Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten (2) – Neues von der Gebärfront

Alle Geschichten haben sich in Wien/Österreich zugetragen und wurden mir innerhalb einer Woche von den Betroffenen erzählt.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Um die Per­so­nen unkennt­lich zu machen, habe ich ein paar per­sön­li­che Details gering­fü­gig ver­än­dert. Ich über­las­se es dem Leser, aus die­sen All­tags­mi­nia­tu­ren sei­ne Schlüs­se zu ziehen.

I.

Eine Frau, etwa drei­ßig Jah­re alt, zwei­fa­che Mut­ter, betritt eine Filia­le einer bekann­ten Bäcke­rei­ket­te. Hin­ter dem Tre­sen steht eine jun­ge tür­ki­sche Frau mit Kopf­tuch. Die Kun­din grüßt, wie das in Öster­reich so üblich ist: “Grüß Gott!” Die jun­ge Frau ver­zö­gert die Ant­wort einen Sekun­den­ti­ck, und sagt dann, deut­lich pro­non­ciert: “Guten Tag.” Die Kun­din erzählt spä­ter, sie habe das star­ke Gefühl gehabt, die Ver­käu­fe­rin habe das absicht­lich getan, um etwas zu demons­trie­ren. Aber was? Daß sie als Mos­le­min nicht “Grüß Gott” sagen will?  Ob die Kun­din nicht über­treibt, viel­leicht nur gera­de gereizt war und sich das ein­ge­bil­det hat? “Viel­leicht, aber es ist trotz­dem irri­tie­rend…” Wäre sie auch irri­tiert gewe­sen, wenn die Frau kein Kopf­tuch getra­gen hät­te? “Nein, wahr­schein­lich nicht!”

 

II.

K., ein alter Bekann­ter aus wil­den Zei­ten, bemerkt, daß inzwi­schen in fast jedem Wie­ner Stra­ßen- oder U‑Bahnabteil, das er betritt, min­des­tens eine mos­le­mi­sche Frau mit Kopf­tuch oder Schlei­er und lan­gen, dunk­len Klei­dern sitzt, in der Regel mit Kin­der­wa­gen und zwei, drei wei­te­ren Kin­dern neben sich. Er habe sich lan­ge ein­ge­re­det, daß ihn das nicht stö­re, die Wie­ner U‑Bahn sei schließ­lich voll mit Gestal­ten, die einen viel unan­ge­neh­me­ren Anblick bie­ten. Aber inzwi­schen müs­se er sich ein­ge­ste­hen, daß ihm die­ses sich häu­fen­de Sze­nen­bild doch anfan­ge, auf die Ner­ven zu gehen. War­um? Er überlegt.

“Ich kann mir nicht hel­fen, wenn sich jemand so deut­lich anders klei­det, als die Men­schen, unter denen er lebt, dann hat das, ob beab­sich­tigt oder nicht, eine unter­schwel­lig pole­mi­sche und pro­vo­ka­ti­ve Wir­kung. Es strahlt Arro­ganz und bewuß­te Abgren­zung aus. Wenn dann die fürch­ter­li­chen raben­schwar­zen Ganz­kör­per­ver­hül­lun­gen dazu kom­men, die auch optisch auf­dring­lich sind, oder sogar das Gesicht von einem Schlei­er bedeckt ist, macht das auf uns unwei­ger­lich einen gespens­ti­schen, gera­de­zu pas­siv-aggres­si­ven Ein­druck.” Und er füg­te hin­zu: “Das erin­nert mich, wie ich als Jugend­li­cher Pun­ker­gruf­ti war. Ich und mei­ne Freun­de haben es genos­sen, wenn uns die Leu­te blöd ange­se­hen oder sich geär­gert haben. Das war ja auch unse­re Absicht. Wir woll­ten gar nicht ‘tole­riert’ wer­den. Unse­re Iros und Kla­mot­ten waren pure Pole­mik und Mit­tel­fin­ger­aus­stre­cken gegen die Normalos.”

Na gut, aber die­se bewuß­te Absicht wer­den die meis­ten Mos­lems doch kaum haben, für sie ist das eben “nor­mal”. “Hm, naja, ehr­lich gesagt, bis­her dach­te ich das auch, aber inzwi­schen weiß ich das nicht mehr so genau. Wenn sich zum Bei­spiel Pierre Vogel als Deut­scher einen selt­sa­men Bart rasiert und in ein Nacht­hemd schlüpft, dann will er damit ja etwas aus­sa­gen, sich auch visu­ell abset­zen. Und die­je­ni­gen, die sich so klei­den, weil es eben in ihren Hei­mat­län­dern üblich ist, müs­sen doch auch spü­ren, daß sie in einem ande­ren Land eben nicht mehr ’nor­mal’ aus­se­hen,  daß sie, wenn sie in die­ser Klei­dung auf die Stra­ße gehen, ein Span­nungs­feld erzeu­gen, das sich innen wie außen auf­baut… irgend­wann zie­hen sie sich viel­leicht wirk­lich mit einem Gefühl von Trotz und Ver­ach­tung so an. Und das spü­ren dann wie­der­um die ande­ren, reagie­ren gereizt, miß­trau­isch und ableh­nend, und der Teu­fels­kreis dreht sich weiter.”

III.

Ein fünf­und­sech­zig­jäh­ri­ges Ehe­paar, das in der aus­län­der­ar­men Pro­vinz wohnt und ger­ne Urlaub in der Tür­kei macht, fährt auf Som­mer­fri­sche an den Wolf­gang­see im Salz­kam­mer­gut. Sie sind etwas über­rascht über die recht hohe Anzahl von mos­le­mi­schen Frau­en, die sie dort sehen, eben­so wie wohl die zahl­lo­sen japa­ni­schen Tou­ris­ten, die vor der impo­san­ten alpi­nen Kulis­se wahr­schein­lich eher die Trapp­fa­mi­lie in Tech­ni­co­lor erwar­tet haben.

Am Ufer des Sees bie­tet sich ein Anblick, der die bei­den etwas scho­ckiert. Dort sitzt eine mos­le­mi­sche Frau, trotz der Hit­ze von Kopf bis Knö­chel in wal­len­des, tra­di­tio­na­lis­ti­sches Schwarz ein­ge­hüllt, zusam­men mit einer zwei­ten, älte­ren, die “nor­mal” west­lich geklei­det ist. Das Gesicht der Frau ist völ­lig ver­hüllt, nur zwei hel­le Augen lugen hin­ter dem Schlei­er her­vor. Der fremd­ar­ti­ge Ein­druck ver­stärkt sich noch, als sie in einem per­fek­ten, akzent­frei­en Nord­deutsch zu spre­chen beginnt. Es stellt sich her­aus, daß es sich offen­bar um eine deut­sche Kon­ver­ti­tin mit ihrer unkon­ver­tier­ten Mut­ter han­delt. Die Sze­ne wirkt reich­lich bizarr; nichts scheint hier zusam­men zu passen.

Im See baden die drei Töch­ter der Kon­ver­ti­tin, alle­samt mit “süd­län­di­schem” Ein­schlag, unge­fähr zwi­schen 9–12 Jah­re alt, eben­falls mit Kopf­tü­chern, die die Haa­re voll­stän­dig ver­ber­gen, vor allem aber voll­stän­dig beklei­det, mit lan­gen Ärmeln und Strumpf­ho­sen, obwohl sie mit­ten im Was­ser ste­hen. Ein klei­ner Jun­ge ist eben­falls dabei, die­ser ist aber ganz nor­mal in eine Bade­ho­se geklei­det.  Die ein­gangs erwähn­te Zeu­gin der Sze­ne spürt unwill­kür­lich Ärger in sich auf­stei­gen: was für ein boden­lo­ser Schwach­sinn, Kin­der beklei­det ins Was­ser zu schi­cken! Unbe­greif­lich ist ihr auch,wie eine Frau, die nicht in der isla­mi­schen Kul­tur auf­ge­wach­sen ist, sich frei­wil­lig in eine sol­che Mon­tur wer­fen kann.

Die Zeu­gin wen­det sich von dem Schau­spiel ab und der Gebirgs-und See­sze­ne­rie zu.  Sie packt ihre Digi­tal­ka­me­ra aus und beginnt Fotos zu machen. Plötz­lich kom­men die drei Mäd­chen auf sie zu, und bit­ten höf­lich, aber bestimmt, Respekt­ab­stand zu wah­ren: “Bit­te machen Sie kei­ne Fotos von uns, wir wol­len das nicht, daß man uns fotographiert.”

IV.

Eine etwa drei­ßig­jäh­ri­ge, völ­lig unpo­li­ti­sche, kin­der­lo­se Phy­sio­the­ra­peu­tin, eine freund­li­che und harm­lo­se Per­son aus einer nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Klein­stadt besucht eine Freun­din (ein Kind) in Wien. Sie tref­fen sich auf einem Kin­der­spiel­platz, wo sie nach einer Wei­le mit ein wenig Bauch­weh fest­stellt, daß die tür­ki­schen und sons­ti­gen Spröß­lin­ge in der über­wie­gen­den Mehr­zahl sind. Sie wen­det sich irri­tiert an ihre Freun­din mit der eher vor­sich­tig geäu­ßer­ten Fest­stel­lung: “Das ist ja komisch, hier hört man ja kein ein­zi­ges deut­sches Wort mehr.” Eine Tür­kin, auch sie im Kopf­tuch, die mit eini­gen ande­ren tür­ki­schen Müt­tern in der Nähe sitzt, hört die­sen Satz zufäl­lig mit. Sofort zischt sie die Spre­che­rin an: “Wir wer­den euch zu Tode gebären!”

Die jun­ge Phy­sio­the­ra­peu­tin, kon­sti­tu­tio­nell eher ein Gut­mensch, ist über die­se jähe Aggres­si­vi­tät zu Tode erschro­cken und bringt kein wei­te­res Wort her­aus. Den Gedan­ken, man kön­ne und wol­le jemand ande­ren “zu Tode gebä­ren”, hört sie zum ers­ten Mal. Wie kommt man bloß auf sol­che Ideen? Die Sze­ne geht ihr tage­lang nicht aus dem Kopf, bringt sie zum Grü­beln. Die tür­ki­sche Mut­ter unter­schied sich äußer­lich in kei­nem Punkt von den dut­zen­den ande­ren Mos­le­mi­nen, die man täg­lich zu sehen bekommt.

Und wie sieht es nun innen aus? Den­ken vie­le die­ser Frau­en in sol­chen Kate­go­rien? Und: ist es nicht beun­ru­hi­gend, daß sie unse­re Spra­che ver­ste­hen kön­nen, wir die ihre aber nicht? Und wür­den wir es wagen, sie anzu­zi­schen, wenn sie sich am Spiel­platz beschwe­ren, daß es hier zuvie­le ein­hei­mi­sche, ungläu­bi­ge, deutsch­spre­chen­de Kin­der gibt?

Zwi­schen­durch eine Mel­dung aus Deutsch­land:

Der Vor­sit­zen­de des Islam­ra­tes in Deutsch­land, Aiman Mazy­ek, hat sich über eine angeb­li­che Ver­harm­lo­sung des Ras­sis­mus in der Bun­des­re­pu­blik beklagt. Die Frem­den­feind­lich­keit, der sich vie­le Mus­li­me in Deutsch­land aus­ge­setzt sähen, wer­de „zuwei­len ver­drängt und klein­ge­re­det“, sag­te Mazyek.

Irgend­wo in einem deut­schen Büro sehe ich nun Wil­helm Heit­mey­er vor mir, wie er all die­se Geschich­ten als Bei­spie­le für unbe­wuß­ten “All­tags­ras­sis­mus” und “grup­pen­be­zo­ge­ne Men­schen­feind­lich­keit” (der Öster­rei­cher natür­lich) ein­sor­tiert. Denn all die­se Betrof­fe­nen sind doch selbst schuld, wenn sie immer noch so archa­isch-regres­siv-natio­na­lis­ti­sche Gefüh­le haben, und Men­schen will­kür­lich in “Ihr” und “Wir” ein­tei­len, sie damit dis­kri­mi­nie­ren und ein sol­ches Ver­hal­ten erst pro­vo­zie­ren.  Dage­gen kann nur mehr Ein­wan­de­rer­prä­senz, mehr Geld und mehr Umer­zie­hung von oben helfen!

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.