Der »politische Einfluß der Bundesrepublik sei immerhin so groß wie nie zuvor in der Nachkriegszeit«. Diese tautologische Fügung – als hätte es vor dem Nachkrieg eine BRD gegeben! – ändert nichts daran, daß das Heft aufsatzweise sehr lesenswert ist. Reich bebilderten, über weite Strecken auf Kompilationen fußend, richtet es sich nicht an ein Fachpublikum, sondern an philosophisch interessierte Laien.
Bauen, Schützen, Fürchten wird als »deutscher Dreiklang« ausgemacht, wobei innerhalb des 25seitigen Dossiers die Einlassungen zum »Bauen« unentschieden mager ausfallen. Ja, die deutsche Ingenieurskunst, beflügelt durch mutmaßlich spezifisch deutsche Zutaten wie Systembauwillen, technische Vorstellungskraft, Pedanterie, Ehrgeiz und »Bastelpassion« genieße hohes Ansehen. Aber sei die resultierende Kombination aus Haltbarkeit und Nachhaltigkeit nicht nur ein Mythos, aus einem »frühen PR-Erfolg« und gelungener Selbstdarstellung erwachsen? Letztlich sei jedes Produkt aus Komponenten unterschiedlichster Herkunft zusammengesetzt, und war nicht auch die Sowjetunion »mit gutem Grund« stolz auf ihre Ingenieure?
Ebenfalls kritisch, doch fundierter widmet man sich dem Aspekt des »Schützens«, und zwar entlang einer Ortsbegehung des von Rudolf Bahro mitinitiierten ökophilosophischen Beispielprojekts Lebensgut Pommritz. Fein wird die »Krux der deutschen Naturphilosophie-Misere« herausgearbeitet: Der nachkriegsbedingte Bruch mit Werten der Natürlichkeit, den biologischen und »volksseelischen« Appellen habe ein identitätsbefreites »Trauma wie nach einer Amputation« hinterlassen. Lebendiges schützen ohne die Natur unter einer rigiden Moralität zu ersticken, dieses komplizierte Unterfangen gelinge den Deutschen schwer
Hervorragend der Aufsatz der stellvertretenden Chefredakteurin, Svenja Flaßpöhler, zum »Fürchten« als Schlußton des deutschen Dreiklangs. Ist die sprichwörtliche German Angst erworben oder ererbt? Müssen wir das fürchterliche Duo aus Erwartungsangst und Gewissenhaftigkeit pathologisieren, als Ausdruck einer Enge, einer Abwehr gegen alles »Uneigentliche«? Nein, es umreißt eine existentielle Tiefe. Das »als unheimlich« Gefürchtete wäre demnach »das Eigene, das Heimische: die deutsche Heimat.« Ebenfalls lesenswert im Heft: ein Interview mit Robert Pfaller über »reaktionäre Genußfeindlichkeit« sowie ein Aufsatz von Susan Neiman gegen den Opferkult: Her mit den Helden!
Weiters beinhaltet das Heft das vermutlich letzte Interview mit der am 12.6. 2012 verstorbenen Margarete Mitscherlich-Nielsen. Reichlich ambivalent äußert sie sich zu “Germania” und der einst behaupteten deutschen “Unfähigkeit zu trauern.”
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