Expressive Loslösung – der Stil der Sezession

pdf der Druckfassung aus Sezession 50 / Oktober 2012

Der Langhaarige sitzt in der Mitte. Links und rechts von ihm haben...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

die bei­den Mode­ra­to­rin­nen Platz genom­men: in Hosen­an­zü­gen, ganz pro­fes­sio­nell und sicher­lich vol­ler Hoff­nung, daß aus die­sem Gespräch ein­mal Ener­gie kom­men könn­te – das Gegen­teil also von dem, was Kunst­sze­ne-Teil­neh­mer ken­nen und als Vor­gang selt­sa­mer­wei­se stets aufs neue ertra­gen: mit­tels Deu­tung und Inter­pre­ta­ti­on näm­lich in einen dürf­ti­gen Künst­ler und sein dürf­ti­ges Werk erst hin­ein­zu­pum­pen, was eigent­lich her­aus­sprit­zen soll­te: Kraft, Kön­nen, ein unde­mo­kra­ti­scher, nicht mehr dis­ku­ta­bler, nicht ver­han­del­ba­rer Anspruch, der jäh wirkt. Eine klei­ne Ein­stiegs­fra­ge, schon bricht der Vul­kan aus:

Die Kunst­stu­den­ten sol­len stramm­ste­hen, da, wo sie sind. Die sol­len nicht in mein Ate­lier kom­men, die sol­len mir nicht ihre Map­pen zei­gen, das inter­es­siert mich nicht. Mich inter­es­siert ihr dienst­fä­hi­ges Gesicht, ich will sehen, ob sie Sol­da­ten der Kunst wer­den kön­nen, ja oder nein. … Sie wol­len eine Kar­rie­re machen, aber wenn man unter der Dik­ta­tur der Kunst dient, braucht man kei­ne Kar­rie­re zu machen: Man dient ein­fach, fer­tig! … Es gibt in der Kunst kei­ne Anar­chie. Die gan­zen Anar­chis­ten, die mit mir stu­diert haben, sind alle ganz lie­bend gern Pro­fes­so­ren gewor­den, um in die­sem hier­ar­chi­schen Furz-Sys­tem die Hämor­rhoi­den zu unter­rich­ten, die Hämor­rhoi­den am Arsch des Staa­tes. … Die Leu­te haben kei­ne Ahnung, was es bedeu­tet, sich der Kunst in den Weg zu stel­len oder sich ihr nicht in den Weg zu stel­len. Ich brau­che nicht die Leu­te, die mir ihre Kunst zei­gen wol­len und die wol­len, daß ich ihnen helfe.

Der so vom Leder zieht, heißt Jona­than Mee­se und ist eines von wer weiß wie vie­len enfants ter­ri­bles der Kunst­sze­ne. Mee­se trägt direkt aus der Tube zen­ti­me­ter­dick auf, das Gan­ze rasend schnell (gleich fünf Bil­der an einem hal­ben Vor­mit­tag, »machen, machen, machen, immer schnel­ler. Man muß in einem immer schnel­ler rasen­den Zug sit­zen, schon, um die gan­zen Beden­ken­trä­ger hin­ter sich zu las­sen«). Er imi­tiert das rhe­to­ri­sche Gefuch­tel Hit­lers und schwa­dro­niert – den Futu­ris­mus nach 100 Jah­ren als Kari­ka­tur auf­le­ben las­send – vom Total­ab­riß Ber­lins und einem über­di­men­sio­na­len Mee­se-Schreib­tisch in einem gigan­ti­schen Mee­se-Bun­ker, in dem das ein­zi­ge Besat­zungs­mit­glied Befeh­le erteilt, um sie selbst zu befolgen:

»Ich lie­be es, Befeh­le zu emp­fan­gen: Jona­than tu dies, Jona­than tu das, wach auf, steh auf, geh ins Bad, setz dich an den Tisch, mach das Mani­fest fer­tig, geh ins Büro, das ist pas­siert, jenes auch, schnell, mach wei­ter. Ich will nicht mehr auf­ge­hal­ten wer­den, ich will kei­ne E‑Mails von ich-ver­sau­ten Typen haben: Mein Traum ist, nur noch im Bun­ker zu sit­zen und das Zeug alles rauszuwerfen.«

Es waren wohl die­se Ger­ma­nia- und Hit­ler-Anspie­lun­gen, die dem Gespräch im Vor­feld der dies­jäh­ri­gen »docu­men­ta« in Kas­sel zu einem ange­mes­se­nen Ende ver­hal­fen: Ein Stu­dent, der mit Künst­ler­bart und Cord-Sak­ko dem Kli­schee ent­sprach, drän­gel­te sich nach vorn durch, wisch­te die Was­ser­glä­ser vom Tisch und stand dann etwas hilf­los her­um. Woher die­ser plötz­li­che Anhauch von Aggres­si­vi­tät? Hat­te er einen inne­ren Befehl emp­fan­gen, den ers­ten sei­nes Lebens? Hat­te er jäh fest­ge­stellt, daß auch er in einer Ein-Mann-Kaser­ne die­nen soll­te, sich selbst bean­spru­chend, beauf­tra­gend, aus­bil­dend? Oder war es glatt das Gegen­teil, näm­lich die Schmach, inner­halb weni­ger Minu­ten durch­leuch­tet, beur­teilt und abge­lehnt wor­den zu sein? Auch er – im anar­chis­ti­schen Habi­tus – eine Hämor­rhoi­de am Arsch der Kunst­för­de­rung; ein biß­chen gefüt­tert, ein biß­chen gestrei­chelt, ver­se­hen mit dem Prä­di­kat »inter­es­sant« und »gut, daß es dich gibt« – aber kei­ner, an den man sich erin­nert, der einem nicht aus dem Kopf geht, mit dem man nicht fer­tig wird.

Wer Befehl und Gehor­sam ken­nen­ge­lernt hat und die­se den Mono­log strei­fen­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form schätzt, wird Jona­than Mee­ses pro­vo­kan­ten Ent­wurf ver­ste­hen, auch wenn er mit des­sen Bil­dern nichts anfan­gen kann. Die Effi­zi­enz einer Ein-Mann-Kaser­ne: nichts über­trifft sie. Ihr Gegen­bild ist der run­de Tisch, ein Füh­rungs- und Ent­schei­dungs­mo­dell, das auf den Par­tei­ta­gen der »Pira­ten« in die Selbst­läh­mung hin­ein über­trie­ben wird: Aus­tausch ohne Ergeb­nis, Gere­de unter Leu­ten, die kei­ne Exper­ten sind, Demo­kra­ti­sie­rung und Ent­hier­ar­chi­sie­rung von Vor­gän­gen, die nur dann etwas aus­tra­gen, wenn sie straff orga­ni­siert sind. Aber so: Zeit­ver­schwen­dung, Ver­wäs­se­rung und jede Men­ge belei­dig­ter Leu­te, deren Bei­trag am run­den Tisch nicht berück­sich­tigt wur­de von jenen, die am Ende zu ent­schei­den haben.

Die Sezes­si­on ist selbst­ver­ständ­lich nicht an einem sol­chen run­den Tisch ent­stan­den und wird auch nicht von dort geführt. Sie ist viel­mehr als Rohr­post-Pro­dukt zwi­schen ins­ge­samt drei Kaser­nen rea­li­siert wor­den: Im der einen lager­te das Wis­sen, in der zwei­ten der Motor, in der drit­ten das Pul­ver. Man traf sich genau ein­mal zu dritt, hän­dig­te ein­an­der aus, was an Lage­fest­stel­lung und Auf­trags­for­mu­lie­rung aus­ge­ar­bei­tet war, leg­te die Befehls­struk­tur fest, mar­kier­te Zie­le und Auf­fang­li­ni­en. Danach: zurück in die Kaser­nen, Befehls­aus­ga­be, Stahl­helm auf, los.

Dies ist alles in allem kei­ne Legen­de, aber natür­lich kann man es auch weni­ger dra­ma­tisch erzäh­len, Karl­heinz Weiß­mann hat das in sei­nem Bei­trag für das Son­der­heft »10 Jah­re IfS« getan.

Ange­sichts der schma­len Basis des kon­ser­va­ti­ven Lagers war es nahe­lie­gend, daß an das IfS der Wunsch her­an­ge­tra­gen wur­de, die durch das ›Abrut­schen von Cri­ticón ent­stan­de­ne Leer­stel­le zu fül­len‹ (wie es Kon­rad Adam aus­drück­te). Aller­dings ver­bot der Auf­bau der Orga­ni­sa­ti­on in den ers­ten Jah­ren die Umset­zung ent­spre­chen­der Absich­ten. Erst 2003 konn­te an eine Ver­wirk­li­chung gedacht wer­den, nach­dem ein För­de­rer einen wesent­li­chen Bei­trag zur Ver­fü­gung gestellt hat­te, der es erlaub­te, neben dem Vor­trags- und Semi­nar­be­trieb des Insti­tuts auch an den Auf­bau einer Zeit­schrift zu gehen, die sich nicht der Tages‑, son­dern der Meta­po­li­tik wid­men sollte.

Dies ist das Woher und Wohin der Sezes­si­on – eben­so ratio­nal kal­ku­liert wie gegen jede Ver­nunft durch­ge­setzt: Natür­lich han­delt es sich bei die­sem Pro­jekt um eine vor zehn Jah­ren sehr nahe­lie­gen­de Aus­wei­tung des Akti­ons­rau­mes in einem Bereich, der für intel­lek­tu­el­le Rech­te wie geschaf­fen ist. Sol­che Aus­wei­tun­gen der Geschäfts­tä­tig­keit sind für jeden Selb­stän­di­gen und für jedes im Auf­bau befind­li­che Pro­jekt voll­kom­men undra­ma­ti­sche Vor­gän­ge. Gleich­zei­tig aber ist die Sezes­si­on mit einem nor­ma­len Zeit­schrif­ten­pro­jekt nicht ver­gleich­bar. Im Bereich rech­ter Publi­zis­tik ent­steht nichts von selbst, kommt nichts von selbst in Form, wird nichts begeis­tert begrüßt und vom Feuil­le­ton »nach oben geschrie­ben«. Es gibt kein Wohl­wol­len. Das, was geschaf­fen und durch­ge­hal­ten wer­den soll, muß von denen geschaf­fen und auf Dau­er gestellt wer­den, die in der Lage sind, unun­ter­bro­chen gegen die Strö­mung der Zeit anzuschwimmen.

Die­ses Wider­stän­di­ge war ein sehr wich­ti­ger Aspekt inner­halb des Unter­fan­gens, der Sezes­si­on ein unver­wech­sel­ba­res, über­zeu­gen­des und sou­ve­rä­nes Äuße­res zu geben: Wider­stands­geist in zeit­lo­ser Form, frei von Ori­gi­na­li­täts­druck, Mode­schrift oder der fata­len Über­zeu­gung, daß dem rich­ti­gen Inhalt auch ein irgend­wie zusam­men­ge­stück­tes Äuße­res genü­gen wür­de. Und so ist die­se For­mungs- und Durch­set­zungs­pha­se gekenn­zeich­net von drei Merkmalen:

1. einer anti­ro­man­ti­schen Kon­zen­tra­ti­on auf Ent­schei­dun­gen und not­wen­di­ge Hand­lun­gen, und das bedeu­tet: Beschrän­kung auf das Mach­ba­re und Redu­zie­rung auf das, was nicht nur ein­mal gelingt, son­dern immer wie­der. Denn die­ses »immer wie­der« ist in hohem Maße das Kenn­zei­chen eines Peri­odi­kums, das nicht aus dem vol­len schöp­fen kann.

2. einer Immu­ni­sie­rung gegen Kri­tik. Der Sezes­si­on wird auf zwei­fa­che Wei­se zuge­setzt: zum einen dadurch, daß der Autoren­stamm auf­grund poli­ti­scher Kon­ta­mi­na­ti­on wie selbst­ver­ständ­lich beschränkt ist; zum andern durch das nur mit poli­ti­scher Acht erklär­ba­re Aus­blei­ben einer brei­te­ren, öffent­li­chen Rezep­ti­on. Man muß, um dar­über nicht zu ver­bit­tern, eine sich selbst immer wie­der ver­ge­wis­sern­de Unbe­irr­bar­keit haben, und der­lei inne­re Über­zeu­gun­gen sind um so schwe­rer zu erschüt­tern, je bes­ser sie durch eine for­ma­le und sti­lis­ti­sche Unan­greif­bar­keit ein­ge­mau­ert sind. Dies ein­be­zie­hend, ist die Sezes­si­on – wie vor­hin schon ange­deu­tet – als eine in mehr­fa­cher Hin­sicht »inten­si­ve« Zeit­schrift kon­zi­piert und durch­ge­hal­ten wor­den: Sie führt einen Namen von sug­ges­ti­ver Sprö­de. Sie hat ein stei­les For­mat, das durch die Längs­glie­de­rung des Titels noch ver­stärkt wird. Sie legt es dem Leser hap­tisch nahe, daß er sorg­sam mit den Hef­ten umge­he. Sie stimmt – kon­zen­triert auf bestimm­te Autoren – einen Ton an, den sie nicht zur Dis­po­si­ti­on stellt, und ver­langt den Sprung über Hür­den. Sie bemüht in letz­ter Zeit den Bin­nen­plu­ra­lis­mus in Form von Debat­ten, muß dies aber noch mühe­lo­ser tun und emp­fin­det sogar das stets als gera­de noch gerecht­fer­tig­ten Bruch mit dem Grund­prin­zip der Grün­dung: kei­ne Dis­kus­sio­nen mehr, nur noch Set­zun­gen. Denn sie ist nicht päd­ago­gisch oder ver­mit­telnd, son­dern am Ende doch immer fer­tig, hin­ge­stellt, mono­li­thisch. Die Leser­schaft ist auch aus die­sem Grund in einer Art und Wei­se erle­sen, daß die Öffent­lich­keit, dürf­te sie die Kar­tei sich­ten, ver­blüfft dar­über wäre.

3. Abnei­gung gegen die »Plu­ra­li­sie­rung an ent­schei­den­der Stel­le«. Natür­lich sind weder das Rit­ter­gut Schnell­ro­da, noch die Wohn­stät­ten Karl­heinz Weiß­manns, Wolf­gang Dvorack-Stockers oder Erik Leh­nerts Kaser­nen. Man schätzt aber hier wie dort die Nei­gung einer gan­zen Epo­che nicht, fol­gen­los sich zu ver­sam­meln, zu reden, in Vor­ha­ben und gro­ßen Plä­nen zu schwel­gen. Man schätzt den kla­ren Plan, den knap­pen Ein­wurf, die Ergän­zung, die Umset­zung, das Werk­stück, den Erfolg, kurz: das Kon­kre­te mit sei­nen hab­haf­ten Bestandteilen.

Kon­zen­tra­ti­on auf das Mach­ba­re, Immu­ni­sie­rung gegen Kri­tik, Abnei­gung gegen Plu­ra­li­sie­run­gen: Der­lei prägt also die Arbeits­wei­se der Ein-Mann-Kaser­nen, die nun schon eini­ge Male Erwäh­nung fan­den und sich übers Land ver­tei­len. Schroff sein, pha­sen­wei­se ungast­lich, kon­zen­triert auf das Eige­ne, anders geht es nicht. Denn es ist nicht so, daß eine Zeit­schrift wie die Sezes­si­on nach Markt­prin­zi­pi­en betrie­ben wer­den könn­te: Schei­tert die­ses Pro­jekt, kann man nicht ein­fach wech­seln. So etwas zu machen, ist etwas ande­res als ein Beruf, es ist ein Lebens- und Arbeits­stil, ein Schreib­stil und ein Denk­stil. Es ist der Stil des geis­ti­gen Bür­ger­kriegs und des Ver­lo­re­nen Pos­tens, des Wald­gangs und des The­sen­an­schlags, ein Stil, der Maß­stä­be für eine Sze­ne set­zen muß, eben­so, wie der einer nicht von vorn­her­ein selbst­ge­wähl­ten Teil-Abkehr von der Gegen­wart. Man hat sein Leben dar­an gehängt und sagt mit gutem Recht, daß ein Ersatz für die vie­len Nach­tei­le die Mög­lich­keit ist, über die Form und die Arbeits­wei­se selbst zu ent­schei­den und dar­aus einen Stil in amor­pher Zeit zu prä­gen. Der Dienst­plan ist straff, die Ablen­kung uner­wünscht, die selbst­ge­stell­ten Kri­te­ri­en sind hart genug, es müs­sen kei­ne von außen hin­ein­ge­tra­gen wer­den. Das bis­her Geleis­te­te und das mitt­ler­wei­le hohe Maß an Erfah­rung bil­den eine nach außen sicht­ba­re, gegen das Äuße­re schüt­zen­de Hül­le. Zudem hat man den Kreis mög­li­cher Gesprä­che mehr als ein­mal abge­schrit­ten, ist ihrer über­drüs­sig und mag sich nicht stän­dig wiederholen.

Den­noch natür­lich nichts gegen den heben­den Aus­tausch, vor allem dann nicht, wenn er durch Brie­fe vor­be­rei­tet oder in Brie­fen fort­ge­führt wird, jene den Dienst­plan nicht stö­ren­de Form eines »Dia­logs unter Abwe­sen­den«. Zita­te aus einer Fun­da­men­tal­kri­tik, die jüngst ein­traf: »Ich bin gespannt, ob der Gegen­satz zwi­schen tie­fer Debat­ten- und Struk­tur­ana­ly­se, die ja hin­ter vie­len Autoren­por­traits und Tex­ten letzt­lich steckt, und Ein­ge­hen auf die Poli­tik, Hin­ge­zwängt-Wer­den zum All­tag, sich wei­ter­hin über­brü­cken läßt. Kann eine Zeit­schrift zugleich das Blatt einer gegen­auf­klä­re­ri­schen, die Fra­gen des Tages nicht ver­ach­ten­den Wahr­neh­mungs­eli­te mit durch­aus erzie­he­ri­schem Hin­ter­ge­dan­ken sein und zugleich eine im Geis­ti­gen ernst­zu­neh­men­de Sezes­si­on betreiben?«

Die Beant­wor­tung die­ser Fra­ge fiel uns nicht schwer – sie berührt den Kern unse­res Selbst­ver­ständ­nis­ses: »Den­ken Sie sich eine Sand­uhr, in des­sen obe­rem Glas sich die Körn­chen nur nach und nach zu bewe­gen begin­nen, unmerk­lich abrut­schend, wie unbe­tei­ligt. Ich sah uns dort in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, sah uns ruhend am Ran­de eines Sand­trich­ters, einer Mar­mor-Klip­pe, und die Fra­ge, wer die Ver­hält­nis­se zum Tan­zen brin­ge, war gleich­zei­tig ein Ein­ge­ständ­nis, daß sie nicht tanz­ten. Aber wenn sie zu tan­zen begin­nen, dann gera­ten wir in den Trich­ter, und es geht hin­ein in den Sand­uhr­ka­nal, beschleu­nigt, durch eine Zeit­schleu­se gewis­ser­ma­ßen, und alles wird auf den Kopf gestellt.

Man könn­te die­se Fahrt durch die Schleu­se ach­sel­zu­ckend als das hin­neh­men, was sie wohl ist: eine gro­be Umsor­tie­rung, die weder Ihre noch mei­ne Biblio­thek in Mit­lei­den­schaft zie­hen wird, und viel­leicht drückt sich die Hal­tung des Sezes­sio­nis­ten dar­in aus, daß er auch dann nicht zu lau­fen beginnt, wenn ihm der letz­te Bus vor der Nase weg­zu­fah­ren droht.

Wir haben das schon oft erwo­gen: kon­se­quent stets genau das Gegen­teil von dem zu tun, was der News­ti­cker for­dern könn­te, oder bes­ser: stets das zu tun, was der ganz eige­ne Plan for­dert als nächs­tes; sich also weder im posi­ti­ven noch im ver­nei­nen­den Sinn von außen den Tag dik­tie­ren zu las­sen. Dies aber wäre Geor­gisch, wald­gän­ge­risch, zir­kelnd, arro­gant, selbst­ver­ges­sen, auch spie­lend und künst­le­risch, wäre vom Zeit­ver­ständ­nis her geo­lo­gisch, also sozu­sa­gen außer­halb der Sand­uhr, aber nicht mehr meta­po­li­tisch. Dies wäre ein Gra­nit ohne Durchlässigkeit.

Sezes­si­on aber ist EXPRESSIVE LOSLÖSUNG: wahr­neh­men und urtei­len, auf­neh­men und for­men; auf der Höhe und außer­halb der Zeit laut­stark gehen, ent­lang roter Fäden und gestützt auf Mono­li­then – das alles in einem Heft, nicht getrennt von­ein­an­der, son­dern zusam­men­ge­führt aus Ein-Mann-Kaser­nen, in denen inner­halb eines selbst­ge­steck­ten Rah­mens und nach einem selbst­ge­schrie­be­nen Dienst­plan ein selbst­for­mu­lier­tes Pro­to­koll voll­zo­gen wird.«

So der Ant­wort­brief, und wie­der also: kräf­ti­ge Bil­der. Wer stän­dig gegen den Strom schwimmt, darf kräf­ti­ge Bil­der wäh­len, um sei­ne Arbeit zu beschrei­ben, und wer in den Bil­dern und Büchern der Neu­en Rech­ten zu Hau­se ist, weiß, daß die von Ernst Jün­ger beschwo­re­nen ein­sa­men Axt­schlä­ge zu hören sind, wenn man ein­mal inne­hält, um sich zu ver­ge­wis­sern, daß auch ande­re an der Arbeit sind. Sie sind an der Arbeit, schla­gen ihre Schnei­sen, und nicht gestört wer­den will dabei vor allem die Besat­zung des Rit­ter­guts, aus dem es aus­nahms­wei­se ein­mal deut­lich und frei nach Jona­than Mee­se tönt:

Die jun­gen Leu­te sol­len stramm­ste­hen, da, wo sie sind. Die sol­len nicht hier­her­kom­men und ihre Geh­ver­su­che vor­zei­gen, das inter­es­siert uns nicht. Uns inter­es­siert ihr dienst­fä­hi­ges Gesicht, wir wol­len sehen, ob sie Sol­da­ten der Idee wer­den kön­nen, ja oder nein: der Idee der Nati­on oder der Tra­di­ti­on, der Reak­ti­on oder der Nutz­lo­sig­keit, des Ego non oder des Si vis pacem, para bel­lum. Wenn man sich gegen unse­re Epo­che stellt und sich dem Anspruch einer deut­lich her­aus­ge­mei­ßel­ten Gegen-Gestalt unter­wirft: dem Wider­stän­di­gen näm­lich, braucht man kei­ne Kar­rie­re zu machen: Man dient ein­fach, fer­tig, öff­net den Rot­wein mit der Sche­re oder trinkt den teu­ers­ten Cognac, den man auf­trei­ben kann – nie jedoch, weil »man das so macht« oder weil es ein Bild dafür gibt irgend­wo, son­dern weil man ist, wie man ist, heu­te, jetzt, schon immer. Denn dies gehört zum unver­wech­sel­ba­ren Stil der Ein-Mann-Kaser­ne, deren Tore aus Man­gel an Ver­söh­nung mit den gegen­wär­ti­gen Ver­hält­nis­sen geschlos­sen wur­den: Nur so kann dar­in an der Form und im Stil der EXPRESSIVEN LOSLÖSUNG gear­bei­tet werden.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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