mithin auch immer mehr bei den Soldaten selbst. Diese Wehleid- und Formlosigkeit ist moralisch defizitär, intellektuell unredlich sowie militärisch lästig. In diesem dreifachen Sinne sei diese kleine Entgegnung nicht dem in weiten Teilen durchaus richtigen inhaltlichen Ertrag des Beitrages zur Veteranenfrage von Felix Springer gewidmet, sondern der Perspektive, die der Diagnose vorausging.
Man kommt nicht herum, sie in der ganzen Weite der mißlichen Lage unserer Zeit zu bespiegeln. Der Adressat sei dabei nicht die Gesellschaft – sondern im Sinne einer „Gegenfrage“ der Soldat.
Es ist das eine, entscheidend darauf hinzuweisen, daß das Soldatische in der bundesrepublikanischen Gesellschaft wie ein Fremdkörper wirkt, in manchen Momenten gar zum Feindbild im Inneren verkommt. Eine ihrer faulen Früchte ist gewiss die ekelhafte Mitleidsmasche. Dies aber ist die unbezweifelbare Realität der „Nie-wieder-Krieg“-Republik, die seit Kriegsende ’45 ein gestörtes Verhältnis zu sich selbst pflegt. Der Umgang mit dem Militär als der am stärksten möglichen Identität von Untertan und Staat kann dafür als sein bedeutendes Ausdrucksmittel gelten.
Es ist etwas anderes, diese Diagnose normativ zu wenden und von der Gesellschaft zu fordern, was sie der sehr richtigen Beurteilung Springers nach gar nicht mehr zu leisten im Stande ist. Dazu bedürfte es letztlich einer konsequenten mentalen Umerziehung, die gegenwärtig in solch weiter Ferne liegt, wie die existentielle Not irreal erscheint, von der sich die nationale Legitimität des Soldaten herleitet: nämlich vom militärischen (!) Ernstfall im eigenen Lande. Ob dieser Preis allerdings angemessen wie wünschenswert wäre, sei in dieser Fraglichkeit einmal dahingestellt.
Mentalitätsgeschichtlich ist die besagte Perspektive jedenfalls aufschlußreich: Wie verweichlicht muß das deutsche Soldatentum angesichts seines klagenden Gemütes sein, sofern vom deutschen Soldatentum zu schreiben überhaupt noch legitim scheint? Performativer Selbstwiderspruch! Denn man hegt Erwartungen gegenüber der Gesellschaft, die einzufordern man doch gerade bezweifelt, indem man des Soldaten Leistung an Volk und Vaterland („Töten und Sterben“) als Dienst sui generis deklariert. Es ergibt keinen Sinn, das Dienen mit der Bedingung zu verbinden, dass dieses auf würdigende Resonanz stoße. Wer heute Soldat, zumindest wer Offizier wird, muß um diese Lage wissen, muß wissen, was er realistischer Weise von der Gesellschaft erwarten kann. Was und wem nützt es, sich an einem vielleicht erstrebenswerten und dennoch völlig irrealen Wunschbild festzuklammern?
Zu hoffen bleibt freilich, daß die Schwundstufe ziviler Anerkennung, die Bemitleidung, nicht die politische Gemeinschaft in Gänze betrifft. Aber auch diese Hoffnung darf nur sekundäres Motiv des Dienstes sein.
Dagegen zu stellen wäre rechtens die Tugend der Tapferkeit. Sie bedeutet für den Soldaten, nicht nur beständig im Gefecht seinen Mann zu stehen, sondern auch gegenüber allen Widrigkeiten des Alltages beharrlich und treu zu dienen. Dienst im Allgemeinen, der soldatische Dienst im Besonderen ist kein Geschenk, sondern immer Opfer. Das Opfer aber – eine zutiefst religiöse Kategorie! – kennt keine Anspruchshaltung, wiewohl es einer einsichtigen Sinnhaftigkeit bedarf.
Im Gegenteil: Aufopferung, mit der bewußten Inkaufnahme von Verwundung und Tod, beinhaltet im Letzten das aufrechte Martyrium. Eine solche Überhöhung kann nur dann recht, echt und edel sein, wenn es nicht an gegenwärtigem oder künftigem materiellen oder immateriellen Gegenleistungen aufgehängt und bemessen wird. Fragt sich, welche Gestalten heute noch solche eigene Stärke mitbringen; wer wollte sich da selbst belügen? So kann die eine normative Irrealität zwar nicht mit einer anderen ausgehoben werden. Im Kleinen scheint eine erinnernde Bewußtmachung der Tapferkeit als wohl grundlegendster soldatischer Tugend trotzdem brauchbarer, als die Forderung an die Gesellschaft, „Achtung vor dem Dienst des Kämpfers“ zu üben.
Von daher sei bloß noch eine Frage gestellt: Adelt sich der Dienst nicht hinreichend durch die Stärke der ihm entgegengebrachten Aversion?
Pit
Soldat sein als... religiöse Übung in Dienen, Aufopferung? Wann war das soldatische Motivation? Zu Zeiten von Templern, Deutschordensrittern? Als völlig Fachfremder sage ich, daß m.E. die Motivation eines Soldaten natürlich der Dienst für das eigene Volk, die Verteidigung des eigenen Volkes ist (und nicht Dienen "an sich"), und daß für solchen Dienst und Opfer natürlich jede beliebige Menge an Dankbarkeit und Respekt erwartet, ja beansprucht, verlangt, eingefordert werden kann.
Auch ein rein religiös dienendes Soldatentum findet ja seinen Einsatz irgendwo, also für eine bestimmte Sache. Welche das sei, das wäre dem religiös motivierten Soldaten also völlig egal? Natürlich nicht, es kann nur eine respektable Sache sein. Wenn also ein religiös motivierter Soldat vielleicht auch keinen expliziten Respekt erwartet, so ist doch sein Dienen und Aufopfern nicht völliger Selbstzweck, sondern immer noch gebunden an eine wünschenswerte Sache.
Eine Sicht vom Dienen und Aufopfern als reinem Selbstzweck kommt also nicht hin. Denn ein solchermaßen religiös motivierter Soldat würde sich gewiß nicht in ein Erdloch setzen, um dort zu verhungern, was man auch als aufopfernden Gottesdienst sehen kann, wenn man´s denn will.