Matze Schweighöfer ist MRR

Daß Schauspieler nicht besonders helle sind (Ausnahmen gibt es natürlich), dürfte bekannt sein.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Schließ­lich tun sie das, was der Regis­seur ihnen sagt, was das Dreh­buch vor­gibt. Sie sol­len nicht den­ken, son­dern spie­len. Frü­her war das kein Pro­blem, weil man den Schau­spie­ler nur auf der Büh­ne oder im Film sah. Nie­mand wäre auf die Idee gekom­men, von einem Schau­spie­ler so etwas wie die Deu­tung der Welt zu erwar­ten. Das ist heu­te anders.

Vor mir liegt die Jüdi­sche All­ge­mei­ne, die den Rani­cki-Film zum Anlaß genom­men hat, Mat­thi­as Schweig­hö­fer zu inter­view­en, weil er MRR in den Jah­ren zwi­schen 1938 und 1948 spielt. Auf die Fra­ge, wie es sei einen noch leben­den, gefürch­te­ten Kri­ti­ker zu spie­len, ant­wor­tet er:

Auf­re­gend, denn ich wuß­te: Am Ende bekom­me ich sei­ne Mei­nung zu hören. Ich war gespannt, ob es mir gelin­gen wür­de, den Men­schen Mar­cel Reich-Rani­cki schau­spie­le­risch zu tref­fen. Es war mir sehr wich­tig, daß es ihm gefällt.

Hat er jemals befürch­tet, daß Rani­cki sein Spiel ver­nich­tend kri­ti­sie­ren könnte?

Nein. Ich habe gemerkt, daß er dem Pro­jekt wohl­wol­lend gegen­über­steht. Wir haben mein Spie­len gemein­sam vor­be­rei­tet und dar­über gespro­chen, was er sehen will.

Daß Rani­cki das gefal­len hat, dürf­te viel­leicht weni­ger mit Schweig­hö­fer als mit der Tat­sa­che zu tun haben, daß der Film Rani­ckis Erin­ne­run­gen “Mein Leben” als Vor­la­ge nimmt. Die wei­ßen Fle­cken (als MRR zwi­schen 1944 und 1949 Kar­rie­re im pol­ni­schen Sicher­heits­dienst mach­te) in der Bio­gra­phie, über die der Welt-Jour­na­list Ger­hard Gnauck gera­de ein Buch ver­öf­fent­licht hat, blei­ben dabei ausgespart.

Schweig­hö­fer weiß auch, was im Inter­view von ihm erwar­tet wird. Etwas Tief­sin­ni­ges, da hier ja alles zusam­men­kommt: der Schuld­stolz des deut­schen Schau­spie­lers, die Freu­de der Jüdi­schen All­ge­mei­nen auch mal einen jugend­li­chen Star im Inter­view zu haben und die ent­rück­te Jahr­hun­dert­ge­stalt MRR. Also, was ist Schweig­hö­fer “beson­ders zu Her­zen” gegangen:

Wir haben in Bres­lau mit etwa 2000 pol­ni­schen Kom­par­sen nach­ge­stellt, wie die jüdi­schen Bewoh­ner des Ghet­tos zu den Vieh­wag­gons gehen, die sie nach Treb­linka brin­gen. Das Geräusch der vie­len gehen­den Men­schen – wie das geklun­gen hat! Das wer­de ich nie ver­ges­sen. Es war so unvor­stell­bar. Unglaub­lich, daß dies alles wirk­lich so gesche­hen ist.

Es war vor­her­seh­bar: Schweig­hö­fer hat den ein­kal­ku­lier­ten “Betrof­fen­heits­schock” (Petra Mors­bach) erlit­ten. Das wäre nicht schlimm, wenn er es für sich behal­ten hätte.

 

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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