Soll man sie töten?

Das ist recht eigentlich ein Beitrag, der unter Kubitscheks Kategorie Schreibtisch, Garten, Alltag rubrifiziert werden könnte.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Allein der Schreib­tisch fehlt. Der wird grad semi-fach­kun­dig restau­riert; im Gar­ten, man tut, was man kann. Es geht um Tie­re, Kin­der und Tierkinder.

Gele­gent­lich, wenn ich mich etwa zum tier­in­dus­tri­el­len „Weg­züch­ten“ von hüh­neri­schen Gluck­en­ei­gen­schaf­ten geäu­ßert hat­te oder zu Fra­gen der Ras­sen- und Art­tren­nung unse­rer Hof­tie­re, wur­de mir augen­zwin­kernd attes­tiert, ich hät­te Ana­lo­gien zum mensch­li­chen Ver­hal­ten im Hinterkopf.

Bei den Hüh­nern, die nicht mehr brü­ten & glu­cken sol­len (bei uns natür­lich schon!), ist das offen­kun­dig, bei der Getrennt­hal­tung von Ras­sen und Arten: nun ja.

Die­ses Jahr hat unser Hund jeden­falls die Enten- und Hüh­ner­zucht um kein ein­zi­ges Exem­plar dezi­mie­ren dür­fen (dafür sind einem grau­sa­men Bür­ger­krieg unter den Tür­ken­en­ten drei Jung­tie­re zum Opfer gefal­len), die Hasen wur­den von den Gän­sen sepa­riert. Durch geschick­te Trick­se­rei und repro­duk­ti­ve Ein­grif­fe haben wir neben ein paar gera­de puber­tie­ren­den Misch­lings­hüh­ner­kü­ken auch eini­ge rein­ras­si­ge jun­ge Deut­sche Reichs­hüh­ner. Die­se heu­te sel­te­ne Ras­se (schwarz­weiß­rot, stäm­mig, lei­der weni­ger intel­li­gent als unse­re hoch­be­gab­ten Sper­ber und die flin­ken Ita­lie­ner) gluckt & brü­tet näm­lich nicht. Dafür bie­ten sie reich­lich Fleisch und legen enorm gro­ße Eier.

Nun geht es um Getier, das wir nicht frei­wil­lig hal­ten: Mäu­se. Sie sind eine Pla­ge. Gera­de in Mau­se­jah­ren wie die­sem. Daß sie im Stall auf­wen­digs­te Lager-Kon­struk­tio­nen hin­ter­ge­hen, ist das eine: Fri­sche Mais­kol­ben, lie­be­voll gesät, gehegt, geer­net, ein­ge­la­gert – nach zwei, drei Wochen fin­den wir mas­sen­wei­se Strün­ke in der Lager­stät­te. Der Wei­zen ist eben­so­we­nig sicher. Die Kat­zen tun ihr mög­li­ches und häu­fen die Maus­ka­da­ver zu gru­se­li­gen Lei­chen­ber­gen auf, der Hund mag sie auch ganz gern; allein, die Mäu­se sind fruchtbarer.

Sie sind auch im Haus, das ist das ande­re. Schon immer – wir kamen nur als Nach­züg­ler hier­her. Die Brand­maus mit dem Aal­strich auf dem Rücken kommt aus Ruß­land, in West­deutsch­land gibt es sie nicht. Hier schon. Vor zwei Jah­ren haben wir aus Ver­zweif­lung die ollen DDR-Die­len in der Küche ent­fernt und schi­cke, teu­re, extrem pfle­ge­be­dürf­ti­ge Zement­flie­sen im Retro­de­sign ver­legt. Bot­schaft: No pasa­ran! Den Mäu­sen wars egal, die­sen Räu­bern, Stin­kern, Schmutz­fin­ken. Die fin­den ihren Weg.

Die­ser Tage beob­ach­te­te ich aus dem Fens­ter unse­ren Sohn, wie er im Gar­ten mit der Hand eine Maus fing und sie töte­te. Ein Dra­ma! Frü­her galt bei uns: Wer ein Tier tötet, muß es essen. Wel­chen Grund soll­te es sonst geben, einem Tier das Leben zu neh­men? Natür­lich war das Quatsch. Wir essen nicht die Weg­schne­cken und auch kei­ne Flie­gen und Mücken. Nun ist der Sohn aber einer, der erbärm­lich weint, wenn mal ver­se­hent­lich eine Spin­ne ihr Leben las­sen muß oder wenn die Nach­ba­rin im Ord­nungs­fie­ber den Bot­tich mit den Kaul­quap­pen ins Gebüsch kippt. Oder wenn er zufäl­lig Augen­zeu­ge wird, wie älte­re Tür­ken­en­ten­kü­ken ihre jün­ge­ren Halb­ge­schwis­ter tothacken.

Die Maus­tö­tung und mein Schimp­fen haben den Sohn mit­ge­nom­men. Schlim­me mora­li­sche Zwei­fel. „Ich dach­te doch nur: bevor die uns ins Haus läuft und in die Mau­se­fal­le gerät,… IHR ärgert euch doch so über die Mäu­se!“ Ja. Und er hat sie immer­hin nicht gequält. Dann gäbe es Mäus­chen aufs Schulbrot.

Heu­te fan­den sich in einem gro­ßen Weiz­en­trog zwei win­zi­ge Mäu­se. Klein­kin­der, viel­leicht fünf oder sechs Zen­ti­me­ter groß. Sie hat­ten das Para­dies gefun­den und hat­ten es schon satt. Sie woll­ten raus, rutsch­ten aber immer wie­der an den glat­ten Wän­den ab, kurz bevor die den Rand erreich­ten. Die­se Kul­ler­äu­gel­chen, die­se win­zi­gen Pföt­chen!  Wie süß, wie pos­sier­lich – die­se Ver­bre­cher! Jeder Bau­er hät­te sie tot­ge­schla­gen. Weil er dumpf ist – oder vernünftig?

„Da set­zen wir jetzt die Kätz­chen rein, die sind doch auch so nied­lich“, schlug Kubit­schek vor, „oder wir brin­gen die Kat­zen wenigs­tens in den Stall, dann hat jedes noch eine Chance.“

Nein, er tat´s nicht. Viel­leicht, weil Frau und das kleins­te Kind dabei waren. Er hat sie ein­ge­fan­gen, bestau­nen und strei­cheln las­sen – und frei­ge­las­sen. Im Win­ter haben wir sie – jede Wet­te!- im Haus. Nied­lich sind sie dann längst nicht mehr. So ist´s.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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