Dill und Petersilie, roter und grüner Salat und zum Nachtisch schwarze und rote Johannisbeeren.
Zum Aus der Nationalmannschaft gestern Abend kein Wort: Ich kann diese lauwarme Truppe nicht leiden, die es als Erfolg feiert, nicht mehr “deutsch” zu spielen, sondern mit jener Leichtigkeit, nach der sich die Germanen sehnen, seit sie erstmals jenseits der Alpen aufräumten. Es fehlen die Kanten. Nie hätte man von den Brüdern Förster, von Peter Briegel, Ulf Kirsten oder Lothar Matthäus in jedem zweiten Satz die Wörter “Respekt”, “gutes Gefühl” oder “macht viel Spaß” gehört – nicht ohne Grund paßt ein Typ wie Kevin Großkreuz nicht in diesen Kringel schöner Männer.
Alein schon das Absingen der Hymnen: voller Inbrunst die Italiener, und unserer Herren Zwiespalt kriegen das Maul nicht auf. Dafür dann fünf Minuten nach dem Spiel Kapitän Lahm: nicht fertig, nicht schockiert, nicht aggressiv – sondern professionell wortreich, als wärs eine Trainingseinheit gewesen. So also verliert Bierhoffs Lounge-Atmosphäre nie den roten Faden …
Italien hat auch auf dem EU-Gipfel triumphiert. Nicht, daß die Position Merkels knallhart und zu unser aller Wohl gewesen wäre: Der ESM-Vertrag pulverisiert das Volksvermögen mit oder ohne Sparauflagen für die Italiener. Aber signifikant ist es doch, daß Angela Merkel selbst dieses Tauziehen im virtuellen Raum (etwas anderes ist der Unterschied zwischen “keine Chance auf Rückzahlung” und “eigentlich keine Chance auf Rückzahlung”) nicht gewonnen hat.
Liegts daran, daß sie den Haß der andern nicht auf Deutschland ziehen möchte? Von diesem Haß hat der große Spekulant und Menschenfreund George Soros in einem Spiegel-Gespräch ein Wort gesagt – bei solchen Leuten weiß man nie, ob sie ein Phänomen deuten oder ob sie es erst herbeireden, und ich weiß auch nicht, wie man sich von seiner spendeneifrigen Philanthropie blenden lassen kann: Von 14 Milliarden Dollar 10 Milliarden zu spenden ist nicht schmerzhaft, zumal dann nicht, wenn das Geld vor allem dafür verwendet wird, “Regime” im ehemaligen Ostblock aufbrechen zu helfen – nicht für irgendeine “Freiheit”, sondern für eine ganz besondere: die des Handels und der Finanzspekulation.
Ich habe in den vergangenen Wochen und konzentriert in den letzten Tagen viel über den ESM und den Euro-Raum gelesen – es war wie gestern in der Kneipe beim Fußball: Man sitzt da, schaut zu, kann nicht eingreifen, verliert, zuckt mit der Schulter und geht wieder an die Arbeit.
Der FAZ vom Mittwoch lag in Form einer Anzeige ein 4‑seitiger “Hauptstadtbrief” bei, mitfinanziert wohl von der “Stiftung Familienunternehmen”: Darin zerplücken Autoren wie der Staatsrechtler Dietrich Murswiek den ESM – er sei verfassungswidrig und könne weder die Parlamente, noch die Karlsruher Instanz passieren. Er kommt ein bißchen spät, dieser “Hauptstadtbrief”, und die Potenz der über 300 Familienunternehmen, die sich zurecht als Säule der deutschen Wirtschaft begreifen, hätte längst in den Aufbau einer nationalen Wahlalternative fließen können. Aber diese Alternative würde nicht nur gegen das Europa-Desaster antreten, sondern auch gegen Entwicklungen, von denen die “Familienunternehmen” nun wieder profitieren: Grenzenlosigkeit, Zuzug billiger Arbeitskräfte, Auslagerung der Produktion, Subventionspakete undsoweiter.
Also mit den Schultern zucken, abdrehen, Salat ernten, wahrnehmen? So ganz konnte ich das Mitlesen nicht lassen, bin kein Bauer, sondern Verleger. Und so bat ich Friedrich Romig vor Wochen schon, ein kaplaken zu verfassen. Das Manuskript las ich heute morgen zuende. Das Bändchen erhält den Titel ESM – Verfassungsputsch in Europa. Man kann es vorbestellen.
Daniel
Auch von mir kurz "kein Wort" zu gestern Abend:
Dinge ändern sich, ob man will oder nicht. Und nicht jede Veränderung ist von vorn herein schlecht. Fußball ist eben kein Pflegen von Traditionen und alten Spielweisen zum Selbstzweck, sondern Wettkampf, in dem man gewinnen will. Und auch wenn es diesmal wieder nicht geklappt hat: Seit 2006, seit Deutschland "modern" spielt, war die Mannschaft in jedem Turnier außerordentlich erfolgreich. Also kann nicht so viel falsch laufen. Und wie wir 2010 die Engländer und die Argentinier weggeputzt haben, das war doch auch schön anzusehen.
Zur "deutschen Spielweise": Gerade eine "deutsche Tugend" wie hohe Disziplin ist doch heute zentral bei allen erfolgreichen Mannschaften. Insofern könnte man eher sagen, dass inzwischen alle erfolgreichen Mannschaften deutsch spielen.
Oder war die Nationalmannschaft im 20. Jahrhundert "deutscher", als sich die Spieler bei einem Turnier regelmäßig betranken oder in der Nacht vorm Finale drei Schachteln Zigaretten rauchten? Das macht die Spieler vielleicht sympathischer, aber von der Mentalität her würde ich das eher als südländisch bezeichnen.