Isolde Kurz war blond.

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Im Florenz des Fin de Siècle erregte ihre „lichte Erscheinung" Aufsehen:

Mein germanisches Blond und daß ich als junges Mädchen ganz allein ausging, gab immer neuen Anlaß zum Staunen. Der Deutsche war zu jener Zeit in Italien hochgeehrt. Es berührte mich eigen, wie der greise Dichter und Schiller-Übersetzer Maffei, eine hohe, schlanke, stadtkundige Gestalt mit wallendem Bart und Haar, wo er mir begegnete, stehenblieb und, ohne mich persönlich zu kennen, den Hut lächelnd bis zur Erde zog: Ich verstand, daß er in der jungen Fremden dem Genius Deutschlands huldigen wollte.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Am 5. April vor 65 Jah­ren ist die Dich­te­rin Isol­de Kurz gestor­ben. Das Zitat habe ich auf literaturblatt.de gefun­den. Mehr als drei Jahr­zehn­te leb­te Isol­de Kurz in Flo­renz. Ihrer­zeit war sie mit ihren Gedich­ten, Novel­len und Erzäh­lun­gen eine wah­re Best­sel­ler-Autorin, ihr Roman „Vana­dis. Schick­sals­weg einer deut­schen Frau” ver­kauf­te sich gar eine hal­be Mil­li­on mal. Sie galt als über­aus beein­dru­cken­de Erschei­nung, ver­kehr­te mit Arnold Böck­lin, Hans von Marées, Jacob Bur­ck­hardt, spä­ter auch mit D´Annunzio und der Duse.

Heu­te ist sie, die Auto­di­dak­tin ohne höhe­re Schul­bil­dung, so gut wie ver­ges­sen. Außer natür­lich – so ist das ja mit den meis­ten schrei­ben­den Frau­en, die durch ihre Lebens­ge­stal­tung aus der je zeit­ge­mä­ßen Rol­le fie­len – bei femi­nis­ti­schen Lite­ra­tur­for­sche­rin­nen. Die zitie­ren gern ein paar ver­spreng­te Spott­wor­te gegen das „Män­ner­sys­tem” aus Kurz’ Feder.

Inter­es­san­ter­wei­se hat es aus­ge­rech­net die der­zeit mit Prei­sen und Lob über­schüt­te­te Sibyl­le Lewitschar­off (gebür­ti­ge Stutt­gar­te­rin­nen bei­de Schrift­stel­le­rin­nen) unter­nom­men, dem schma­len Nach­ruhm der Kurz einen Haken zu ver­pas­sen. Lewitschar­off nann­te – und dies bei der Eröff­nung zu einer Kurz-Aus­stel­lung! – deren lite­ra­ri­sches Schaf­fen „schwüls­tig” und wies auf deren NS-Ver­stri­ckung hin. Da wäre zum einen eine Wid­mung an Hit­ler zu des­sen 50. Geburts­tag, zum ande­ren ihr Gedicht „Schwert aus der Schei­de”, von Kurz 1916 ver­faßt und Jahr­zehn­te spä­ter in fast jedem NS-Schul­buch abgedruckt:

In der Hal­le des Hau­ses da hängt ein Schwert,
Schwert in der Scheide.
In sei­nem Blit­zen ver­geht die Erd’.
Wir hüten’s und beten Tag und Nacht,
Daß es nicht klir­rend selbst erwacht.
Denn uns ist geschrie­ben ein heil­ges Gebot:
Ihr sollt es nur brau­chen in letz­ter Not,
Schwert in der Scheide.

Wir sind gedul­dig wie Star­ke sind,
Schwert in der Scheide.
Wir achten’s nicht, was der Neid uns spinnt.
Sie haben uns man­chen Tort getan,
Wir litten’s und hiel­ten den Atem an.
Die Son­ne glüht auf der Ern­te Gold.
Frie­de, wie bist du so hold, so hold,
Schwert in der Scheide!

Doch der Neid miß­gönnt uns den Platz am Licht,
Schwert in der Scheide!
Fein­de umzieh’n uns wie Wol­ken dicht.
Zehn gegen Einen in Waffenschein!
Wer bleibt uns treu? – Unser Gott allein.
Die Erde zuckt und der Him­mel flammt.
Schwert, nun tu dein hei­li­ges Amt!
Schwert aus der Scheide!

Das ist, alles in allem, doch recht mit­tel­mä­ßig – geho­be­ner Nor­mal­ton 1916 eben. Viel hüb­scher ist jene Betrach­tung, die Kurz drei Jah­re spä­ter über „Deut­sche und Ita­lie­ner” anstellte:

Nach der Eröff­nung der Gott­hard­bahn wuchs der jähr­li­che Wan­der­schwarm über die Alpen gewal­tig an. Der Deut­sche war wohl­ha­bend gewor­den, er gab Geld aus, trat geräusch­voll auf und war auch jetzt noch schlecht ange­zo­gen. Denn auf das Äuße­re hielt er noch immer nichts. Er fühlt sich eben bei sei­ner unper­sön­li­chen Sach­lich­keit wohin er geht als Zuschau­er auf der Lebens­büh­ne, woge­gen der Roma­ne immer und über­all der Dar­stel­ler ist, der sein Auf­tre­ten danach rich­tet und die wohl­ge­fäl­li­gen Bli­cke ern­tet. Die­ser ver­gißt auch nie, daß jeder Volks­an­ge­hö­ri­ge in der Frem­de die eige­ne Natio­na­li­tät ver­tritt und die Züge die­ses sei­nes Volks­tums für das Auge der ande­ren modeln hilft. Die­sen letz­te­ren Umstand bedach­te der rei­sen­de Durch­schnitts­deut­sche viel zu wenig, oder er ist ihm gleich­gül­tig gewe­sen. Er kam ger­ne mit Knie­ho­se, Nagel­schu­hen und Ruck­sack, wie er in den Alpen her­um­ge­stie­gen war, die deut­sche Frau im Loden­rock oder, wenn sie Künst­le­rin war, im wun­der­li­chen, schlecht sit­zen­den Reform­kleid und gleich­falls mit dem Ruck­sack, und so spa­zier­ten sie jahr­aus, jahr­ein über die Flie­sen des vor­nehms­ten Fest­saals der Welt, der die Piaz­za San Mar­co heißt, so stie­gen sie die stol­zen Mar­mor­trep­pen des Pit­ti hin­an. Sie waren trun­ken von der Schön­heit, die ihnen auf­ging, und ver­ga­ßen, daß sie sel­ber aus dem Rah­men die­ser Schön­heit fie­len und durch ihren Anblick die Har­mo­nie störten. […]

Wenn ich ab mor­gen in Spa­ni­en wei­le, wer­de ich auf der­glei­chen ach­ten. Bleibt der Loden­rock halt im Koffer.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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