Politik im Kreißsaal

Daß die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer nun recht unversehens die sogenannte Jamaika-Koalition...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

auf­ge­löst hat, ist das eine – Tages­po­li­tik, die uns Sezes­sio­nis­ten nicht über die Maßen inter­es­siert. Das mun­ter wech­seln­de Far­ben­spiel dünkt uns, grund­le­gend betrach­tet, als bläß­li­che Ein­heits­so­ße. Inter­es­sant ist, wie die Ver­lie­rer des eph­eme­ren Rand­spek­ta­kels, nament­lich die FDP, nun anläß­lich der Nie­der­la­ge nun in die Tas­ten der „Privatsphäre“-Klaviatur greifen.

Der Vor­sit­zen­de der FDP-Nach­wuchs­or­ga­ni­sa­ti­on Jun­ge Libe­ra­le, Las­se Becker, beklag­te sich bit­ter­lich, daß die Mel­dung vom Koali­ti­ons­bruch zeit­lich mit der Geburt von Lina Sophie zusam­men­fiel, der klei­nen Toch­ter des saar­län­di­schen FDP-Vosit­zen­den Oli­ver Luk­sic. Man hät­te damit doch auch einen Tag war­ten kön­nen, so Becker. Das unmensch­li­che Vor­ge­hen zei­ge “wie weit es bei der CDU mit dem C noch bestellt ist”.

Ah, das berühm­te „C“, hier genau wird also sein end­lich Feh­len deut­lich! Auch der neue FDP-Chef Patrick Döring zeig­te sich pikiert:

„Also zunächst muss man das Stil­emp­fin­den der Frau Minis­ter­prä­si­den­tin schon als merk­wür­dig emp­fin­den. Unser Lan­des­vor­sit­zen­der, der Kol­le­ge Luk­sic, befand sich bei der Ent­bin­dung sei­ner Frau im Kreißsaal.“

Für den betrof­fe­nen Luk­sic selbst darf man hof­fen, daß das Durch­ein­an­der von schö­ner und schlech­ter Nach­richt kein Geburts­trau­ma aus­lös­te: „Ich saß mit­ten im Kreiß­saal, als die SMS von Par­tei­freun­den ein­tra­fen, die mich frag­ten, was da los sei“.

Ich selbst ken­ne nun ganz ehr­lich weder einen Kreiß­saal von innen noch wüß­te ich genaue­res über die Tätig­keit eines Man­nes wäh­rend der Geburt, um so erstaun­ter fra­ge ich mich: Ist das so? Daß der Mann mit­ten im Kreis­saal hockt? Mit dem Tele­phon in der Hand? Auch noch ein­ge­hen­de Nach­rich­ten abru­fend? Wäh­rend die Frau sich her­um­quält und ver­mut­lich drin­gend den Bei­stand des Gat­ten wünscht – sonst wäre er ja nicht mit­ten im Kreißsaal?

Wir müs­sen anneh­men: So ist es, so war es in jenem Fall, höchst tra­gisch. Muß man nun dar­aus das ganz gro­ße „Privat-ist-Politik“-Ding machen, aus­ge­rech­net als Ver­tre­ter einer libe­ra­len Par­tei? Anschei­nend ist es en vogue, pri­va­te Umstän­de gel­tend zu machen. Chris­ti­an Wulff ist auch wegen sei­ner mut­maß­lich teu­ren Schei­dung so klamm, daß er auf Pri­vat­kre­di­te ange­wie­sen ist, Gut­ten­berg war zur Zeit der Abfas­sung sei­ner Dis­ser­ta­ti­on als „jun­ger Fami­li­en­va­ter“ gestreßt; wo soll das enden?

Ich weiß es und kann es Ihnen sagen – lei­der ruft gera­de mei­ne Toch­ter vom Trep­pen­haus her, sie hat sich anschei­nend den Fuß ver­staucht. Schlech­tes Stil­ge­fühl und unchrist­lich, wenn ich, noch dazu als klei­nes Licht ohne poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung, hier noch län­ger argu­men­tie­re würde…

Frau Kramp-Kar­ren­bau­er übri­gens fühl­te sich von der Stil­kri­tik nicht son­der­lich getrof­fen und blick­te zwi­schen ihren wuch­ti­gen Bril­len­bü­geln erstaun­lich klar und hoff­nungs­froh in die Zukunft: »Die­se Sezes­si­on wird span­nend wie nie zuvor!«, rief sie ihren fre­ne­tisch applau­die­ren­den Zuhö­rern am Sonn­tag zu. Und: da hat­te sie recht!

Mag aber sein, wir hät­ten uns ver­hört. Hät­te sie etwa „Ses­si­on“ gemeint und die Kar­ne­va­lis­ten anspre­chen wollen?

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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