… mit einem einzigen Begriff verbunden, dem der Phänomenologie. Weil er seine Phänomenologie selbst als die Grundwissenschaft betrachtete, hat sich Husserls selbstgesteller Anspruch damit erfüllt. Der Begriff selbst findet sich in der deutschen Philosophie seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Bedeutungen.
Erst Husserl hat ihn zur „Wesenswissenschaft” (in den Ideen, 1913) erhoben und damit die gesamte Philosophie des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflußt, seien es Scheler und Heidegger oder Sartre und Merleau-Ponty. Immer werden einzelne Aspekte aus Husserls Überlegungen weitergeführt. Letztendlich handelt es sich um eine Methode, den Weg zu den Erscheinungen selbst frei zu machen, ohne durch unser immer schon feststehendes Urteil behindert zu werden. Doch diese Welt der Erscheinungen ist nicht die (objektive) Welt wie sie ist, sondern die, wie sie uns durch „intentionale Erlebnisse” erscheint. Damit hat Husserl ein ganz neues Nachdenken über unsere Erkenntnis ermöglicht.
Der ähnlich erflogreiche Begriff der „Lebenswelt”, den er auch nicht erfunden aber geprägt (in der Krisis der europäischen Wissenschaften, 1936) hat, ist Allgemeingut geworden, ohne daß damit sofort Husserl assoziiert würde. Er meint, die von uns vorgefundene natürliche Welt, die Grundlage unseres Denkens und damit den Ausgangspunkt unseres Denkens, über den uns die Phänomenologie gleichsam hinaushebt.
Husserl starb am 27. April 1938 in Freiburg nachdem er als Jude die üblichen Ausgrenzungen hinnehmen mußte. Nach 1945 hat man seinen berühmtesten Schüler, Heidegger, dafür verantwortlich gemacht. Die Person Husserls spielte dabei gar keine Rolle mehr, man wollte nur die Philosophie Heideggers erledigen, moralisch natürlich. In seinem Nachwort (1930) zu den Ideen (das eine gute Einführung in das schwierig zu lesende Werk Husserls bietet) hat er darauf selbst die Antwort gegeben:
Im übrigen halte ich an meiner alten Überzeugung fest, daß es in Sachen der Wissenschaft weniger auf Kritik denn auf getane Arbeit ankommt, die schließlich standhält, wie viel sie mißverstanden und wie oft an ihr vorbei argumentiert werden mag.