Rettungspäckchen für Alice Schwarzers FrauenMediaTurm

Uns umtosen derzeit Meldungen über Summen, mit denen wir nie gerechnet haben. Wieviele Nullen federn noch mal den Rettungsschirm...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

für Grie­chen­land ab? Die Nul­len, die nun dem Frau­en­Me­dia­Turm (FMT), einem Stif­tungs­pro­jekt von Ali­ce Schwar­zer, ange­wie­sen wur­den, sind eini­ger­ma­ßen bere­chen­bar. 600.000 Euro hat Kris­ti­na Schrö­der – für alle Sei­ten über­ra­schend – als För­de­rungs­sum­me dem femi­nis­ti­schen Archiv zuge­sagt, je 150.000 Euro für die Dau­er von vier Jahren.

Wes´ Brot ich ess, des´ Lied ich sing – die­se Weis­heit aus Zei­ten des Min­ne­sangs bean­sprucht in unse­ren Zei­ten längst kei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge Wahr­heit mehr.

Mit Blick auf Ret­tungs­pa­ket- und päck­chen mag der alte Spruch heu­te zu einem selbst­er­ge­be­nen Rap trans­for­miert wer­den: „Wenn sie auch mei­nen Namen schän­den – für sie soll´s den­noch glimpf­lich enden.“ In Grie­chen­land flammt ein nie gekann­ter Deut­schen­haß auf, der­weil unser Land für die Abwra­cker groß­zü­gig bürgt; und hier­zu­lan­de ret­tet die Fami­li­en­mi­nis­te­rin, noch vor kur­zem von Ali­ce Schwar­zer in einem ihrer berüch­tig­ten offe­nen Brie­fe als „hoff­nungs­lo­ser Fall. Schlicht unge­eig­net“ beschimpft, mit Steu­er­gel­dern ein Pro­jekt der Kanzlerfreundin.

Dar­um geht es: Vor eini­gen Wochen hat­te die Grü­ne NRW- „Eman­zi­pa­ti­ons­mi­nis­te­rin“ Bar­ba­ra Stef­fens den öffent­li­chen „Zuschuß“ zu Schwar­zers in Köln ansäs­si­gem Medi­en­ar­chiv von jähr­lich 210.000 Euro auf 70.000 Euro gekürzt.

Jener Frau­en­Me­dia­Turm zählt seit Jahr­zehn­ten zu den Her­zens­an­lie­gen von Frau Schwar­zer, die 1994 in dra­ma­tisch-gerühr­ter Ton­la­ge feierte,

„daß aus­ge­rech­net bewuß­te Frau­en “einen Turm für sich allein” haben. Denn nicht nur die Schrift­stel­le­rin­nen frü­he­rer Zei­ten schrie­ben ihre Wer­ke auf dem Küchen­tisch oder dem Damen­schreib­tisch im gemein­sa­men Schlaf­zim­mer… Män­nern aber gehört die Welt: von der Eck­knei­pe über den Fuß­ball­platz und die Chef­eta­ge bis hin zum Par­la­ment. Doch Raum für Frau­en? Raum, in dem Frau­en für sich sein kön­nen, allei­ne oder mit ande­ren Frau­en? Raum, in dem Nach­den­ken, Besin­nung oder Mit­ein­an­der mög­lich ist? Raum, in dem Frau­en gar das Sagen haben?“

Schwar­zer weiter:

„Daß die nöti­gen Mit­tel da waren, ist Jan Phil­ipp Reemts­ma zu ver­dan­ken, der 1983 eine gene­rö­se finan­zi­el­le Start­hil­fe [läp­pi­sche 10 Mil­lio­nen Euro laut FAZ, E.K]. gab und die gemein­nüt­zi­ge Stif­tung mit einem Grund­ka­pi­tal sowie Mit­teln für die Auf­bau­pha­se aus­stat­te­te. Ent­stan­den war die Idee bei unse­rer gemein­sa­men Initi­ie­rung des “Insti­tuts für Sozi­al­for­schung” in Ham­burg. Ich gehör­te zu der Grup­pe poli­tisch enga­gier­ter Intel­lek­tu­el­ler, die das Kind mit aus der Tau­fe hoben. Spä­tes­tens da wur­de mir schmerz­lich klar, daß es für Frau­en noch nicht mal die rudi­men­tärs­ten Grund­la­gen zur For­schung gab: kei­ne Fach­bi­blio­thek, kei­nen Hort des Wis­sens, wenig Vor­aus­set­zung zum Wei­ter­den­ken…(…). Nach dem heu­ti­gen For­schungs­stand müs­sen wir davon aus­ge­hen, daß die Domi­nanz der Män­ner schon seit Jahr­tau­sen­den währt und es nur weni­ge begrenz­te Aus­nah­men von wirk­li­cher Gleich­heit oder gar Frau­en­über­macht gab. Umso bemer­kens­wer­ter ist es, daß Frau­en trotz­al­le­dem nie wirk­lich resi­gniert haben.“

Nun also stand Schwar­zer und ihren Mit­for­sche­rIn­nen also qua Mit­tel­kür­zung der „Tod“ vor den Augen. Der Frau­en­Me­dia­Turm, des­sen Nut­zung nach Vor­anmel­dung gegen ein Ent­gelt von 5 Euro mög­lich ist, hät­te so gera­de mal die Betriebs­kos­ten schul­tern können.

Einen „Skan­dal“ nann­ten das Schwar­zer und ihre nicht unbe­deu­ten­de Unter­stüt­zer­rie­ge mit Gesäß­schwer­punkt in der BILD und der FAZ; letz­te­res „bür­ger­li­ches“ Medi­um pla­zier­te gar meh­re­re Kla­ge­ar­ti­kel („Mut­ter­mord!“) zum Thema.

Mit den bis­he­ri­gen Gel­dern waren ein­schlä­gi­ge wis­sen­schaft­li­che sowie popu­lä­re Bücher (Frauenbiographien,Frauenfragen, Geschich­te der “Bewe­gung”) und jour­na­lis­ti­sche „Arbei­ten“ zu frau­en­recht­le­ri­schen Pro­jek­ten (etwa zur ange­streb­ten Strei­chung der Abtrei­bungs­pa­ra­gra­phen und zum post­fe­mi­nis­ti­schen Gen­der­um­bau) erwor­ben und ein Archiv­be­trieb finan­ziert wor­den. Andre­as Ross­mann erhob in der FAZ den Zei­ge­fin­ger gegen die Kürzerinnen:

„Die För­der­mit­tel des Lan­des hat der FMT nicht ohne Gegen­leis­tung erhal­ten: Seit 2009 nimmt er am Hoch­schul­bi­blio­theks­zen­trum (HBZ) teil, an das er sei­ne kom­plet­ten Bestands­da­ten gelie­fert hat, so dass sie on-line ver­füg­bar gemacht und an die Fern­lei­he ange­schlos­sen wer­den konn­ten. Auch alle Jahr­gän­ge der 1977 von Ali­ce Schwar­zer gegrün­de­ten Zeit­schrift „Emma” wur­den digitalisiert“.

Eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che win-win-Situa­ti­on also, die nun bei­na­he flö­ten gegan­gen wäre.

Auch Jan Fleisch­au­er, der ver­meint­li­che Rechts­aus­la­ger von Spie­gel-online, sekun­dier­te den Empör­ten und bewarb die Ver­diens­te der auch inner­halb des femi­nis­ti­schen Spek­trums nicht unum­strit­te­nen Turmmutter:

Was hat Ali­ce Schwar­zer sich zu Schul­den kom­men las­sen? Sie hat sich nie das Maul ver­bo­gen, auch wenn es um den Teil des poli­ti­schen Spek­trums ging, der sich selbst als pro­gres­siv emp­fand. Das ist das Ver­ge­hen, für das sie nun zur Rechen­schaft gezo­gen wird. Schwar­zer hat es den Grü­nen nie leicht gemacht, das ist wahr. Sie hat sich früh über die “Blut-und-Boden-Frak­ti­on” der Öko­par­tei lus­tig gemacht und deren “Strick­müt­ter”.

Daß nun aus­ge­rech­net Kris­ti­na Schrö­der ihr Minis­te­ri­um in die finan­zi­el­le Bre­sche sprin­gen läßt, ist ein ful­mi­nan­ter Trep­pen­witz.  Es gibt reich­lich femi­nis­ti­sche Lite­ra­tur über die­sen Typus Frau, der sich prü­geln läßt, sich unter Schmer­zen win­det  und doch  immer wie­der – bedin­gungs­los! – vol­ler Ver­ständ­nis zurück­kehrt zum Missetäter.

Ali­ce Schwar­zer, die der Minis­te­rin seit Amts­an­tritt immer wie­der eine „anti-femi­nis­ti­sche Null-Poli­tik“ unter­stellt hat, in ihrer Emma auf dem als reak­tio­när gebrand­mark­ten Namens­wech­sel (durch Hei­rat von Köh­ler zu Schrö­der) her­um­ha­cken und im ver­gan­ge­nen Jahr „sati­risch“ höh­nen ließ, die Minis­te­rin wer­de „erst ein­mal in Ruhe ihre Dril­lin­ge zur Welt brin­gen und hat, wie ver­lau­tet, für jedes ein­zel­ne Kind bereits je ein Jahr Eltern­ur­laub bean­tragt“, fin­det die Geld­sprit­ze „ der Bun­des­mi­nis­te­rin für Frau­en [ ! war da noch mehr?] , Dr. Kris­ti­na Schrö­der“ nun „echt souverän“.

Noch vor gut einem Jahr hat­te Schwar­zer der jun­gen Fein­din emp­foh­len: „Viel­leicht soll­ten Sie Pres­se-Spre­che­rin der neu­en, alten so medi­en­wirk­sam agie­ren­den, rechts­kon­ser­va­ti­ven Män­ner­bün­de und ihrer Sym­pa­thi­san­ten werden.“

Frau Dr. Minis­te­rin ist die­sem Rat­schlag nicht gefolgt und begrün­det ihre groß­zü­gi­ge Hil­fe nun mit

 „Freu­de und Über­zeu­gung, denn bei der För­de­rung von Pro­jek­ten geht es nicht um die Über­ein­stim­mung in jeder Ton­la­ge oder Argu­men­ta­ti­ons­wei­se, son­dern um den Grund­kon­sens, dass wir bedeu­ten­de Zeug­nis­se die­ser bedeu­ten­den Bewe­gung als Gesell­schaft erhal­ten, unter­stüt­zen und befördern“.

Brav übers Stöck­chen gesprun­gen! „Bedeu­ten­des erhal­ten“ und artig in den „Grund­kon­sens“ ein­stim­men: End­lich zeigt mal eine, was Ursu­la von der Ley­en mit „kon­ser­va­ti­vem Femi­nis­mus“ meinte!

Als Schwar­zer 1994 den FMT eröff­ne­te, beschrieb sie poe­tisch ihre Gefüh­le, als moder­ne Sisy­phae tätig zu sein:

„Seit ich mich mit der Geschich­te von Frau­en beschäf­ti­ge, drängt sich mir ein Bild auf: Das Bild eines klei­nen Sand­hau­fens am Meer, der, müh­sam auf­ge­schich­tet, immer wie­der von gewal­ti­gen Wel­len weg­ge­spült wird. Und dann geht es wie­der von vor­ne los mit dem Aufschichten…“

Bil­li­ge Asso­zia­tio­nen zu den klei­nen Hau­fen sowie zu den größ­ten („der Teu­fel…“) spa­re ich mir an die­ser Stelle.

 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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