Der schwarze Peter – Über die Logik einer Filmvorführung

Daß die Dinge oftmals anders liegen als es den Anschein hat, ist eine alte Binsenweisheit, die man so ins Extrem steigern kann,...

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik.

daß dar­aus eine Welt­an­schau­ung wird. Am Bei­spiel des anti­is­la­mi­schen Films, der gera­de alles in Angst und Schre­cken ver­setzt, läßt sich das schön beob­ach­ten. Ob es die­sen Film nun in vol­ler Län­ge gibt oder nicht, ist dabei völ­lig unerheblich.

Ob es ein Jakob Aug­stein ist, der irgend­wel­chen repu­bli­ka­ni­schen Hard­li­nern und Israe­lis ein geziel­tes Inter­es­se an der Ver­brei­tung unter­stellt, oder ob es die Leu­te von Poli­ti­cal­ly Incor­rekt sind, die in der Sor­ge vor einer Eska­la­ti­on ein neu­es 1938 her­auf­zie­hen sehen. Egal wel­cher poli­ti­sche Stand­punkt da sonst ver­tre­ten wird, alles ist in jedem Fall ganz anders als es scheint. Und nicht sel­ten wird die Sache mora­lisch beurteilt.

Pro Deutsch­land will den Film zei­gen und schon bekommt die­se Par­tei den erwar­te­ten schwar­zen Peter zuge­scho­ben. Sich dar­über auf­zu­re­gen und ihnen eine Instru­men­ta­li­sie­rung des Films und der wahr­schein­li­chen Reak­tio­nen der Mos­lems vor­zu­wer­fen, ist nun aller­dings merk­wür­dig. Zunächst ein­mal ist Pro wie jede ande­re Par­tei dar­auf ange­wie­sen, öffent­li­che Auf­merk­sam­keit zu erre­gen, sonst wählt sie ja kei­ner. Daß sie das mit die­sen Mit­teln tut, kann man schlimm fin­den, es ist aber nur die Kon­se­quenz aus der Logik der Demo­kra­tie, in der auch nicht die bes­se­ren Argu­men­te zäh­len, son­dern der erfolg­rei­che Appell an Gefüh­le. Wer das eine will, muß das ande­re mögen und soll­te sich viel­leicht an die von rechts beju­bel­te CDU-Unter­schrif­ten­ak­ti­on gegen die Reform des Staats­bür­ger­rechts im hes­si­schen Wahl­kampf 1999 erin­nern. Die Vor­wür­fe von links lau­te­ten damals: Damit wür­den Ras­sis­mus geschürt und ein wich­ti­ges (!) The­ma instrumentalisiert.

Das Video wird nun aber von jedem instru­men­ta­li­siert, der damit zu tun hat. Es hat­te ja auch nie einen ande­ren Sinn, weil es weder einen künst­le­ri­schen noch einen sons­ti­gen Anspruch hat. Es ist ein Pro­pa­gan­da­film. Den Machern kann man vor­wer­fen, ihn in die Welt gesetzt zu haben. Wenn sie sich damit straf­bar mach­ten, möge man sie ankla­gen und bestra­fen. Wenn nicht, kann man sich viel­leicht mit der merk­wür­di­gen Auf­merk­sam­keits­ge­ne­se des Fil­mes beschäf­ti­gen. Die Auf­füh­rung des Fil­mes ist da nur ein klei­nes Puz­zle­teil. Schön, daß aus­ge­rech­net Pro, das kleins­te Licht im Dunst­kreis die­ses Ereig­nis­ses, die Maxi­mal­keu­le von allen Sei­ten dafür bekommt.

Will Pro damit den Bür­ger­krieg tes­ten, indem sie die Mos­lems bis aufs Blut reizt und hofft, daß es eska­liert? Ich weiß es nicht. In jedem Fall ist die Logik, die hin­ter die­sem Vor­wurf steht, sehr ein­di­men­sio­nal. Weil sie offen­bar die Mos­lems für Tie­re hält, denen man nur oft genug das rote Tuch vor­hal­ten muß, damit sie explo­die­ren. Doch wer glaubt denn ernst­haft, daß es sich bei sol­chen Explo­sio­nen um spon­ta­ne Ent­la­dun­gen des Volks­zorns han­delt? Bei Licht betrach­tet, wird man davon aus­ge­hen müs­sen, daß es immer Fana­ti­ker gibt, die ande­re zu Gewalt­ta­ten auf­sta­cheln. Die gehö­ren bestraft. Doch wer ist das? Pro, das einen Film zei­gen will und damit womög­lich reli­giö­se Gefüh­le ver­letzt oder der mos­le­mi­sche Ein­peit­scher, der als Reak­ti­on auf die­sen Film nicht ein Gebet für die­se Ungläu­bi­gen emp­fiehlt, son­dern ihnen Mord und Tot­schlag ange­dei­hen las­sen möchte?

Die Bericht­erstat­tung über die­se Ereig­nis­se geht offen­bar an nie­man­den spur­los vor­über. Für die Empö­rung der Mos­lems scheint man eine gan­ze Men­ge Ver­ständ­nis zu haben. Selbst wer es nur hat, wenn es fried­lich bleibt, über­sieht doch hier den zen­tra­len Punkt: Wäre es fried­lich, wür­de es kei­ne Sau inter­es­sie­ren. Inso­fern gibt es die­se Empö­rung nur gewalt­tä­tig, weil es sie sonst medi­al gar nicht gäbe. Ich erin­ne­re nur an den Trau­er­marsch von Dres­den, des­sen ord­nungs­ge­mä­ße Durch­füh­rung wegen lin­ker Gewalt nicht mög­lich ist. Hier for­dert doch unser Rechts­emp­fin­den auch, daß der Staat gegen die Gewalt­tä­ter vor­geht und nicht gegen die­je­ni­gen, von denen sich die Gewalt­tä­ter womög­lich pro­vo­ziert fühlen.

Eben­so stellt sich das auf der Ebe­ne der Got­tes­läs­te­rung dar. Ein anstän­di­ger Mensch soll­te die­sen Film als ein vom Haß dik­tier­tes Mach­werk ableh­nen und es mit Des­in­ter­es­se stra­fen. (Um es beur­tei­len zu kön­nen, soll­te er es sich natür­lich anschau­en.) Was er, ins­be­son­de­re als Kon­ser­va­ti­ver oder Rech­ter, nicht tun soll­te, ist nach dem Staat zu rufen und eine Bestra­fung wegen Blas­phe­mie zu for­dern. Die Auf­füh­rung wird, wenn über­haupt, in pri­va­ten Räu­men statt­fin­den. Kei­ner muß sich das anse­hen. Wer sich davon pro­vo­zie­ren läßt, ist also sel­ber schuld. Sobald wir anfan­gen, mit Got­tes­läs­te­rung oder der Ver­let­zung reli­giö­ser Gefüh­len zu argu­men­tie­ren, sind wir, ein­ge­denk der Tat­sa­che, daß wir in einem säku­la­ren Staat leben, dem nur bestimm­te his­to­ri­sche Ereig­nis­se hei­lig sind, auf einem schie­fen Weg und öff­nen der Will­kür in welt­an­schau­li­chen Fra­gen die letz­te Pforte.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik.

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