Liebe Mely Kiyak!

Liebe Mely Kiyak,
Ihre große Aufregung hat Ihnen einen wütenden Brief in die Feder diktiert, der eventuell schwer zustellbar sein dürfte.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Er ist an den „lie­ben deut­schen Nazi“ gerich­tet. „Lieb“ mögen sie so iro­nisch gemeint haben wie den Ort der Ver­öf­fent­li­chung ihres Schrei­bens; die­se Neo­na­zis (die sie wohl mei­nen) lesen mit eini­ger Sicher­heit nicht die Frank­fur­ter Rund­schau. Ande­rer­seits: Sie wol­len offen­kun­dig auch gar nicht jene Unan­sprech­ba­ren anspre­chen, son­dern deren „Duld­er“, qua­si alle Restdeutschen.

Wir haben kapiert: Sie mögen die Nazis nicht. Sie füh­len sich mit die­ser Anti­pa­thie qua­si allein in die­ser Repu­blik, in der es nach ihrem Kennt­nis­stand „vor­treff­lich“ sein muß, „mit Neo­na­zis zu sym­pa­thi­sie­ren“. Das erken­nen sie dar­an, daß Sie, Mely, auf ihrem ver­lo­ren-heroi­schen Außen­sei­ter­pos­ten inmit­ten von „vom Mos­lem­hass zer­fres­se­ner Bil­dungs­bür­ger“ leben, die mit ihren Talk­shows und durch ihre Zei­tungs­schlag­zei­len „eine ein­zi­ge, Jahr­zehn­te andau­ern­de Well­ness­kur für rech­ten Geist und Gesin­nung“ praktizieren.

Sie erken­nen es wei­ter dar­an, daß es hier­zu­lan­de „all­täg­lich“ sei, daß „Men­schen, die nicht blond und blau­äu­gig sind, ange­pö­belt und ver­prü­gelt wer­den“; dar­an, daß hier nie­mand „in Poli­tik und Wirt­schaft“ einen „Kar­rie­re­knick“ zu befürch­ten hat wegen „Mos­lem­hass und Aus­län­der­feind­lich­keit“. Das liegt in Ihren Augen dar­an, daß das Bar­ba­ren­tum so „tief ver­wur­zelt“ sei wie der Rassismus.

Gna­den­rei­ches Wun­der, daß aus­ge­rech­net Sie, als weder blon­des noch blau­äu­gi­ges Fräu­lein mit tür­ki­schen Wur­zeln in die­sem Land der „Men­schen­has­ser“ Kolum­nen fül­len dür­fen! Stolz auf die­se kaput­te Repu­blik mit sei­nem „schein­hei­li­gen Gedenk­mi­nü­teln“ wären Sie nur, wenn Sie eine Nazi­braut“ wären, nur dann näm­lich sähen Sie Grund, in die­sen Zei­ten „vol­ler Stolz“ zu rufen: „Hey, Län­der die­ser Erde, schaut auf unse­re Republik!“

Sie sind aber kei­ne die­ser Nazi­bräu­te, son­dern nur eine arme, sich mit Sti­pen­di­en und Theo­dor-Wolff-Preis und diver­sen Tätig­kei­ten für Zei­tun­gen, Maga­zi­ne und die Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung durch­han­geln­de Schreiberin.

Nur, um noch­mal zu reka­pi­tu­lie­ren, was Sie sum­ma sum­ma­rum fordern:
+ Köp­fe müs­sen rollen.
+ Die Schul­bü­cher müs­sen umge­schrie­ben wer­den (inwie­fern genau eigentlich?).
+ Poli­ti­ker sol­len end­lich, wenigs­tens ein­mal, „aus­flip­pen“ gegen „Skin­heads“ und „Kra­wat­ten­trä­ger“ und all jene Mas­sen, die „rechts­extrem den­ken und links leben“ in die­sem has­sens­wer­ten „frei­en Land für freie Nazis“.
+ Das deut­sche Volk muß (noch ein­mal, jetzt gründ­lich) umer­zo­gen werden.

Dies alles ein­mal umge­setzt: Wären Sie dann glück­lich & zufrie­den – zwi­schen all den rol­len­den Köp­fen ihrer Mit­bür­ger? Aber die­se Fra­ge über­for­dert Sie gewiß. Sie haben zunächst ein­mal Ihr Bes­tes getan, blei­ben Sie bit­te so klug, mutig und originell.

Mit bes­ten Grü­ßen in Ihre hoch­in­ter­es­san­te Parallelwelt
Ihre Ellen Kositza

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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