Weinen oder kämpfen – www.blauenarzisse.de

pdf der Druckfassung aus Sezession 21/Dezember 2007

sez_nr_216Interview mit Felix Menzel

Felix, Du betreibst eine Internetseite mit Namen „Blaue Narzisse". Woher kommt der Name, woher kommt die Idee zu dieser Seite?
Das Projekt Blaue Narzisse begann im September 2004 als erste chemnitzweite Schülerzeitung. Damals spezialisierten wir uns auf kulturelle Themen, politische Debatten fanden am Anfang in unserer Zeitschrift bewußt nicht statt. Blaue Narzisse setzt sich zusammen aus der Blauen Blume und eben der Narzisse. Die Blaue Blume steht in der Tradition der Romantik für unverfälschte Freiheit und die Suche nach dem Schönen. Die Konkretisierung mit Narzisse nahmen wir damals vor, um zu zeigen, daß es uns um das Individuum geht. Gedichte, Reflexionen und grundsätzliche Überlegungen zu unserer Stadt, unserem Wertesystem und der Schule fanden in der Zeitschrift zusammen. Stilistisch war die Blaue Narzisse von Anfang an keine typische Schülerzeitung.
Im März 2006 erweiterten wir dann unser Angebot und begannen den Aufbau eines Onlinemagazins. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich unser freigeistiges Projekt bereits deutlich gewandelt. Neben der eigenen Weiterentwicklung lag dies insbesondere an den Reaktionen der Schulen und Öffentlichkeit, die - unsere Inhalte ignorierend - uns schnell als rechtsextrem abstempelten. In diese Protestrolle gedrängt, bleiben einem nur zwei Möglichkeiten: Entweder man begräbt weinend das eigene Projekt oder man nimmt den Kampf an. Für die zweite Option haben wir uns entschieden.


Wel­che Inhal­te fin­den in Dei­nem Online­ma­ga­zin Platz?
Wir berich­ten und kom­men­tie­ren aus­ge­wähl­te Gescheh­nis­se der Tages­po­li­tik aus kon­ser­va­ti­ver Sicht und machen uns Gedan­ken, wel­che Alter­na­ti­ven es zur Isla­mi­sie­rung und Über­frem­dung Euro­pas, zum Ver­fall des Bil­dungs­sys­tems und zum Par­tei­en­klün­gel in Deutsch­land gibt. Dar­über hin­aus geben wir kul­tu­rel­len The­men und Arti­keln, die sich mit „rech­ter” Zukunft beschäf­ti­gen, viel Platz. In unse­rem web­log (Inter­net­ta­ge­buch) kön­nen zudem Kon­tro­ver­sen mit den Lesern statt­fin­den. Die Ein­bin­dung des web­logs und unse­res pod­casts (Inter­net­ra­dio) ver­ste­hen wir nicht nur als Werk­zeug, son­dern auch als eine inhalt­li­che Auf­for­de­rung an die deut­sche Rech­te, neue Stra­te­gien und Wege auf­ge­schlos­sen zu erproben.

Was ist der Zweck des Gan­zen, wenn wir Selbst­ver­wirk­li­chung, Expe­ri­men­tier­freu­de und das Beset­zen einer Markt­ni­sche bei­sei­te lassen?
Zuerst ein­mal wol­len wir an einer rech­ten Milieu­bil­dung mit­ar­bei­ten. Auf­grund der eige­nen Inter­es­sen­la­ge und der eige­nen Fähig­kei­ten haben wir dafür das jour­na­lis­ti­sche Betä­ti­gungs­feld gewählt. Für eine Milieu­bil­dung reicht dies natür­lich nicht aus. Des­halb enga­gie­ren sich vie­le unse­rer Autoren und Redak­teu­re zusätz­lich in Schü­ler- und Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen oder in der Bün­di­schen Jugend. Die Blaue Nar­zis­se hat den Zweck, die­sem jun­gen rech­ten Milieu eine Infor­ma­ti­ons- und Dis­kus­si­ons­platt­form zu bie­ten. Dar­über hin­aus sol­len mög­lichst vie­le jun­ge Autoren bei uns das ABC des Online­jour­na­lis­mus ken­nen­ler­nen. Opti­mal wäre es, wenn in ein paar Jah­ren eini­ge unse­rer Autoren durch ihre gute Arbeit bei uns eine Ein­stiegs­chan­ce bei eta­blier­ten Medi­en erhal­ten. Wenn wir irgend­wann ein­mal – so wie VIVA oder die taz für lin­ke – als Nach­wuchs­schmie­de für kon­ser­va­ti­ve Jour­na­lis­ten die­nen, dann haben wir viel erreicht.

Das klingt alles recht selbst­be­wußt. War­um machst Du nicht ein­fach eine ganz nor­ma­le Karriere?
Laß mich dazu etwas aus­ho­len: Mei­ne ers­ten Besu­che in den alten Bun­des­län­dern haben mein Welt­bild und das von Deutsch­land stark geprägt. Mei­ne Groß­el­tern woh­nen in der Nähe von Frank­furt am Main in einem Miets­haus mit einem Aus­län­der­an­teil von acht­zig Pro­zent. Ohne irgend­wel­che theo­re­ti­schen Vor­kennt­nis­se zu haben, war mir damals bereits klar, daß das kein dau­er­haf­ter Zustand sein darf. Die Poli­tik der letz­ten vier­zig Jah­re ist für die­sen mul­ti­kul­tu­rel­len Dau­er­zu­stand ver­ant­wort­lich, der wahr­schein­lich irrever­si­ble Schä­den hin­ter­las­sen wird. Neben der Über­frem­dung stört mich ins­be­son­de­re die Deka­denz, Gleich­gül­tig­keit und Star­re, die im abend­län­di­schen Kul­tur­kreis all­ge­gen­wär­tig ist.

Wie wird das in fünf­zehn Jah­ren aussehen?
Ich fürch­te, die Isla­mi­sie­rung Deutsch­lands wird wei­ter­ge­hen. Zwei Sze­na­ri­en hal­te ich für die mit­tel­fris­ti­ge Zukunft für mög­lich: Ent­we­der ver­mi­schen sich Deut­sche und Mus­li­me wei­ter und die deut­sche und isla­mi­sche Kul­tur gehen eine fried­li­che, aber sub­stanz­lo­se Sym­bio­se ein oder durch irgend­ein Initia­ti­ons­er­leb­nis wird die Selbst- und Fremd­wahr­neh­mung der Deut­schen ordent­lich geschärft. Wenn sich die Deut­schen ihrer bedroh­ten Iden­ti­tät bewußt wer­den, könn­te eine unge­ahn­te Dyna­mik auf dem gesell­schafts­po­li­ti­schen Feld ent­ste­hen. Ich bin mir sicher, daß dann die Poli­tik plötz­lich ganz ande­re Maß­nah­men durch­drük­ken würde.

Was uns auf­fällt: Vie­le, die sich in einem rech­ten Milieu wäh­nen, sind nie­mals für etwas, son­dern bloß gegen das, was sie umgibt. Was ist Deutsch­land für Dich, was könn­te es sein?
Das ist eine schwie­ri­ge Fra­ge, weil ich aus per­sön­li­cher Erfah­rung ja nur ein deka­den­tes und her­un­ter­ge­wirt­schaf­te­tes Deutsch­land ken­ne und mir ein bes­se­res Deutsch­land nur im Kopf kon­stru­ie­ren oder der Lite­ra­tur ent­neh­men kann. Die letz­ten zwei Sät­ze aus Wal­ter Kem­pow­skis Tage­buch 1990 - Hamit kom­men mir zu die­ser Fra­ge in den Sinn: „Hei­mat kön­nen wir abha­ken. Geblie­ben ist das Heim­weh.” Eben­so erin­ne­re ich mich an Wer­ner Ber­gen­gruens Wor­te nach dem Krieg über sei­ne Deut­sche Rei­se im Herbst 1933. Ber­gen­gruen sagt über sei­ne dama­li­ge Rad­tour durch ganz Deutsch­land, daß er damals letzt­ma­lig die gan­ze Schön­heit Deutsch­lands spü­ren konn­te und daß seit­dem alles dahinsinkt.
Den­noch fin­det sich im heu­ti­gen Deutsch­land typisch Deut­sches. Eine kul­tu­rel­le Lie­be, Ver­bun­den­heit und Bezie­hung läßt sich trotz der ver­hee­ren­den Ent­wick­lun­gen des letz­ten Jahr­hun­derts zu Deutsch­land auf­bau­en. Eine grund­le­gen­de Sub­stanz besitzt die­se Nati­on immer noch. Zu die­ser Sub­stanz zäh­len zum Bei­spiel die preu­ßi­schen Tugen­den. Auf­grund des immer noch vor­han­de­nen Bestan­des die­ser Tugen­den ist die Mög­lich­keit, daß Deutsch­land noch ein­mal einen „gro­ßen Wurf” – eine orga­ni­sche Kon­struk­ti­on des Staa­tes – ver­sucht, nicht aus­ge­schlos­sen. Allein der Ver­such eines „gro­ßen Wur­fes”, der unmit­tel­bar mit einer vita­len Idee von Deutsch­land zusam­men­hän­gen muß, wäre für mich eine Erfül­lung. Um nicht miß­ver­stan­den zu wer­den, ich wün­sche mir kei­ne Rück­kehr ins 18. Jahr­hun­dert, son­dern ein völ­lig neu­es Para­dig­ma, indem wie­der deutsch gedacht und gefühlt wird.

Bist Du rechts? Oder bloß objektiv?
Objek­tiv ist nie­mand. Es gibt nur bestimm­te Prak­ti­ken zur Objek­ti­vie­rung von Din­gen. Aus genau die­sem Grund habe ich auch ein Recht dar­auf, rechts zu sein. Ja, ich bin rechts. Ein intak­tes Sys­tem lebt davon, daß Beob­ach­ter aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven auf die­ses schau­en und an ihm arbei­ten. Des­halb wür­de es Deutsch­land auch – unab­hän­gig davon, ob kon­ser­va­ti­ve Rezep­te immer die bes­ten sind – bes­ser gehen, wenn es mehr Rech­te geben wür­de. Noch etwas wei­ter zuge­spitzt: Wer heu­te mit gesun­dem Men­schen­ver­stand auf Deutsch­land schaut, der kann eigent­lich nur rechts denken.

Wer macht mit bei Dei­nem Pro­jekt? Kommt unse­re Zeit?
Ins­ge­samt haben sich mitt­ler­wei­le etwa zwan­zig Autoren gefun­den, die für die Blaue Narzisse schrei­ben. Den­noch ist das Per­so­nal immer knapp. Der­zeit suche ich etwa jeman­den, der die redak­tio­nel­le Lei­tung der Druck­aus­ga­be über­nimmt, weil wir die Blaue Nar­zisse auch in gedruck­ter Form drei- bis vier­mal im Jahr her­aus­ge­ben wol­len. Ob die Suche erfolg­reich ver­läuft, weiß ich noch nicht. Ich habe das dump­fe Gefühl, daß es Anfang der neun­zi­ger – als Du poli­tisch und publi­zis­tisch aktiv wur­dest – ein­fa­cher war als heu­te, enga­gier­te, muti­ge und fähi­ge jun­ge Leu­te zu fin­den, die kein Pro­blem damit haben, sich mit Namen und Gesicht für die rech­te Sache ein­zu­set­zen. Vor sie­ben, acht Jah­ren gaben sich eini­ge Schü­ler der höhe­ren Klas­sen an mei­nem Gym­na­si­um mit ihrem Klei­dungs­stil deut­lich als Rech­te zu erken­nen. Heu­te fin­det man dort kei­nen ein­zi­gen mehr, der sich so akzen­tu­iert kleidet.
Ob unse­re Zeit kommt, hängt jedoch von noch mehr Ent­wick­lun­gen als nur dem Auf­tre­ten der Jugend­li­chen ab. Wenn sich die Ver­hält­nis­se in unse­rem Land rapi­de desta­bi­li­sie­ren soll­ten, dann gehe ich eben­so wie Karl­heinz Weiß­mann davon aus, daß die Nach­fra­ge nach kon­ser­va­ti­ven Steu­er­leu­ten anstei­gen wird.

Wie vie­le Kipp­fi­gu­ren gibt es unter den Stu­den­ten? Kann man sie anspre­chen? Wie muß man sie ansprechen?
Vor ein paar Wochen kam ein Kom­mi­li­to­ne zu mir und mein­te, er wür­de in mir die Ver­kör­pe­rung des neu­en kon­ser­va­ti­ven Trends sehen. Ich mach­te ihm dann deut­lich, daß die­se kon­ser­va­ti­ven Trend­set­ter, die Wolf­ram Wei­mers und Kai Diek­manns, auf die er anspiel­te, nicht weit genug gehen und daß für eine Lösung der Pro­ble­me in Deutsch­land schon eini­ges mehr von­nö­ten ist als feuil­le­to­nis­ti­sches Geschwätz.
Eini­ge Stun­den spä­ter, nach einem wei­te­ren Semi­nar, frag­te mich eine Kom­mi­li­to­nin, wie ich denn poli­tisch ticken wür­de. Sie hat bei mei­nen Mei­nungs­äu­ße­run­gen zwar eine poli­ti­sche Stoß­rich­tung fest­ge­stellt, konn­te aber nicht iden­ti­fi­zie­ren, wel­cher poli­ti­schen Strö­mung ich mich ver­bun­den füh­le. Ich sag­te ihr dann, daß ich kon­ser­va­tiv sei, womit sie wenig anzu­fan­gen wuß­te. Wenigs­tens hat sie aber erkannt, daß hier jemand ganz anders argu­men­tiert als die ande­ren Stu­den­ten. Bei Stu­den­ten, die wenigs­tens ein grund­le­gen­des Inter­es­se an ande­ren, an neu­en Ideen haben und rech­ten Gedan­ken­gän­gen inter­es­siert zuhö­ren, habe ich die Hoff­nung, daß sie irgend­wann ein­mal kip­pen. Die meis­ten Stu­den­ten jedoch gehen so gleich­gül­tig durch den Tag, daß es ihnen voll­kom­men egal ist, was ihnen von Dozen­ten in den Kopf gesetzt wird und was ein ein­zel­ner Rech­ter dazu zu sagen hat.

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