anfliegt, eines von der Glucke trennt, ihm den Kopf mit wenigen Schnabelhieben abhackt und sich danach kreischend auf der nahen Pappel niederläßt. Nichts weiter: kein Verzehr der Beute, nie zwei Küken an einem Tag; jedenfalls nahm dieses Ritual heute morgen einen für die Elstern eindrücklich anderen Verlauf.
War vergangene Woche in der seit 1957 nur unwesentlich veränderten Mannheimer Inszenierung des “Parsifal” von Richard Wagner und will nach dieser in jeder Hinsicht dem Werk “dienenden” Aufführung ab sofort keinem Experiment mehr beiwohnen. Der “Parsifal” Stefan Herheims, den ich 2010 auf Einladung eines Lesers in Bayreuth verfolgen konnte, erscheint “nach Mannheim” erst recht als das, was er ist: eine die Musik erwürgende, phasenweise an einen MTV-Clip erinnernde, keine naheliegende Anspielung und Provokation auslassende Überladung.
Gründlicher kann man die Absicht Wagners nicht zerstören: Die Verwandlung von Raum, Zeit und Persönlichkeit durch die Weitergabe eines Auftrags, eines Amtes, einer Würde verlangt nach ruhigem Bildwechsel, nach Schlichtheit und klarer Symbolsprache. In Bayreuth wird aus Entwicklung durch Herheim seit 2008 chaotisches Wuchern, in Mannheim ist die Wandlung des naiven Parsifal zum Erneuerung des Gralsrittertums unmittelbar einleuchtend, und: Warum sich rechtfertigen dafür, daß etwas so bestehen bleibt, wie es für gültig befunden wird, und zwar Jahr für Jahr wieder an Karfreitag und Fronleichnam von jeweils 1200 Zuschauern, die aus ganz Deutschland anreisen, um Wagners “Bühnenweihfestspiel” nicht zerfetzt zu sehen?
Das ist überhaupt eine Beobachtung, die man – heruntergedimmt – auch auf Mittelaltermärkten machen kann: Dort, wo es um die Substanz des Deutschen geht, sind wir Deutschen unter uns, und man weiß hernach wieder genau, wer man ist (ohne daß mans aufdröseln oder erklären könnte). So hat es mich auch nicht gewundert, daß mich in Mannheim (wie vor zwei Monaten auch schon in Berlin, wo Harry Kupfers “Tristan und Isolde” wieder in den Spielplan aufgenommen wurde) Leser der Sezession ansprachen. Es scheint Treffpunkte zu geben, zu denen wir an Fäden entlang finden.
Wer in Mannheim teilhaben möchte, muß sich früh um Karten bemühen. Und wer wissen möchte, welche Magie von einer Stabübergabe ausgehen kann, höre in dieser Einspielung des Vorspiels ab etwa 7.20 den Wechsel von Holzbläsern zu Streichern, dann zu Hörnern und zuletzt zu den Blechbläsern: Auftragserteilung – sanft, aber dennoch unmißverständlich und auswegslos.
Wer weiß eigentlich, daß der Leiter des Parlamentarischen Beratungsdienstes der NPD im Sächsischen Landtag, Karl Richter, ein wirklich hervorragendes Buch über Wagner verfaßt hat? Visionen. Werk, Weltanschauung, Deutung heißt es im Untertitel, man kann die Ausgabe von 1993 für wenig Geld gebraucht kaufen.
Trost
Erst einmal Danke für den Tipp Mannheim.
Wenn ich etwas über die Aufführungen in Bayreuth höre, fällt mir als erstes die Aussage von Maria Furtwängler-Burda ein, die ja sagte "wenn man die Augen schloss war es ganz schön" (Gedächtnisprotokoll). Das denke ich fast es ganz gut zusammen.
Ich muss allerdings auch mal Darmstadt unter John Dew loben, bisher habe ich die Meistersinger und den Ring gesehen und beide waren sehr gut in der Aufführung.