diesem Jahr: Mais bis Anfang Juli aufwachsen lassen, dann an jeden Stengel zwei, drei Stangenbohnen stecken – sattes Ergebnis, sichtbar nur für jene, die nicht nur das wahrnehmen, was offensichtlich ist.
Mit Kositza zu einem ausführlichen Gespräch bei einem Schriftsteller, der aufs Wort und auf den reifen Klang der Sprache den allergrößten Wert legt. Kamen irgendwann nach Mitternacht auf einen Zustand zu sprechen, von dem ich hoffte, daß er eingetreten sei, und den ich nun an Beispielen bestätigt fand: Etliche Intellektuelle, Meinungsmacher, Feuilletonisten in diesem Land absolvieren ein doppeltes Lektürepensum.
Der Schriftsteller kam von sich aus auf diesen Sachverhalt zu sprechen, weil wir kurz die long- und die shortlist der für den diesjährigen Deutschen Buchpreis nominierten Titel durchgingen. An Verlagen: 3x Suhrkamp, je 1x Rowohlt, Beck sowie Jung&Jung. Diese Bücher seien auf der Liste, weil es ein Kartell gebe, sagte der Schriftsteller (der sich selbst übrigens über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen kann!). Er wisse aber, daß die Rezensenten, die Feuilleton-Macher, solche Bücher nur läsen, weil es der Tag und der Betrieb von ihnen erwarteten. Die Besprechungen und Kommentare – und zwar nicht nur die über Bücher – fiele dann “im Rahmen des Erwartbaren” aus, pluralistisch also innerhalb eines Drahtzauns, eines Veröffentlichungs- und Wertungslagers.
Dann aber, nach dem Appell (zurück in den Unterkünften, wo man endlich Ruhe habe), würde die zweite, die andere Lektüre hervorgekramt und verschlungen, “während die Kerzen bis zu den Manschetten hinunterbrennen.” Jeder, wirklich jeder, der etwas auf sich halte, habe natürlich seinen Jünger, Davila, Schmitt, Gehlen gelesen, jeder wisse, was “das Eigentliche” (Iris Hanika) sei und daß Deutschland sich abschaffe. “Jede Seite ist die Falsche” (Michael Klonovsky) – das sei ein Allgemeinplatz, nur Idioten wüßten nicht um das Theater, das gespielt würde, über Enge, den Mief, die Kasernierung des Geistes in der totalitären Demokratie.
— Man zieht perplex von dannen nach solchen Gesprächen und mustert zuhause die Abonnentenkartei, die ja nicht zur regelmäßigen Lektüre gehört. Und siehe da: Dieser – und jener auch, und weil Kositza ein deutlich besseres Gedächtnis hat für Namen, die in der Feuilletonwelt eine erste, zweite oder dritte Geige spielen, findet sie noch viel mehr Leser, von denen wir nun wissen, daß sie eine doppelte Lektüre pflegen …
Seltsames Land, das in mancher Hinsicht und trotz aller gegenteiligen Beteuerungen die Waldgänger geradezu züchtet.
Nils Wegner
Es ja auch nur allzu verständlich, daß man als »Arbeiter der Stirn« im heutigen Pressebetrieb seine privaten »zwischenräume« bitter nötig hat, um nicht vollends geistig zu verkümmern.
Dennoch: Wie wir wissen, kann man durchaus auch daheim literarische Dissidenz betreiben und dennoch tagsüber im MiniWahr die Realität so zurechtbiegen, wie es dem »Höheren Wohl« zu entsprechen scheint.