoistischen Motiven? Ich sage das mal ganz im Bewusstsein der gerne belächelten reinen Lehre: Das ist doch Käse. Bis zum vierten Lebensjahr sollte das Kind zuhause sein, bei der Mutter. Das sollte diese eben genau so priorisieren. Der Dienst am Kind hat eben Vorrang. Das ist die Hauptaufgabe der Mutter, und nichts anderes. Gerne von vielen Frauen angeführtes "Selbstverwirklichungsgedöhns" ist doch nur ein Zeichen des übersteigerten Individualismus und somit der Dekadenz der Moderne. Man hört natürlich nicht auf eine Person zu sein, nur weil man Mutter ist. Dennoch muss ich meine Kleinkinder nicht schon abschieben. Das ist eben mit eine der zeitintensivsten Phasen, bis die Kleinen in die Schule gehen. Diesen Dienst wird man verlangen können. Ohne wenn und aber.

Fr. Helfgott

24. Oktober 2011 10:55

Grundsätzlich stimmt ich vollumfänglich zu. Das ist vielleicht ein bißchen bemerkenswerter, weil ich Erzieherin bin und unter anderem die von Ihnen besprochene Altersgruppe betreue. Krippen sind mehr als kritisch zu sehen und ich kann sagen, daß ich meine persönliche Haltung völlig außen vor halten muß, denn damit wäre meine Arbeit nicht vereinbar.
Den Müttern allerdings zu unterstellen, daß es ihnen nur zu "unbequem" wäre, ihre Kinder zu betreuen, bzw. Entbehrliches wichtiger wäre, als die Erziehung der Sprösslinge, das halte ich für zu kurz geurteilt.
In manchen (gebietsweise vielleicht sogar: vielen) Fällen verhält es sich meiner Erfahrung nach durchaus so. Da muß man nichts schönreden.
Allerdings ist die Einrichtung von Rechtsansprüchen auf Kita-Plätze ab einem bestimmten Alter (gebietsweise z.B. mittlerweile schon ab dem 2.Geburtstag, Pläne sehen erste Einjährigen-Ansprüche in Ländern ab 2013 vor) eine perfide Maßnahme, den Müttern auch das letzte Quentchen Entscheidungsfreiheit, oder besser: Entscheidungsmut, zu nehmen. Man darf in dieser Sache nicht von sich selbst ausgehen und jeder Frau den Mumm und ggf. die Besinnung darauf, was wichtig ist, zutrauen, den/die man in dem Fall von sich selbst erwarten kann. Die Frauen können exzellent unter Druck gesetzt werden, ihr Einkommen ist nötig (oder wird aufgrund des Normalgefühls der Gesellschaft - abseits des zweiten Autos oder des Urlaubs, sondern in Form dessen, was als annehmbarer Lebenstandard heute gilt - für nötig gehalten), und wenn sie es wagen, 3 (oder auch nur 2) Jahre zu Hause bleiben zu wollen, dann setzt der Arbeitgeber die Daumenschrauben an und argumentiert mit dem Rechtsanspruch auf Abschiebemöglichkeit der Nachkommen, um möglichst kurz auf seine Mitrbeiterin verzichten zu müssen. Für den ist es nämlich überaus erstrebenswert, die Mitarbeiterin nicht lange ersetzen zu müssen, weiß sie doch, "wie der Hase läuft" und gerät so nicht aus der von Ihnen bemühten "Materie" heraus.

corvusacerbus

24. Oktober 2011 14:34

"Kinder können verdammt unbequem sein" und zugleich sind sie das Glück des Lebens. Insofern ist es am besten, man/n bleibt nah an ihnen dran, koordiniert seine beruflichen und ehrenamtlichen Termine mit den Kinderzeiten und behält über die outgesourcten Betreuungen den Überblick (am besten: rein in den Elternrat und mit profundem Allgemeinwissen, ein wenig praktischem Geschick, Freundlichkeit und kommunikativer Kompetenz die Dinge der Selbstverwaltung selbst mitsteuern). Das gilt übrigens auch, wenn die Beziehung der Eltern in die Brüche geht. Da helfen einem dann weder rechte Sprüche vom Untergang des Abendlandes weil die Ehen scheitern, noch linkes Pädagogengeschwätz über Hastenichgehn, sondern gesunder Menschenverstand, Vernunft, Bildung und Liebe zu den Kindern, dann geht das alles. Man muß das Ganze kommunikationsmäßig und organisatorisch im Griff haben (ich war als Freiberufler jahrlang mit kleinen Kindern zuhause und das ging immer irgendwie). Vor allem anderen muß man seine Kinder lieben und wenn man spürt, daß man das zurückbekommt - und man bekommt die Liebe zurück und spürt das auch! - dann ist der Rest nur noch Organisation und ehe man sich versieht, beteiligen sich die Kinder an der Orga des Alltags und dann ist das alles nicht so kompliziert und stressig, wie es oft dargestellt wird. Wenn die Kinder älter sind, also in die generell immer bestußter werdenden Schulen und Universitäten gehen, gilt: immer als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, für die Themen der Kinder interessieren, ihre Sehnsüchte und Sorgen kennen, sie à jour halten, was sich bei einem selber im Kopf und im Gemüt tut, sich gegenseitig mit Respekt und Zuneigung begegnen, "ich" und "wir" immer im Zusammenhang sehen (dann darf, wer will, auch mal auf den Egotripp gehen) und wer glaubt, im gemeinsamem Glauben an Gott Halt und Trost finden. Kurzum: immer wirklich Vater bzw. Mutter "sein". Ich kann nicht erkennen, warum das nicht noch in 1000 Jahren genau das richtige Konzept sein soll, mit Kindern (und Enkelkindern) ein glücklicher Mensch zu sein und ein glückliches Leben zu leben. Daß uns die Arbeitgeber kapitalistisch und die Dummblöden ideologisch vergesellschaften wollen, habe ich bemerkt und begriffen, aber auch das ist kein Schwarzweißspiel und man muß auch nicht jedes Spielchen mitspielen. Klar ist, EK sagt es zu recht: man kann nicht alles haben und muß auf manchens verzichten, wenn die Kinder klein und besonders schutzbedürftig sind. Man muß z.B. auf Chancen im Beruf verzichten ... Na und? Abhaken! Zu anderen Zeiten, wenn es besser paßt, kommen andere Chancen. Es gibt kein Leben ohne Kollateralschäden und wenn man sich für Kinder entschieden oder jedenfalls welche geboren oder gezeugt hat, dann hat man als Vater oder Mutter verdammt nochmal die Verantwortung bis daß der Tod uns scheidet übernommen. Von diesem "Sakrament des Lebens" leitet sich alles andere ab und ist alles zu schaffen und zu bewältigen ... und neben den Sorgen und der Verantwortung steht ein Menge Spaß und viel Freude!

corvax

24. Oktober 2011 15:29

Ich weiss nicht warum man sich gegen Krippenerziehung so sperrt.
Immerhin ist das Kind in professioneller Betreuung was man von vielen Elternhäusern heute nicht mehr behaupten kann.
Kinder sind "Glück oder anstrengend" .
Kinder sind heute so eine Art Edelhaustiere. Wenn ein Land genügend Verhütungs/ Abtreibungsmöglichkeiten hat verzichtet es eher auf Kinder.
Warum wohl?
Wenn sich die Leute freiwillig vermehren wollten brauchte es keinen Sexualtrieb geben.

Zadok Allen

24. Oktober 2011 16:36

Mich stört die naßforsche Verallgemeinerei derjenigen, die immer so sehr auf das "Kindeswohl" pochen. Man gehe doch bitte vom einzelnen Kind aus! Jedes ist nämlich anders, und ich schalte innerlich ab, wenn Studien zitiert werden, wonach Kinder unter drei Hirnschäden davontragen, Aggressionen entwickeln oder weiß der Kuckuck was, wenn sie in Fremdbetreuung kommen. Das mag ja statistisch besehen sogar stimmen, dennoch hat man als Elternteil die Verantwortung, in Kenntnis des Charakters und der Reife seines Kindes selbst zu entscheiden.

Meine kleine Tochter ist just mit 14 Monaten in die Krippe gekommen und hatte dort von Anfang an Riesenspaß, und zwar jeden Tag. Was sie dort an Spielmöglichkeiten und -gelegenheiten hat, können wir ihr zu Hause gar nicht bieten, auch in Ermangelung eines Gartens. Morgens wird beim "Abgeben" nicht geweint, sondern froh jauchzend in die Gruppenräume gerannt. Holt man sie nachmittags ab, ist sie meistens mit Spielen noch so beschäftigt, daß man 5-10 Minuten warten muß, bis sie nach Hause will.

Und von "Bindungsstörung" oder dergleichen keine Spur: es ging ihr noch nie so gut wie jetzt (sie wird bald 2), sie ist emotional stabil wie ein Fels, glücklich und mit sich und der Welt erkennbar völlig im Reinen. Die Exklusivität der Bindung an die Eltern (namentlich an mich, den geliebten Papa) hat unter der Fremdbetreuung auch nicht im mindesten gelitten. Ich würde sogar behaupten, daß sie den regelmäßigen Wechsel zwischen den Sphären "Krippe" und "Zuhause" genießt.

Dies ist nun ein Erfahrungsbericht vom entgegengesetzten Ende. Es ist mir völlig klar, daß es Kinder gibt, die in diesem Alter nicht reif für eine wie auch immer geartete Fremdbetreuung sind. Aber das muß von Kind zu Kind entschieden werden; es ist abwegig, par ordre du moufti allgemeine Regeln dekretieren zu wollen.

tacitus

24. Oktober 2011 17:19

Mir würde dann doch ein gewaltiger Schreck in die Glieder fahren, wenn meine Tochter morgens "froh jauchzend in die Gruppenräume" einer Kita rennen würde. Ins Grübeln gekommen, müßte ich mir eingestehen, meine Tochter fühlte sich zu Hause nicht so wohl, wie sie es eigentlich sollte. Wäre dem so, hätten wir - meine Frau und ich - einen Fehler gemacht, und zwar einen großen.

Martin

24. Oktober 2011 21:46

Tacitus,

haben Sie tatsächlich überhaupt Kinder?
Wenn ja, müssen das ja ganz schöne Muttersöhnchen sein (Achtung: Ironie!) oder sie haben gleich 3 oder mehr, so dass die keine Spielkameraden brauchen und sich deswegen dann auch nicht mehr auf andere Kinder freuen müssen ...

Wenn nein, sollte Ihnen dennoch bekannt sein, dass die meisten Kinder gerne mit anderen Kindern spielen und das in den heutigen Ein- oder Zweikindfamilien und mangels Großfamilien der Kontakt zum gleichaltrigen fast nur über Einrichtungen wie Kindergarten (neudeutsch: KiTa) stattfinden kann ... und ein Kindergarten wird zumeist nicht als Belastung von den Kindern empfunden, wenn er altersgerecht (!) und individuell dosiert (!) verabreicht wird ...

Wenn allerdings schon die Eltern fast fluchen, wenn sie ihre Göre dort abliefern "müssen", dann macht das Kind das, was es von seinem Eltern vorgegeben bekommt: Es wird sich mit Händen und Füßen gegen den Kindergarten sträuben - das hat nur sehr wenig etwas mit der Betreuung zu Hause oder dem Verhältnis mit den Eltern zu tun ... wenn Eltern darin aber einen besonderen Zuneigungsbeweis ihres Kindes sehen - nun ja ...

Um richtig verstanden zu werden: Ich halte es auch nicht für richtig, schon Säuglinge in Einrichtungen abzugeben, nur damit die Mutti weiter malochen kann, aber letztlich - irgendwann zwischen dem ersten Geburtstag und dem dritten - sollte man schon sehen, wie weit das eigene Kind ist und dann entscheiden, ob ihm die Gesellschaft anderer unter der Aufsicht von Nicht-Eltern zugemutet werden kann oder nicht. Denn Kinder brauchen den Umgang mit anderen Kindern.

waldemar

25. Oktober 2011 06:48

Martin, spielen bei Ihnen Kinder nur noch im Kindergarten? Sind wir heutzutage schon so weit, daß Kinder sich ihre Spielkameraden nicht mehr selbst in der Nachbarschaft aussuchen, ihre Spiele selbst organisieren und frei durch Flur und Feldmark, eventuell Parks und Spielplätze streifen, auf Bolzplätzen Fußball spielen, zum Eislaufen gehen, sich zum Skaten oder Fahrradfahren verabreden?
Der mangelnde Kontakt zu Gleichaltrigen kommt zustande, weil Kinder immer weniger selbstbestimmt ihre Freizeit organisieren, Mütter und Väter übervorsichtig sind und die Kleinen von und zur Schule kutschieren, anschließend zum Sportverein oder Musikunterricht - von einem umhegten Gelände zum nächsten - fahren usw.
Ich halte das Outsourcing der Kinderbetreuung für ein Grundübel unserer Gesellschaft, denn es trainiert den Kindern die Eigenverantwortung ab. Kinder spielen nicht mehr draußen - höchstens auf dem Gelände von Kindergärten. Frei umherstreifende Gruppen von Kindern gibt es nicht mehr: diesen natürlichen Freiheitsimpuls hat man ihnen aberzogen, mit Spielekonsolen und Kindergärten.

Peter Freimann

25. Oktober 2011 08:36

@ Zadok Allen

Sie beklagen sich über "Verallgemeinerei", auf das "einzelne Kind" käme es an.
Wenn in der Politik debattiert wird, Entscheidungen getroffen und Weichen gestellt werden, dann muß - sobald die Societät die Größe einer kleinen Dorfgemeinschaft überschreitet - verallgemeinert werden. Die Besteuerung muß sich um die Pendler kümmern, man wird sich am statistischen Durchschnittspendler orientieren müssen, der einzelne Herr Hinz oder Kunz wird dabei arrogant übergangen. Ob der Ausbau der sogenannten Krippen erfolgt oder nicht, wird ebenso nicht vor dem Exempel der einzigartigen zweijährigen Ann-Kathrin entschieden werden können.

Habe mal ehrenamtlich in einem Projekt für alleinerziehende Eltern gearbeitet, diese brachten zu dem Treff die Kinder zwischen 0 und fünf Jahren mit. Ein Kind, das deutlich unter drei Jahre alt war, und sich dort an "sozialem Lernen" beteiligt hat, ist mir nie begegnet.

Herrschaftsverhältnisse versucht man über die Sprache zu zementieren. Über die Illusion einer "Selbstverwirklichung" ist schon manches gesagt und geschrieben worden. Besonders anstößig finde ich das neue Mantra der "Vereinbarkeit". Alle Emanzipationsbewegungen haben seit mehreren Jahrzehnten ihre Ziele erreicht. Eigentlich hätten sich deren hauptberufliche KämpferInnen, die ganze nicht unbeträchtliche Zahl an GleichstellerInnen, GenderforscherInnen und GleichschalterInnen, schon lange einen anderen Arbeitsplatz suchen müssen, vielleicht noch nicht einmal über die Steuergelder subventioniert.
Nun ist man aber dahinter gekommen, daß das Einlösen einer Freiheitsoption dazu führen kann, daß eine andere Option verloren geht.
Wenn ich 1000 Euro für Elektrogeräte ausgebe, kann ich nicht mehr von der Reise träumen, die ich freilich auch gern gemacht hätte.
Es ist schon ein Anzeichen sehr weit fortgeschrittener Dekadenz, wenn die allumsorgende Mutter Staat (das ist der Steuerzahler von nebenan) Sorge tragen soll für das individuelle Glück ("Selbstverwirklichung") und für die Aufrechterhaltung des Selbst- und Kleinkinderbetruges der Anspruchsunverschämtheit namens "Vereinbarkeit".

Zadok Allen

25. Oktober 2011 09:46

@ Waldemar:

Auf welchem Planeten leben Sie? Können Sie sich in einer heutigen Großstadt "frei umherstreifende Gruppen von Kindern" vorstellen? - Dabei glaube ich, daß Sie vollkommen recht haben, was die skizzierten negativen Folgen der Überstrukturierung des Kinderalltags angeht. Das kann man vermeiden, aber man kann nicht vermeiden, daß das eigene Kind eher an Wohnung und Elternbegleitung gebunden ist, wenn man nicht das Privileg hat, auf dem Lande zu leben (was ich übrigens anstrebe).

@ Peter Freimann:

Die Stoßrichtung ihres Einwandes wird mir nicht recht klar. Ich hatte erwartet, daß ich für vermeintliche "Überdifferenzierung" geschmäht werde - das erledigt sich; wo, wenn nicht bei den eigenen Kindern, sollte man nach allen Kräften differenzieren? Aber Sie scheinen mir zu unterstellen, daß ich mich zum Advokaten von "Vereinbarkeit" und "Frauen in die Wirtschaft" mache. Dazu habe ich nun keine Zeile geschrieben.

Tatsächlich gestehe ich ihnen sofort zu, daß die heute sich aufbauende staatlich-mediale Nötigung zur frühen Fremdbetreuung dem Kindeswohl in den meisten Fällen abträglich sein wird. Wobei ich den Schaden als noch größer empfinde, der daraus erwächst, daß die sich beruflich "selbstverwirklichenden" Frauen es dann meisten bei einem Kind glauben belassen zu müssen - hier wächst eine Generation von Seelenkrüppeln heran, und das sage ich als Einzelkind.

Ich bin, einmal allgemein gesprochen, der Ansicht, daß die einzige einigermaßen umsetzbare Maßnahme gegen die demographische Katastrophe nur die Entzerrung der Erwerbsbiographien sein kann. Frauen kann man nicht verbieten, "Karriere" zu machen, wenn sie es denn unbedingt wollen. Schön, sollen sie Karriere machen - aber bitte ab 35! Vorher hätten sie genügend Zeit, drei, vier, fünf Kinder in die Welt zu setzen. Da Frauen ohnehin eine höhere Lebenserwartung als Männer haben, wäre das nur gerecht; und es dürfte kein Nachteil für die Frauen sein, Männern in der ökonomischen Konkurrenz im Schnitt als die Älteren gegenüberzutreten. Die Frage ist nur, wie sich so etwas institutionell umsetzen ließe. Vermutlich gar nicht. Noch schlimmer: Dabei ist der eigentliche, mentale Kern der gewollten Kinderlosigkeit noch gar nicht berührt.

Die Krippen- und Kindergartenfrage hat damit erst einmal überhaupt nichts zu tun; hier muß ganz klar vom Nutzen oder Schaden des einzelnen Kindes ausgegangen werden. Daß beide Aspekte gerade in der massenmedialen Debatte unzulässig durcheinandergeworfen werden, ist nicht mein Verschulden.

Peter Freimann

25. Oktober 2011 10:39

@ Zadok Allen

Wie viele Familien mit Kindern leben heute denn im Zentrum einer "heutigen Großstadt"? Schätze mal, daß da keine signifikanten Prozentwerte zusammenkommen. Wohne fünf Busminuten vom Zentrum einer Großstadt entfernt: Überangebot an Spielplätzen, großer Park, Bolzplätze ... alles da. Was soll sich eigentlich an äußeren Vorgegebenheiten im Wesentlichen geändert haben?

Wir sollten uns nicht zwischen den verschiedenen Ebenen verheddern.
Ich kann vom Nutzen oder Schaden "des einzelnen Kindes ausgehen", Sie können das auch, die Politik kann es nicht.
Vermutlich flott aneinander vorbeigeredet. Die "Entzerrung der Erwerbsbiographien" finde ich sehr sympathisch. (Meine Schwester hat z.B. genau diesen Weg beschritten, noch kein Wort von Reue aus ihrem Munde vernommen.)

ellenkositza

25. Oktober 2011 10:50

Danke an tacitus, waldemar und Peter Freimann für die profunden Ergänzungen, genau so ist es! Zu Martin: Daß Kinder den Umgang mit Kinder brauchen, mag ein paar Jahrtausende lang uneingeschränkt gegolten haben. Jedoch a) ist soziale Interaktion auf "Augenhöhe" mit anderthalb keinesfalls unabdingbar und b) wird das, was einst die lustige Kinderschar mit ihrer unverfälschten Spielfreude und ihren Rangeleien war heute peergroup genannt. Und die Sozialisationsbedingungen, die die parat hält, decken sich oft nicht mit unseren Erziehungsidealen. Kleines, banales Bsp.: Als wir bei einer Tochter mit anderthalb Jahren noch Wort für Wort ihren Sprachschatz aufschrieben, steckte uns die große Schwester: "Ihr müßt unbedingt 'cool' aufschreiben, das sagt die A. im Kindergarten dauernd!" Unser jetziges Kindergartenkind setzt sich gerade mit einem Girl namens Hannah Montana auseinander und kann diverse Serienmelodien summen und singen, ohne je TV zu schauen. Neinnein, daran geht sie nicht zugrunde, dadurch wird sie nicht in prekäre Verhältnisse rutschen. In der Grundschule sind die Kleinen dann eh mit merkwürdigen Wort-, Kleidungs- und Verhaltensmoden konfrontiert. Bis dahin müssen sie schön stabil sein!
"Jauchzend in den Kindergarten laufende" Kinder machen mir auch ein wenig Angst, ich hatte aber selbst unversehens auch zwei solche Kinder. Natürlich ist vieles eine Charakterfrage und schlicht angeboren, diese beiden haben die eher zur Geselligkeit neigenden Eigenschaften des Vaters geerbt, was ja grundsätzlich kein Schaden ist. Gut ist, wenn sie zu Hause weiterjauchzen.

tacitus

25. Oktober 2011 11:18

"Können Sie sich in einer heutigen Großstadt „frei umherstreifende Gruppen von Kindern“ vorstellen?"

Ich wohne in der Stadt und ja, ich zumindest könnte mir das sehr gut vorstellen, nur - es findet heutzutage nicht mehr statt! Warum? Siehe etwa waldemar, der mir das Wort aus dem Munde genommen hat.
Kommen Sie mir jetzt nicht mit angeblichen Gefahren wie erhöhtem Verkehrsaufkommen etc. Im Gegensatz zur Zeit vor 30 Jahren gibt es heute viel mehr Radwege, Fußgängerampeln, Zebrastreifen, Tempo-30-Zonen, Spielstraßen - Einrichtungen, von denen Kinder der 60er und 70er Jahre nur träumen konnten. Warum gibt es denn Spielstraßen, wenn auf ihnen keine Kinder spielen? Überhaupt hat das Angebot an Spielplätzen, öffentlichen Fußball- und Basketballplätzen zugenommen, Anlagen zum Skaten gab es früher nicht und zu meiner Zeit durfte in Parks die Rasenfläche nicht betreten werden. Die Städte sind insgesamt gesehen kinderfreundlicher geworden, als sie es je waren.
Warum nutzen dies so wenige? Weil die Kinder nicht mehr lernen, mit Phantasie und Kreativität etwas aus sich selbst heraus zu entwickeln und spielerisch umzusetzen.

Martin

25. Oktober 2011 12:52

In dieser Debatte werden meines Erachtens nach zu viele Idealvorstellungen mit herangezogen, dabei war und ist Erziehung aus meiner Sicht das Streben der Eltern, unter den gegebenen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Vorgaben, - ganz pragmatisch - zu versuchen, das Beste daraus zu machen. So war es in allen Zeiten.

Unsere heutigen Zeiten sind davon geprägt, dass ein Einkommen zumeist eben doch nicht ausreicht für eine Familie - und das nicht, um damit den Zweitwagen zu bezahlen, allein das, was an Miete, Nebenkosten, Altersvorsorge etc. zu leisten ist, langt aus, dass es mit einem normalen Gehalt knapp wird - bitte mal Abstand nehmen von angeblichen Akademiker-Klischees. Ferner gibt es zumeist nicht mehr die große Kinderschar, in die ein Kind hinein geboren wird - weder in der eigenen Familie, noch in der Nachbarschaft (wenn diese überhaupt noch deutsch ist). Der sog. "demographische Wandel" kann einfach nicht weggeredet werden. Hinzukommt, dass die meisten auch nicht mehr die Großeltern in "Reichweite" haben, die früher so gerne als Betreuungsmöglichkeiten genutzt wurden.

Unter diesen Rahmenbedingungen, die nicht vollständig genannt wurden, wollen nach wie vor junge Menschen Eltern werden und es werden unter den jüngeren glücklicherweise sogar mehr, die dies wollen.

Ronja Räubertochter geht aber eben zumeist nicht - Punkt.

Das Vorhandensein von Kinderbetreuungsmöglichkeiten außerhalb der Familie ist daher nicht per se ein Fluch, sondern einfach eine der Rahmenbedingungen unserer heutigen Zeit. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Und der Kontakt zu anderen Kindern aus anderen Familien sehe ich auch nicht als besonderes kritisch an, denn man kann seine Kinder nicht von der Umwelt abschotten, insbesondere wenn man nur 1 oder 2 Kinder hat bzw. halte ich es sogar für nicht förderlich, sein Kind von anderen fern zu halten - und wo sonst soll es in Kontakt mit Gleichaltrigen kommen, wenn nicht im Kindergarten, wenn alle anderen im Kindergarten sind?

Eins zeigt sich doch in Erziehungsdingen immer wieder: Je mehr Eltern meinen, das Kind in dieser oder jene Richtung zu "fördern" zu leiten etc., um so mehr kommt das Aufbegehren gerade gegen diese Richtung dann ab einem gewissen Alter wieder zurück.

Wer es sich leisten kann, das Kind zu Hause zu lassen, soll es doch bitte tun, wer nicht, soll kein schlechtes Gewissen haben, wenn er Kinderbetreuungsmöglichkeiten außerhalb der Familie in aller gebotenen Verantwortung nutzt - denn das Kind mit auf die Arbeit zu nehmen bleibt nach wie vor Ministerinnen vorbehalten ... alle anderen müssen eben weiter Kompromisse machen und versuchen, das beste daraus zu machen ... Ideale kann man nie vollständig durchsetzen und das Leben ist kein Wunschkonzert - weder für die Eltern, noch für die lieben Kleinen.

Peter Freimann

25. Oktober 2011 13:54

@ Martin

Woran mag es denn wohl liegen, wenn in manchen Fällen ein Einkommen tatsächlich nicht reicht?
Man muß ja nicht gleich zum Marxismus konvertieren, aber ...
Wie hoch sind die Löhne a) wenn das Angebot an Arbeitskräften sich im wesentlichen auf deutsche Männer und nur eine begrenzte Anzahl deutscher Frauen beschränkt bzw. b) wenn das Angebot auf eine enorme Anzahl deutscher Frauen und eine enorme Anzahl auf aus dem Ausland stammende Kräfte erweitert wird, von denen ein hoher Teil sich nur durch das Diktat einer Zwangsintegration in Deutschland befinden?

Nee, nee, es geht mir nicht darum, die Berufstätigkeit von Frauen infrage zu stellen, sondern den ökonomistischen Grund freizulegen, der hinter dieser ganzen Propagande zur Beförderung der totalen Arbeit und des totalen Konsums steht.
Dem Kulturlinken kann die Gleichschaltung nur recht sein, Familien sind die Brutstätten von Ungleichheit, entziehen womöglich den Nachwuchs der Verfügungsgewalt des Staates, der Unternehmer wiederum, dem an "Nachhaltigkeit" nicht gelegen ist, kann der Versuchung nicht widerstehen, für Lohndruck zu sorgen. Im Wege stehen dann nur noch ein paar versprengte Ewiggestrige, mit einer Wertorientierung, die außerhalb des Rahmens des Ökonomismus liegt, z.B. aus dem Christentum sich entlehnt.
Solche SpinnerInnen kann man lässig in Fernsehtribunalen abstrafen und aus der Öffentlichkeit vertreiben. Noch geschickter: Solchen Elementen von vorneherein den Zutritt dorten zu verweigern.

Druide

25. Oktober 2011 14:09

Dass die Mutter nicht mehr wesenhaft geehrt wird und auf ihren soziologisch feststellbaren Funktionalismus reduziert wird, scheint doch wohl das Hauptproblem zu sein. So ist es beim Kind auch. Der Rest ist Ideologie. Zu Hülf das Kind sieht gerne seine Freunde und Freundinnen im Kindergarten! Dort hat es sogar Spielzeug, dass aufgrund seiner Größe in die Wohnung der Eltern gar nicht passen würde. Mein Gott wie schrecklich.

Ich bin selber auch gerne in den Kindergarten gegangen und war sogar zeitweilig dann in der Grundschule im Hort. (Oha!) Mir hat es immer Spaß gemacht. (Doppelt-Oha!) Zum Muttertag und Vatertag haben wir immer etwas gebastelt, um unseren Eltern einen Dank auszusprechen. Ist das etwa schädlich für die Familie? Und ganz stolz konnte ich meiner Mutti, als sie mich abholte, zeigen, wenn die Kindergärtnerin mir den schon lockeren Milchzahn ganz herausgedreht hat. Und genauso habe ich mich gefreut, am Nachmittag wieder abgeholt zu werden. Und schön war es auch manchmal Mittagskind zu sein und keinen Mittagsschlaf mitmachen zu brauchen. Aber zugegeben, ich war ein pflegeleichtes Kind.

Die eigentlichen Parameter liegen doch - von bestimmten Grenzen abgesehen - stets woanders. Um einen Vergleich aus
einem anderen Teil des Bildungssektors zur Illustration heranzuziehen: Ist es sinnvoller eine vier- oder sechsjährige Grundschule oder eine Primarschule bis zur 10ten Klasse zu haben? Richtig: Das ist alles scheißegal, sofern man es auf die Reihe kriegt, dass (nahezu) alle schlussendlich bis zum Abschluss der 10ten Klasse Lesen und Schreiben und Rechnen bis zu einem bestimmten objektiv festzulegenden Grad beherrschen und die besten in ihrer Entwicklung nicht gehemmt werden. Punkt. In Berlin wird auch die zehnjährige Gemeinschaftsschule die Probleme nicht lösen, eher verschlimmern, wie in Bayern beispielsweise die viehrjährige Grundschule auch bleiben kann, ohne Verwerfungen herbeizuführen.

Als ob die Fixierung auf die äußeren Formen etwas bringt.

PS: Ich wittere übrigens fieses Antideutschtum, der Kindergarten ist doch eine deutsche Erfindung. ;-)

tacitus

25. Oktober 2011 14:41

Martin, Sie haben recht. Nur die Tatsache, daß ein Alleinverdiener eine Familie heute kaum mehr alleine ernähren kann (früher ging das), ist in meinen Augen politisch so gewollt, damit auch der zweite Elternteil arbeiten geht. Das läuft dann darauf hinaus, daß - in der Regel - die Mutter halbtags beschäftigt ist, damit sie morgens die Kinder zum Kindergarten bringen kann und sie nachmittags dort wieder abholt, dabei aber kaum mehr verdient als die Gebühren, die für den Kita-Platz monatlich bezahlt werden müssen.
Diesem Wahnsinn habe ich mich immer wiedersetzt. Warum eigene Kinder in die Welt setzen und dann ihre Erziehung an bestimmte Einrichtungen delegieren? Der Kompromiß in dem hier von mir geschilderten Fall wäre, man gibt den Halbtagsjob auf und kümmert sich ganztags ums Kind/um die Kinder. Dadurch erspart man sich eine Menge Streß und behält den vollen Einfluß auf die Erziehung seiner Kinder.

Freddy

25. Oktober 2011 20:03

Kindererziehung zu Hause ist nur sinnvoll in Großfamilien. Bei ein bis drei-Kind-Familien, mit teils großem Altersabstand zwischen den Kindern, ist eine alleinige Erziehung zu Hause schwer in nötigem Umfang leistbar. Halte auch frühzeitigen Kontakt zu Gleichaltrigen für sehr wichtig. Die frühzeitige Unterordnung unter kompetente Erzieher legt das Fundament für einen erfolgreichen Bildungsweg. Die ersten 2 bis 3 Jahre zu Hause sind immens wichtig, danach sollte man aber anfangen das Kind auf den Ernst des Lebens, die Eigenständigkeit, den Umgang mit Fremden ohne dem Beisein der Familie, zu gewöhnen. Unselbständige Muttersöhnchen haben wir genug. Wenn wir dem Kindergarten das Wort reden, dann natürlich nicht den Erziehungsanstalten die aktuell existieren, sondern in seiner ursprünglichen, deutschen Erfindung.

Selbst komme ich aus einer Großfamilie, kam mit 3 1/2 in den deutschen Dorf-Kindergarten und kann mich heute noch nur positiv daran erinnern. An die Zeit davor fast nicht mehr.

faserland

25. Oktober 2011 21:19

Da hier neben dem Kommunismus mal wieder der böse Kapitalismus als treibende Kraft des Krippenausbaus angeführt wird, möchte ich gerne mal klarstellen, dass ein echter Kapitalismus unmöglich den Staat für den Krippenausbau vereinnahmen könnte. Viele Firmen bieten Ihren Mitarbeitern heute ja Betreuungsmöglichkeiten an. Kleinere Firmen schließen sich bisweilen zusammen, um eine kritische Größe für eine Kinderbetreuungseinrichtung zu erreichen. Daran kann man meines Erachtens nichts aussetzen, da dies offenbar im Interesse sowohl der Firmen, wie der Mitarbeiter ist. Ob es im Interesse der Kinder ist, kann vermutlich nur im Einzelfall entschieden werden, und den zu beurteilen obliegt den Eltern und sonst niemandem. Hier funktioniert der Kapitalismus bestens, indem ein beiderseits vorhandener Bedarf gedeckt wird.

Der politisch gewollte Krippenausbau ist dagegen Sozialismus pur und das schimmert auch immer wieder durch die Argumente, wenn z.B. die "benachteiligten" oder unfähigen Eltern als Rechtfertigung dienen müssen. Hier geht es um Gleichmacherei und Kontrolle verschleiert als "Chancengleicheit" für Frauen (basierend auf der absurden Vorstellung, dass die Erwerbsarbeit zur Selbstverwirklichung tauge, was sie nur für einen verschwindend gering Teil tut, der sich auch nichtstaatlich finanzierte Krippen leisten könnte). Und so will die Politik tatsächlich den Bedarf für die Krippen schaffen und nicht etwa einen vorhandenen bedienen. Wenn es diesen Bedarf nämlich schon gäbe (und wenn wir eine nicht so überregulierte Marktwirtschaft hätten), dann würden Krippen privat gegründed, und die Eltern wären bereit, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen. In Amerika (jedenfalls da wo ich war) funktioniert es übrigens genau so. Da gibt es, wo der Bedarf ist, reichlich Kinderbetreuungsmöglichkeiten, aber die sind eben nicht billig. Dafür gibt es echte Konkurrenz zwischen den Einrichtungen, was zu hoher Qualität und vor allem einer starken Differenzierung führt, wodurch die Eltern mehr Wahlmöglichkeiten haben. Davon macht man abhängig von der eigenen finanziellen Situation auch Gebrauch.

Nun bin ich selbst überhaupt kein Krippenfan und meine Frau erzieht unsere drei Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr ausschließlich zu hause. Wir halten das natürlich auch für das Beste für unsere Kinder und fühlen uns durch sie darin bestätigt. Aber ich bin kein Dogmatiker und die Beurteilung des Kindeswohls anderer ist nicht meine Aufgabe. Wer lieber arbeitet, als die eigenen Kinder zu erziehen, der soll das tun, aber das muss er halt auch selbst bezahlen. Ich will ihm dafür mein Geld jedenfalls nicht geben. Jemandem, der sich einen Hund kauft und ihn von anderen ausführen läßt, gebe ich ja auch nichts (von wegen Vereinbarkeit, wie Herr Freimann schon so richtig bemerkt hat!).

Anna

26. Oktober 2011 17:08

Mir gefallen Ihre Ansichten, Frau EK, man merkt, sie kommen aus der Praxis;-) im Gegensatz zu einigen Herren hier.
Mit finanziell leisten ist in einigen Fällen tatsächlich, wie ich fürchte mehr gemeint als einfach das zweite Auto, sondern ein Fallen unter das Hartz4 Niveau - mit sämtlichen Konsequenzen.
Aus persönlicher Erfahrung: Ich kenne einige (viele) junge Frauen, die aufgrund der Probleme, die so ein Kind mit sich bringt, keines (oder eben nur eines/zwei) in die Welt setzen. Probleme sind meist: Arbeitsstelle befristet, oder gar keine. Und für die ist eine gesicherte Krippenstelle ein Anreiz (noch) ein Kind zu bekommen. Ich könnte auf einen Schlag etwa ein Dutzend Frauen benennen, die (noch) ein Kind bekommen würden, wenn sie einen (sicheren) Arbeitsplatz und eine Krippe für ihr Kind hätten. Trotz der Strapazen von Schwangerschaft und Geburt.

Schopi

28. Oktober 2011 23:00

Mit folgenden Zeilen möchte ich ausdrücklich nicht opponieren, sondern darauf hinweisen, daß immer der Einzelfall (nur bezogen auf dieses Thema;) entscheidend ist.

Drei gewichtige Faktoren gegen "häusliche" Erziehung:

Statistisch gesehen findet in Familien die meiste Gewalt statt (ähnlich dem, daß im Haushalt auch die meisten Unfälle passieren, nicht am Arbeitsplatz).

Dumme, verbal und körperlich zur Gewalttätigkeit neigende Eltern schaden ihren Kindern wesentlich mehr als jede Krippe.

"Ungeliebte", nicht erwünschte oder einfach Kinder mit denen die Eltern "nichts anfangen" können (weil sie intellektuell überfordert oder die Kinder in ihrer Art nicht in das Denkschema der Eltern passen), sind in der "Kita" besser aufgehoben.

Und:
Auch "Einzelkinder" brauchen baldigen Kontakt zu Gleichaltrigen (ab dem 3 Lebensjahr). Die auch weiter oben genannte liebe (Kinder.)-Nachbarschaft existiert doch gar nicht mehr. Wer so etwas schreibt, hat womöglich selbst gar keine Kinder, erinnert doch nur die eigene Kindheit vor 3-4 Jahrzehnten.

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