Eine solche Strategie wäre aus ihrer Sicht zweischneidig. Zwar beruft sich Breivik unter anderem auf Gedankengut, das in der Counterjihad-Szene weit verbreitet ist und speziell über die Blogs »Gates of Vienna« (www.gatesofvi-enna.blogspot.com) und »The Brussels Journal« (www.brusselsjournal.com) kommuniziert wird. Insbesondere den brillanten norwegischen Essayisten Fjordman zitiert er mit besonderer Ausführlichkeit, und es gibt erste Versuche, Fjordman als geistigen Vater der Anschläge von Oslo zu diffamieren (»Der Attentäter im Internet. Im blinden Haß gegen Haß«, faz.net, 25. Juli 2011 oder auch »Anders Breivik. Der Attentäter und die Haßblogger«, spiegel.de, 24. Juli 2011).Solche Zusammenhänge herauszustreichen hieße jedoch zugleich, die Aufmerksamkeit des Publikums auf Autoren wie eben Fjordman zu lenken, deren Analysen bei weitem treffender und fundierter sind als das, was dem deutschen Medienkonsumenten sonst zugemutet wird. Es hieße, die Strategie des Totschweigens aufzugeben, mit der bisher jede Grundsatzkritik an etablierter Ideologie und Politik wirksam ausgebremst worden ist. Es hieße, die Deutungshoheit zu riskieren.
Die Zusammenhänge, die man kennen muß, um das Massaker von Oslo sinnvoll einzuordnen, sind komplex. Sie sind komplexer als das dümmliche Klischee von der »Haß-Ideologie«, die zwangsläufig ein Monster wie Breivik habe hervorbringen müssen. Sie sind aber zugleich komplexer als die These vom verrückten Einzelnen, der sich bloß zufällig in die Counterjihad-Szene verirrt habe. Ja, Breivik ist ein Irrer. Wer seine Selbstdarstellungen liest, in der er sich zum Retter der europäischen Kultur stilisiert, zum edlen Ritter, zum Helden, dessen Taten die Nachwelt feiern werde, erkennt, daß er nicht zufällig gerade zum Mittel des Amoklaufs gegriffen hat. Etliche Amokläufer haben sich, wie er, vor ihrer Tat in solch bizarre Größenphantasien hineingesteigert, in eine nur ihnen zugängliche Traumwelt, in der ihnen der schreiende Widerspruch zwischen ihrem heroischen Selbstbild und der Ermordung wehrloser Kinder nicht mehr auffallen konnte. Es spricht Bände, daß das Phänomen des Amoklaufs, ausgehend von den USA, gerade seit der Kulturrevolution der sechziger und siebziger Jahre mit wachsender Häufigkeit die westlichen Gesellschaften heimsucht. Eine Gesellschaft, die Identitäten, ja sogar das Konzept »Identität« selbst, zum Gegenstand ihrer dekonstruktivistischen Jo-Jos macht, nimmt in Kauf, daß der Einzelne, allein gelassen in seiner Suche nach dem Selbst, sich Selbstbilder zusammenphantasiert. Eine Gesellschaft, die das Normale pathologisiert und bereits im Begriff der »Normalität« nur die »Intoleranz« gegenüber dem Abweichenden wittern kann, nimmt Abweichungen bis hin zur Monstrosität in Kauf. Eine Gesellschaft, die keine Grenzen zu setzen wagt, erzeugt Menschen, die auf der Suche nach Grenzen jede Grenze hinter sich lassen. Die Figur des Amokläufers ist Produkt und Spiegelbild eines amok-laufenden Liberalismus (sehr empfehlenswert: Götz Eisenberg, Reimer Gronemeyer: Amok – Kinder der Kälte. Über die Wurzeln von Wut und Haß, Reinbek 2000).Wer einer Tat wie der von Breivik irgendein politisches Kalkül unterzuschieben versucht, ist von vornherein auf dem Holzweg; allenfalls hat der Täter seinen Drang zur Gewalttat zu rationalisieren versucht. Andererseits aber ist es auch kein Zufall, daß er sich zu dieser Rationalisierung gerade beim Gedankengut der Counterjihad-Szene bediente. Dieses Gedankengut ist alles andere als irrational.
Es ist nicht irrational, festzustellen, daß die politischen, medialen und »wissenschaftlichen« Eliten praktisch aller westlichen Länder sich einer Utopie verschrieben haben, nämlich der »One World«-Utopie, die uns von ihren Ideologen als ein Paradies der Harmonie, des Friedens, der Gerechtigkeit und Toleranz verkauft wird. Die Wahrheit ist freilich häßlicher: Es geht um die Abschaffung von Völkern, von gewachsenen Kulturen, von Nationalstaaten, von Demokratie, von individueller Freiheit. Dies ist keine Verschwörungstheorie, es ist offizielle Politik. Wer den Nebel aus ideologischen Phrasen beiseite pustet, in den diese Politik sich hüllt, und sie auf ihren rationalen Kern zurückführt, erkennt, wohin die Reise geht.
Selbstredend geschieht all dies nur im Namen des »Guten«. Und da der, der sich dem »Guten« widersetzt, zwangsläufig ein »Böser« sein muß, kennt diese Ideologie und kennen ihre Verfechter keine Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Da die Menschen, welche die Auswirkungen etwa des Multikulturalismus am eigenen Leibe zu spüren bekommen, der Verwirklichung dieser Ideologie Widerstand leisten – weil sie wissen, daß sie in einen Alptraum aus Chaos, Gewalt und Verfall münden wird –, wird ihr Widerstand gebrochen: durch Rede- und Denkverbote, durch allgegenwärtige Propaganda, durch Zensur, durch Entmachtung der demokratischen Nationalstaaten, und immer wieder: durch Gewalt.
Wer behauptet, Terrorismus sei schon deshalb verwerflich, weil man in einer Demokratie doch die Freiheit habe, mit friedlichen Mitteln für seine Auffassungen zu werben, lebt nicht auf diesem Planeten. Er lebt in einer von den Medien erzeugten Traumwelt, in der die tatsächlich praktizierte systematische Ausgrenzung und Entrechtung des Andersdenkenden entweder nicht vorkommt oder als moralischer Triumph im »Kampf gegen Rechts«, die Orgie antidemokratischer Intoleranz in Orwellscher Manier als Kampf für die Demokratie verkauft wird.
Jede grundsätzliche Opposition gegen die Politik der Masseneinwanderung und Islamisierung, gegen die Ausplünderung des Steuerzahlers, gegen Entdemokratisierung und Supranationalisierung wird in einem Katarakt aus Lügen, Verdächtigungen und Verleumdungen ersäuft, und dies nicht obwohl, sondern weil allgemein bekannt ist, daß diese Opposition in allen europäischen Ländern die Meinung der Volksmehrheit wiedergibt. Diese Mehrheit soll keinen politischen Kristallisationskern finden, sie soll politisch nicht vertreten sein. Darum geht es beim »Kampf gegen Rechts«, und dies ist die Agenda der gesamten etablierten Medien, der etablierten Parteien, aller gesellschaftlichen Großorganisationen und einer fälschlich »Wissenschaft« genannten Ideologiefabrik.
Der Zorn, der sich in der konservativen, anti-globalistischen, islamkritischen Szene aufgebaut hat, richtet sich nicht gegen den Islam. Daß hier »Rassisten« aus »Haß« gegen Fremde oder auch gegen den Islam handeln würden, ist eine kalkulierte Propagandalüge. Der Zorn, meinetwegen auch der Haß, richtet sich gegen ein Kartell von Machthabern, die unter Mißachtung aller demokratischen Spielregeln und unter Verrat an ihren Völkern in einem kalten Staatsstreich die Zukunft unserer Kinder und Enkel ihrer verblasenen Ideologie und ihren nichtigen, selbstsüchtigen Eigeninteressen opfern!
Ja, es stimmt, der Zorn in der oppositionellen Szene, speziell bei den Counterjihadisten, ist enorm. Er ist so enorm, daß es, rückblickend gesehen, nur eine Frage der Zeit war, wann der Erste die Nerven verlieren und zur Gewalt greifen würde, und es ist keine große Überraschung, daß dieser Erste ein Psychopath ist. Eine zorn-geladene Szene zieht zwangsläufig auch Psychopathen an.
Dieser Zorn ist aber, wenn wir vom Attentäter selbst absehen (der vermutlich nur ein Ventil und ein Vehikel suchte) und statt dessen die gesamte Szene betrachten, nicht der Zorn von Menschen, die einer »Haß-Ideologie« anhängen würden, sondern von solchen, die in normalen Zeiten die Stützen der Gesellschaft wären, aber feststellen müssen, daß diese Gesellschaft von ihren eigenen Eliten verraten und vernichtet wird.
Diese Eliten stehen jetzt vor der Wahl, ob sie die katastrophalen Ergebnisse ihrer eigenen Politik analysieren, die immer verzweifelteren konservativen Warnungen vor dem drohenden Bürgerkrieg endlich zur Kenntnis nehmen, sich mit den Argumenten ihrer Kritiker auseinandersetzen und ihre Politik gegebenenfalls korrigieren wollen; oder ob sie fortfahren, den Überbringer der schlechten Nachricht für deren Inhalt, mithin den Kritiker des Multikulturalismus für dessen Konsequenzen verantwortlich zu machen und im »Kampf gegen Rechts« noch das letzte bißchen demokratischer Substanz zu opfern, das den schon längst nicht mehr »offenen Gesellschaften« Europas verblieben ist. Sollten sie sich für letzteres entscheiden, so läßt sich mit mathematischer Sicherheit vorhersagen, daß Breivik nicht der letzte Terrorist war, den die oppositionelle Szene hervorgebracht hat. Der nächste wird dann, wie übrigens die meisten Terroristen, kein Psychopath mehr sein.