Deutsch sein heißt: Bauen, Schützen, Fürchten?

»Denken Deutsche anders?« fragt die neue Ausgabe des 2011 gegründeten, zweimonatlich erscheinenden "Philosophie Magazins".

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Der »poli­ti­sche Ein­fluß der Bun­des­re­pu­blik sei immer­hin so groß wie nie zuvor in der Nach­kriegs­zeit«. Die­se tau­to­lo­gi­sche Fügung – als hät­te es vor dem Nach­krieg eine BRD gege­ben! – ändert nichts dar­an, daß das Heft auf­satz­wei­se sehr lesens­wert ist. Reich bebil­der­ten, über wei­te Stre­cken auf Kom­pi­la­tio­nen fußend, rich­tet es sich nicht an ein Fach­pu­bli­kum, son­dern an phi­lo­so­phisch inter­es­sier­te Laien.

Bau­en, Schüt­zen, Fürch­ten wird als »deut­scher Drei­klang« aus­ge­macht, wobei inner­halb des 25seitigen Dos­siers die Ein­las­sun­gen zum »Bau­en« unent­schie­den mager aus­fal­len. Ja, die deut­sche Inge­nieurs­kunst, beflü­gelt durch mut­maß­lich spe­zi­fisch deut­sche Zuta­ten wie Sys­tem­bau­wil­len, tech­ni­sche Vor­stel­lungs­kraft, Pedan­te­rie, Ehr­geiz und »Bas­tel­pas­si­on« genie­ße hohes Anse­hen. Aber sei die resul­tie­ren­de Kom­bi­na­ti­on aus Halt­bar­keit und Nach­hal­tig­keit nicht nur ein Mythos, aus einem »frü­hen PR-Erfolg« und gelun­ge­ner Selbst­dar­stel­lung erwach­sen? Letzt­lich sei jedes Pro­dukt aus Kom­po­nen­ten unter­schied­lichs­ter Her­kunft zusam­men­ge­setzt, und war nicht auch die Sowjet­uni­on »mit gutem Grund« stolz auf ihre Ingenieure?

Eben­falls kri­tisch, doch fun­dier­ter wid­met man sich dem Aspekt des »Schüt­zens«, und zwar ent­lang einer Orts­be­ge­hung des von Rudolf Bah­ro mit­in­iti­ier­ten öko­phi­lo­so­phi­schen Bei­spiel­pro­jekts Lebens­gut Pomm­ritz. Fein wird die »Krux der deut­schen Natur­phi­lo­so­phie-Mise­re« her­aus­ge­ar­bei­tet: Der nach­kriegs­be­ding­te Bruch mit Wer­ten der Natür­lich­keit, den bio­lo­gi­schen und »volks­see­li­schen« Appel­len habe ein iden­ti­täts­be­frei­tes »Trau­ma wie nach einer Ampu­ta­ti­on« hin­ter­las­sen. Leben­di­ges schüt­zen ohne die Natur unter einer rigi­den Mora­li­tät zu ersti­cken, die­ses kom­pli­zier­te Unter­fan­gen gelin­ge den Deut­schen schwer

Her­vor­ra­gend der Auf­satz der stell­ver­tre­ten­den Chef­re­dak­teu­rin, Sven­ja Flaß­pöh­ler, zum »Fürch­ten« als Schluß­ton des deut­schen Drei­klangs. Ist die sprich­wört­li­che Ger­man Angst erwor­ben oder ererbt? Müs­sen wir das fürch­ter­li­che Duo aus Erwar­tungs­angst und Gewis­sen­haf­tig­keit patho­lo­gi­sie­ren, als Aus­druck einer Enge, einer Abwehr gegen alles »Unei­gent­li­che«? Nein, es umreißt eine exis­ten­ti­el­le Tie­fe. Das »als unheim­lich« Gefürch­te­te wäre dem­nach »das Eige­ne, das Hei­mi­sche: die deut­sche Hei­mat.« Eben­falls lesens­wert im Heft: ein Inter­view mit Robert Pfal­ler über »reak­tio­nä­re Genuß­feind­lich­keit« sowie ein Auf­satz von Sus­an Nei­man gegen den Opfer­kult: Her mit den Helden!

Wei­ters beinhal­tet das Heft das ver­mut­lich letz­te Inter­view mit der am 12.6. 2012 ver­stor­be­nen Mar­ga­re­te Mit­scher­lich-Niel­sen. Reich­lich ambi­va­lent äußert sie sich zu “Ger­ma­nia” und der einst behaup­te­ten deut­schen “Unfä­hig­keit zu trauern.”

Das Phi­lo­so­phie Maga­zin umfaßt 100 Sei­ten und kos­tet 5.90€; Phi­lo­ma­ga­zin Ver­lag, Roden­berg­stra­ße 29, 10439 Ber­lin; www.philomag.de.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.