Am 5. April vor 65 Jahren ist die Dichterin Isolde Kurz gestorben. Das Zitat habe ich auf literaturblatt.de gefunden. Mehr als drei Jahrzehnte lebte Isolde Kurz in Florenz. Ihrerzeit war sie mit ihren Gedichten, Novellen und Erzählungen eine wahre Bestseller-Autorin, ihr Roman „Vanadis. Schicksalsweg einer deutschen Frau” verkaufte sich gar eine halbe Million mal. Sie galt als überaus beeindruckende Erscheinung, verkehrte mit Arnold Böcklin, Hans von Marées, Jacob Burckhardt, später auch mit D´Annunzio und der Duse.
Heute ist sie, die Autodidaktin ohne höhere Schulbildung, so gut wie vergessen. Außer natürlich – so ist das ja mit den meisten schreibenden Frauen, die durch ihre Lebensgestaltung aus der je zeitgemäßen Rolle fielen – bei feministischen Literaturforscherinnen. Die zitieren gern ein paar versprengte Spottworte gegen das „Männersystem” aus Kurz’ Feder.
Interessanterweise hat es ausgerechnet die derzeit mit Preisen und Lob überschüttete Sibylle Lewitscharoff (gebürtige Stuttgarterinnen beide Schriftstellerinnen) unternommen, dem schmalen Nachruhm der Kurz einen Haken zu verpassen. Lewitscharoff nannte – und dies bei der Eröffnung zu einer Kurz-Ausstellung! – deren literarisches Schaffen „schwülstig” und wies auf deren NS-Verstrickung hin. Da wäre zum einen eine Widmung an Hitler zu dessen 50. Geburtstag, zum anderen ihr Gedicht „Schwert aus der Scheide”, von Kurz 1916 verfaßt und Jahrzehnte später in fast jedem NS-Schulbuch abgedruckt:
In der Halle des Hauses da hängt ein Schwert,
Schwert in der Scheide.
In seinem Blitzen vergeht die Erd’.
Wir hüten’s und beten Tag und Nacht,
Daß es nicht klirrend selbst erwacht.
Denn uns ist geschrieben ein heilges Gebot:
Ihr sollt es nur brauchen in letzter Not,
Schwert in der Scheide.Wir sind geduldig wie Starke sind,
Schwert in der Scheide.
Wir achten’s nicht, was der Neid uns spinnt.
Sie haben uns manchen Tort getan,
Wir litten’s und hielten den Atem an.
Die Sonne glüht auf der Ernte Gold.
Friede, wie bist du so hold, so hold,
Schwert in der Scheide!Doch der Neid mißgönnt uns den Platz am Licht,
Schwert in der Scheide!
Feinde umzieh’n uns wie Wolken dicht.
Zehn gegen Einen in Waffenschein!
Wer bleibt uns treu? – Unser Gott allein.
Die Erde zuckt und der Himmel flammt.
Schwert, nun tu dein heiliges Amt!
Schwert aus der Scheide!
Das ist, alles in allem, doch recht mittelmäßig – gehobener Normalton 1916 eben. Viel hübscher ist jene Betrachtung, die Kurz drei Jahre später über „Deutsche und Italiener” anstellte:
Nach der Eröffnung der Gotthardbahn wuchs der jährliche Wanderschwarm über die Alpen gewaltig an. Der Deutsche war wohlhabend geworden, er gab Geld aus, trat geräuschvoll auf und war auch jetzt noch schlecht angezogen. Denn auf das Äußere hielt er noch immer nichts. Er fühlt sich eben bei seiner unpersönlichen Sachlichkeit wohin er geht als Zuschauer auf der Lebensbühne, wogegen der Romane immer und überall der Darsteller ist, der sein Auftreten danach richtet und die wohlgefälligen Blicke erntet. Dieser vergißt auch nie, daß jeder Volksangehörige in der Fremde die eigene Nationalität vertritt und die Züge dieses seines Volkstums für das Auge der anderen modeln hilft. Diesen letzteren Umstand bedachte der reisende Durchschnittsdeutsche viel zu wenig, oder er ist ihm gleichgültig gewesen. Er kam gerne mit Kniehose, Nagelschuhen und Rucksack, wie er in den Alpen herumgestiegen war, die deutsche Frau im Lodenrock oder, wenn sie Künstlerin war, im wunderlichen, schlecht sitzenden Reformkleid und gleichfalls mit dem Rucksack, und so spazierten sie jahraus, jahrein über die Fliesen des vornehmsten Festsaals der Welt, der die Piazza San Marco heißt, so stiegen sie die stolzen Marmortreppen des Pitti hinan. Sie waren trunken von der Schönheit, die ihnen aufging, und vergaßen, daß sie selber aus dem Rahmen dieser Schönheit fielen und durch ihren Anblick die Harmonie störten. […]
Wenn ich ab morgen in Spanien weile, werde ich auf dergleichen achten. Bleibt der Lodenrock halt im Koffer.