ebenfalls gelesen und komme zu einem anderen Ergebnis: Hier hat einer zu lange im eigenen Saft geschmort.
Norbert Borrmann war bisher für sezierende kunst- und kulturgeschichtliche Betrachtungen bekannt. Sein Band über Architektur und Ideologie im 20. Jahrhundert ist vielen erinnerlich. Nun folgt also “Warum rechts?” Man denkt: Nicht noch ein anklagender Schinken übers Rechtssein mit obligatorischem Caspar David Friedrich auf dem Deckel! Nicht noch eine Streitschrift!
Doch Vorsicht: Zunächst zeichnet er mit buchhalterischer Genauigkeit die Unmöglichmachung alles Rechten in der BRD nach, besonders in den letzten zwanzig Jahren. Präzise ackert er sich durch alle denkbaren Erscheinungsformern der Diskriminierung und illustriert, was er „totale Demokratie“ nennt.
Mit zunehmender Seitenzahl schimmert aber die Sollbruchstelle durch: Nach und nach verfällt Borrmann in den Ton des saturierten und enttäuschten BRDlers und wettert gegen alles Linke in Politik, Medien und Gesellschaft. Darauf folgt ein kurzer Absatz, der jeweils klären soll, warum es nur die Rechten besser können. Das klingt, als schriebe er die Revolution herbei.
Rechts ist da ausschließlich denkbar im Kontrast zu links und bedeutet schlicht: Die Wahrheit sagen. Eine Definition von „rechts“ aus sich heraus nimmt er nicht vor. So zerfallen die Zusammenhänge: Borrmann schichtet Fakten auf zu einer unüberschaubar diffusen Masse. Das heutige Dilemma begründet er damit (irgendwie) rein ideologisch.
Trotz zahlreicher Verweise auf Marx vergißt er die Basis des Überbaus – die Ökonomie. Er vernachlässigt die Selektionswirkung der zunehmenden Dogmatisierung des Alltagslebens aus wirtschaftlicher Hinsicht: Das Unterscheiden in gute und böse Bürger dient vielmehr zur Verteilung knapper werdender Wirtschaftsgüter. Statt dessen hebt er die Hände gen Himmel und fragt, wo denn die rechten Köpfe bleiben. Ebenso benennt er nicht, daß der Opportunismus und die Passivität der Bevölkerung ökonomisch begründbar sind: wer rechts ist, ist oft auch raus.
Die Bedeutung des Internets, das er programmatisch „Weltnetz“ nennt, kann er mangels Kenntnissen nur erahnen. Wegen seines DDR-Hasses fällt ihm die Rolle Mitteldeutschlands als Reservat nicht auf. Den Islam als Hauptfeind macht er ausfindig, doch fällt ihm seine Christen- und Judenfeindlichkeit auf die Füße. Jesus war für ihn ein Linksextremist.
Die Attitüde eines seit Jahren im Saft geschmorten Anti-Linken bedingt so ein veraltetes Bild der heutigen Rechten. Die Sehnsucht nach der guten alten Wirtschaftswunderidylle kann nicht die Lösung sein.
Besonders schmerzlich ist, daß es Borrmann nicht gelingt, rechte Positionen grundlegend zu unterscheiden. Es soll nur eine sich bekennende Rechte geben. Deswegen die Forderung nach Solidarität mit rechtsaußen. Die Konservativen kommen da schlecht weg: „Rechts sorgt für Beunruhigung – konservativ aber nur für ein freundliches Gähnen.“