Daniel Erk, dem Mann mit Jungengesicht und Vollbart, ist mit seinem Mono-Sujet, dem Mann mit dem fiesen Gesicht und dem kleinen Bart, noch ein Weiteres passiert: Er, Erk, läuft seine Strecke nun etappenweise rückwärts!
Obwohl (und zugleich weil!) diese Richtungswechsel oder Volten so verwirrend sind, hat der junge Journalist sich für sein Büchlein einen Ehrenpokal verdient. Erk betreibt seit 2006 auf den Online-Seiten der taz den Hitler-Blog. Hier kommentiert er mit spitzer Feder Hakenkreuze, Hitlerbärtchen und Auschwitzanalogien in Werbung, Kabarett und internationalen Schlagzeilen.
Hitler gilt ihm als »GröPaZ«, als größter Popstar aller Zeiten, und freilich meint Erk diese Wertung kritisch. Die ikonographische Anwendung von Bärtchen, Scheitel und anderer Embleme mit NS-Bezug pflegt und dekonstruiert den Hitlermythos zugleich. Die endgültige Zerstörung dieses Mythos – »das ist die Aufgabe des Hitler-Blogs«, so heißt es programmatisch auf der Netzseite. Hitler soll gewissermaßen ad absurdum geführt werden.
Nur: Sollen wir ihn nun auslachen, uns selbst totlachen, oder soll uns das Lachen als Würgebrei im Halse steckenbleiben? Erk eiert und laviert, er findet keine klare Position. Mahnend heißt es nun, durch die sorglose Omnipräsenz des Diktators, der als das personifizierte Grauen gilt, werde die Zeit des Nationalsozialismus banalisiert und die eigentliche Gefahr des Faschismus unterschätzt; das Schreckliche verliere seinen Schrecken. Andererseits konstatiert Erk klug, daß in Zeiten, in denen »Trauer zu Rhetorik« geworden sei und man »bestimmte bürgerliche Versionen des Antifaschismus vorgesetzt« bekomme, »Satire und Zynismus zu Mechanismen der Notwehr« geworden seien.
Erk präsentiert seine ungezählten Fundstellen, er analysiert die Hitlerei in Filmen, Cartoons und Liedern mal scharfsinnig, mal großspurig, mal im Ton demütiger Schüchternheit (etwa, wenn er fürchtet, von Geistesgrößen wie Michel Friedman und Henryk M. Broder argumentativ zermalmt zu werden). Wo sein Hitler-Blog beinahe eine eigene Kunstform darstellt, so ist sein Buch (mit dem passenderweise länglichen Titel) bei aller Unentschiedenheit im bewertenden Zugriff immerhin diskussionswürdig und, ja, witzig. Dafür sorgen nicht zuletzt die zahlreichen Abbildungen, die als Belegstellen fungieren und von denen ein Bildwitz hier beschrieben sei: Mit kindlich-naivem Strich ist ein artiges Wandererpärchen vor einer Hochgebirgskulisse gezeichnet. Sagt sie angesichts des Panoramas: »Unvergleichlich.« Schränkt er ein: »Außer mit Hitler vielleicht.«
Daniel Erk: So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist, München: Heyne 2012. 237 S., 9.99 €