Braune Armee Fraktion?

von Karlheinz Weißmann

Wenn ich mich Mitte der siebziger Jahre auf den Weg zum Schulbus machte, führte der an einem Sgraffito vorbei,...

gemalt auf die Mau­er eines Fabrik­ge­bäu­des: „RAF heißt dem Vol­ke die­nen“. Jeder wuß­te damals, was das Kür­zel „RAF“ bedeu­te­te. „Rote Armee Frak­ti­on“ stand für das Kon­zept des „Volks­kriegs“.

Nach dem Selbst­ver­ständ­nis der lin­ken Ter­ro­ris­ten bil­de­te man die Avant­gar­de – „Frak­ti­on“ – eines zukünf­ti­gen „deut­schen Cong“, also eines kom­mu­nis­ti­schen Par­ti­sa­nen­heers, das den Kampf in die Metro­po­len tra­gen und dann das ver­haß­te „Sys­tem“ stür­zen sollte.

Selbst­ver­ständ­lich war die Vor­stel­lung absurd, aber unbe­streit­bar besaß die RAF einen erheb­li­chen Sym­pa­thi­san­ten­kreis. Des­sen Zusam­men­set­zung war nicht reprä­sen­ta­tiv, son­dern kopf­las­tig, das heißt je höher der Bil­dungs­grad, des­to wahr­schein­li­cher das Ver­ständ­nis oder dann die „klamm­heim­li­che Freu­de“ bei Anschlä­gen, wahl­wei­se gegen Sachen oder Menschen.

Aber es blieb selbst dort eine Ambi­va­lenz. Auch in der lin­ken Sze­ne gab es Hem­mun­gen, schwank­te man zwi­schen Revo­lu­ti­ons­ro­man­tik, Soli­da­ri­tät mit den „Genos­sen“ im Unter­grund und dem schlech­ten Gewis­sen und wuß­te man genau, daß die schwei­gen­de Mehr­heit die RAF für eine Ver­bre­cher­ban­de hielt.

Das Unbe­ha­gen erklärt auch, war­um 1980, nach dem Anschlag auf das Okto­ber­fest in Mün­chen wie den Bahn­hof von Bolo­gna, mit so tri­um­phie­ren­der Ges­te auf die ande­re Sei­te gewie­sen wur­de, und war­um die ton­an­ge­ben­den Medi­en sofort dar­an gin­gen, das Schreck­bild eines ganz Euro­pa umfas­sen­den „rech­ten“ Ter­ro­ris­mus aus­zu­ma­len, genährt durch die „Ein­sei­tig­keit“ des Kampfs der Behör­den gegen RAF, IRA, ETA, , Bri­ga­te Ros­se, Action Direc­te etc., gedie­hen auf einer immer noch faschis­ti­schen Men­ta­li­tät der Masse.

Die Hin­ter­grün­de der erwähn­ten Ter­ror­ak­te sind bis heu­te unge­klärt, sehr schnell gab es Hin­wei­se auf die Ver­wick­lung von Geheim­diens­ten. Unbe­streit­bar war in jedem Fall die Iso­la­ti­on der Täter, nir­gends exis­tier­te ein Milieu rele­van­ter Grö­ße, von dem sie Hil­fe, Nach­schub, Logis­tik erwar­ten durften.

Ob damals schon die For­mel „Brau­ne Armee Frak­ti­on“ ein­ge­führt wur­de, wäre zu prü­fen. Jeden­falls tauch­te sie seit Anfang der neun­zi­ger Jah­re regel­mä­ßig auf, ganz gleich, ob es um das FAP-Ver­bot ging, unor­ga­ni­sier­te frem­den­feind­li­che Aus­schrei­tun­gen, die Aus­he­bung neo­na­zis­ti­scher Kleinst­grup­pen oder den Ver­such, sich trag­fä­hi­ge Argu­men­te im „Kampf gegen rechts“ zu verschaffen.

Inso­fern ist das, was jetzt geschieht, nicht neu, so wenig wie der lin­ke Ver­such, aus dem Ent­set­zen poli­ti­schen Vor­teil zu schla­gen, sei es, daß man die Bür­ger­li­chen unter Gene­ral­ver­dacht stellt, sei es, daß man die Töp­fe der Anti­fa fül­len will. Die Manö­ver sind immer gleich durch­sich­tig und gleich unap­pe­tit­lich. Denn selbst­ver­ständ­lich kann jeder wis­sen, daß die Mör­der des „Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds“ nichts als Mör­der sind und nir­gends der Satz auf einer Wand ste­hen wird „NSU heißt dem Vol­ke dienen“.

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