Es steigt ja dauernd einer aus. Aus Autos, aus Abos, aus sogenannten Bewegungen. Aus- und umgestiegen war Molau am laufenden Band, uns interessierte das nicht weiter.
Denn mit Andreas Molau hatten wir nur am Rande zu tun, aktuell auf dem Bildschirm hatten wir ihn vor ein paar Monaten. Da hatte er angeboten, für die Sezession zu schreiben. Gern unter Pseudonym. Wir hatten abgelehnt. Klar, Molau war (neben Karl Richter und Arne Schimmer vielleicht) einer der überdurchschnittlich intelligenten Köpfe des NPD-Milieus, aber die Trennlinie dorthin ist markiert, und insbesondere Molau gilt uns als Fetzenschädel, als inkonsistenter Typ: wie ein ehrgeiziger Ruderer, der sich kopflos auf Routen wagt, die bekanntermaßen voller Algen und Schlamm sind und deshalb gemieden werden, der dort hektisch und scheinbar planlos seine Schläge ausführt, dann einigermaßen souverän zurückrudert, sogleich wieder die Algentour wählt, sich verheddert, um mit oberflächlich schönen Schlägen sich erneut freizurudern. Richtungslos!
Sezession geht anders. Fürs verhedderungssüchtige Personen ist bei uns kein Platz. Soll Molau doch aussteigen, aus seinen Pöstchen und Irrfahrten! Wen schert´s? Aber, Kubitschek nun: „Der ist so richtig ausgestiegen, hat sich ausgeschüttet wie das Kind mit dem Bade, mit Verfassungsschutz und als PR-Nummer!“ Ich kanns kaum glauben. Macht man das? Mit Pauken & Trompeten, Interviews bei tagesschau.de, Cicero und mit Personen, die dem Antifa-Sektor extrem nahe stehen? Ja? Warum?
Erster Gedanke: Zusammenbruch einer seit je labilen Persönlichkeit. Den Druck nicht aushalten. Kapitulieren. Endlich mal offiziell auf Seiten der Guten stehen! Zweiter Gedanke: Da steht eine Frau dahinter. Eine, die fordert, daß man sich rückhaltlos distanziere. Dritter Gedanke: Da will einer Knete, will an den Futtertrog. Hat keinen Bock mehr auf seine Szene, auf die Aussichtslosigkeit des „Kampfes“. Sieht aber auch nicht ein, warum er still und leise Tschüß sagen sollte, um dann – für einen Broterwerb als Lehrer und seriöser Publizist ist sein Name defintiv verbrannt – als schlechtbezahlter zeitungsbringender oder regalauffüllender Anonymus sein Dasein zu fristen. Molau soll in den diversen Funktionen bei NPD, DVU und ProNRW ein überaus sattes Gehalt nach Hause gebracht haben.
Vierter Gedanke: der Kerl ist (noch dazu) öffentlichkeitsgeil. Es gab gerade Bilder des Weltklasse-Schwimmers Michael Phelps, die ihn zeigten, wie er selbst die Kamera- und Mikrophonflut, die ihm galt, mit der eigenen Kamera aufnahm. Photos des frischen Aussteigers Molau zeigen ihn mit einem umgehängten Photoapparat. Man sieht ihn vor sich, seine eigene Prominenz dokumentierend. Ein leibhaftiges Ein-Mann-Event!
Der fünfte Gedanke ist diffus. Diffus deshalb, weil der Artikel, auf dem er basiert, selbst so verrätselt ist. Wiglaf Droste schreibt kryptisch in der Jungen Welt:
Noch nicht bekannt ist dagegen, ob vor Molaus öffentlichem Schritt vom rechten Wege die Tarnung eines Verfassungsschützers aufgeflogen ist. Wie sagte es die Reklame für einen Versandhauskatalog so richtig: Schlag nach bei Otto, da steht was drin.
Mit „Otto“ ist Schily gemeint. Otto Schily war 1998- 2005 Bundesinnenminister. Unter seiner Ägide scheiterte der Versuch, die NPD verbieten zu lassen .Aus diesen Anspielungen Drostes darf man sich nun so seine Gedanken backen!
Ich selbst bin Molau meines Wissens einmal begegnet, vor etwa 13 Jahren. Ich war mit meinen kleinen Töchtern zu einem Kindergeburtstag geladen, zutiefst unpolitisch. Dort wollte man gerade zu einem Ausflug aufbrechen, wartete aber noch auf den letzten Gast: „Andreas Molau kommt noch.“ Damals schrieb ich schon einige Jahre für die Junge Freiheit. Der Molau etwa? Der Typ mit den steilen Thesen? Der dort als ziemlich radikaler Schreiber bekannt war und deshalb seinen Posten hat räumen müssen? Geht der zu Kindergeburtstagen ohne ideologische Ausrichtung?
Und ich staunte. Dieser Molau, unbeweibt angereist, war ein weicher, leicht feminin wirkender Typ, dem Klischeebild eines Waldorflehrers – der er ja zu diesem Zeitpunkt war – ganz gut entsprechend, fürsorglich und modern im Umgang mit seinen Kindern. Keine auch nur politisch konnotierte Silbe kam an jenem Tag über seine Lippen. Schily war da bereits Minister.
Später las man gelegentlich von ihm, dem Typen mit der weichen Schale und dem harten Kern. Was nicht leicht fiel, da Molau natürlicherweise nun das Pseudonym bevorzugte. Ein paar Jahre, nachdem er diese Deckung und den Waldorflehrerposten aufgegeben hatte, schneite 2008 sein Roman Die Entdeckungen des Alexander Kern ins Haus. Mit einer wirklich delikaten Widmung, die man dem Leserpublikum hier nicht vorenthalten sollte: „Und der Angeklagte war bald wieder Kläger…“ Götz Kubitschek mit den besten Wünschen! Denkte im Februar 2008. Andreas Molau.”
Kubitschek wollte das Buch, ein nettes, wohlbemühtes Anfängerstück, nicht in seiner Belletristik-Kolumne besprechen. Es sei keine Literatur im eigentlichen Sinne, es sei ein Versuch, dilettantisch im guten Sinne. Drum hieß es (Sezession 25/2008) kurz im „Vermischten“:
… „Hauptfigur ist der bündisch-melancholische Student Kern (etwa gleichalt wie Molau; wie Molau Student der Geschichte und Germanistik; wie Molau im Nordwestdeutschen verortet; eine Frau anhimmelnd, die einen ähnlichen Namen wie Molaus Gattin trägt; wie Molau eine Denunziation vorantreibend, E.K.), der die Doppelexistenz eines früheren SS-Mannes und jetzigen Professors aufdeckt.(…) Unverzeihlich ist nun, daß der Vorreiter-Verlag das Lektorat gespart oder in falsche Hände gelegt hat: man kann auf jeder Seite Fehler anstreichen (etwa Camentbert, Kuhdamm, das 20igste Dienstjubiläum, E.K.), und außerdem ist Molau vielleicht eher ein Autor für das kleinere Format: Manche Passagen sind wie schöne, eigenständige Erzählungen, aber dem Roman fehlen Rhythmus und Spannungsbogen. Ein Lektor hätte Teile umstellen und andere ganz streichen müssen, das Buch hat hundert Seiten zuviel, vor allem am Anfang, was manchen Leser abschrecken mag. Aber: Schön ist, daß Molau sich als Schriftsteller versuchte und nicht als Politiker. Das sollte man anerkennen.
Im gleichen Jahr, als Molaus Entdeckungen erschienen, publizierte die im NPD-Umfeld verortete, jedoch intellektuelle „radikal rechte zeitschrift“ hier&jetzt ein umfängliches Interview mit Molau, der seinerzeit gerade auf seiten der NPD für den niedersächsischen Landtag kandidierte. Das Gespräch firmierte unter dem Titel Laßt und, wenn wir uns treffen, niemals das Harmlose tun! Dies war eine Anspielung auf Götz Kubitscheks Buch Provokation, in dem sich der Satz findet: „Laßt uns, wenn wir uns treffen, niemals harmlos über das Harmlose reden.“
Molau nannte das Bändchen „schön, sprachlich schön“, „wie ein gutes Glas Rotwein“. Leider hätten Konservative wie Kubitschek oder überhaupt die ganze Szene um die Junge Freiheit nie begriffen, „daß sie Teil des Systems“ seien. Nur wenn das Institut für Staatspolitik (das Kubitschek damals geschäftsführend leitete) sich bereit erklären würde, Leute aus der NPD oder der DVU auszubilden, wäre das eine angemessene „Versorgung der Front“ gewesen. Kubitschek hingegen „mäkele“ nur „über die Unerzogenheit der ‘doofen’ Rechten.“
Sprich: Molaus Vorwurf an Kubitschek lautete auf Feigheit und „Systemimmanenz“, während Leute wie er, Molau, die Fleiß- und Drecksarbeit verrichteten. Weiter schwärmte er damals für die Verdinglichung eines rechten Lebensgefühls, für die Fortschritte der „rechten Musikszene“, für literarische Arbeiten und vor allem Gedichtbände von Poeten aus seinem damaligen Parteiumfeld. Und, hört: „Wir werden jetzt mit der Kontinent Europa Stiftung ein nationales Comic produzieren.“
In Molaus Roman enttarnt der Protagonist einen renommierten Professor als SS-Mann. Der folgende, kurzweilige Skandal kann dem Herrn jedoch auf weite Sicht wenig anhaben. „Stück für Stück“, nachdem er einmal durch die Mühlen der veröffentlichten Meinung gedreht wurde, schreibt dieser machtgewohnte Vielfachüberläufer „seine Geschichte neu.“ Er „wechselte die Seiten und der Angeklagte war bald wieder Kläger.“ Er kann rasch wieder durch die Medien tingeln, geläutert und erfolgreich.
Eine Frau jedoch gibt es in Molaus Buch, die wußte, daß dieser „Mann nicht vor seinem Schicksal davon laufen konnte. Und das tröstete sie.“ Dies sind die letzten Sätze aus Molaus Großroman, und es gibt im Falle des Autors sicher nicht nur eine Person, die derzeit ganz zufrieden ist.
Volker Faust
Molau, Reitz - das sind nur zwei Namen, die mir jetzt einfallen. Kann es sein, dass das System es diesmal ernst meinen mit dem NPD-Verbot? Wie war doch gleich die Forderung des BVerfG für das Verbotsverfahren? Alle V-Männer müssen raus aus der Partei oder offen gelegt werden.
Ich denke, diese beiden sind erst der Anfang. Es werden in den nächsten Wochen und Monaten noch einige gewichtige Namen fallen, bei denen man dies nie vermutet hätte.
Fraglich ist, warum jetzt? Die NPD als Partei ist/war nützlich für das System. Sie sammelte Rechte bzw. national denkende Menschen, die zwar einerseits der parlamentarischen Demokratie eine Chance geben wollten, andererseits aber eben rechts waren bzw. sind. Man hatte so Namen, Kontakte, Verbindungen, ja die Kontrolle über jene Menschen, die noch glaubten, als Rechte in der parlamentarischen Demokratie eine Chance zu haben. Und man hat/hatte einen Sündenbock. Man kann/konnte immer so schön mit dem Finger auf die NPDler zeigen, deren Wahlkämpfe immer so schlecht waren/sind, dass man sich als klar denkender Mensch immer fragt/fragte, wie man so eine Antiwerbung für sich machen kann/konnte. Die NPD erfüllt/erfüllte den Zweck dem dummen Michel immer ein Bild für die bösen Rechten bzw. Nazis zu liefen und ihm zu suggerieren: Ihr wollt doch nicht wie die da sein, oder?
Also warum dann jetzt dieser Druck? Warum die NPD jetzt doch verbieten? Denn seien wir mal ehrlich. Das Urteil und die mangelnde Bereitschaft die V-Männer abzuziehen war doch nur Teil des Spiels. Die Unwissenden in den Parlamenten hatten ihren Willen und die Antifanten und Gutmenschen die Erfüllung ihrer Forderung. Das dann das BVerfG nicht mitspielte konnte ja „keiner ahnen“. Als gäbe es keine Juristen, die so etwas im Vorfeld prüfen könnten!
Nun aber scheinen sie ernst zu machen. Die NPD hat womöglich ihren Zweck erfüllt bzw. die Abwägung hat ergeben, dass ein NPD-Verbot mehr nützt als die Informationen die man durch diese Organisation bekommt.
Und hier liegt meiner Meinung nach der Kern der Frage: Warum? Weil viele Rechte den Braten längst gerochen haben? Oder steckt mehr dahinter? Ich persönlich habe keine Antwort, aber vielleicht hat der eine oder andere hier eine Idee.
Zurück zum Thema. Die oben genannten und nicht genannten Personen sind wieder nur einmal symptomatisch. Irgendwie hat mich keiner dieser Namen überrascht, weil ich schon immer der Überzeugung war, dass die führenden Köpfe die Agent Provocateur der Szene waren.
Mögen wir uns also in nächster Zeit nicht wundern, wenn noch ganz andere Leute „plötzlich“ auf der anderen Seite stehen.