Während die einen aus dem Umfeld der Action Française (AF) kamen, der von Charles Maurras geführten Organisation, die nicht nur für die Rückkehr zum Königtum, sondern mehr noch für einen „Integralen Nationalismus” stand, gehörten die anderen zur Anhängerschaft Georges Sorels, Syndikalisten, radikale Sozialisten also, die mit einem „Generalstreik”, den die Gewerkschaften – die syndicats – zu tragen gehabt hätten, die gesamte Gesellschaftsordnung umstürzen wollten.
Daß die Radikalen beider Seiten in dieser letzten Phase der Vorkriegszeit zusammenfanden, hatte mit der Niederlage der Rechten in der Dreyfus-Affäre einerseits, mit der Enttäuschung der revolutionären Linken über die Sozialdemokratisierung der gemäßigten andererseits zu tun, vor allem aber mit der Konvergenz in der Feindbestimmung. Für Maurras wie für Sorel war, ohne den Weltanschauungsunterschied zu bestreiten, der Bürger und dessen politisches System, der Parlamentarismus, der eigentliche Gegner. Die Ablehnung der bürgerlichen Wirtschaftsordnung, des Kapitalismus, war bei Maurras nicht ganz so intensiv, aber seine Ideen zum korporativen Wiederaufbau hatten auch nichts mit Liberalismus zu tun. Er gewährte sogar einem seiner Unterführer in der AF freie Hand, der weitergehende Ideen vertrat und auf Grund seines Herkommens mit sozialistischen Gedankengängen bestens vertraut war.
Georges Valois (eigentlich: Alfred-Georges Gressent) stammte aus dem Proletariat und hatte sich die längste Zeit dem sozialistischen La ger zugerechnet. Allerdings gehörte er zu jenem Flügel der französischen Linken, der eine dezidiert nationale und wehrhafte Programmatik vertrat und jedenfalls die zunehmend pazifistische und antipatriotische Tendenz ablehnte. Weiter hat sein Katholizismus und die Überzeugung, daß eine Lösung der sozialen Frage nur auf autoritärem Wege möglich sei, dazu beigetragen, daß sich Valois zuletzt der gegnerischen Seite anschloß und von Maurras als einer der wenigen Vertreter der Arbeiterklasse in der Action damit beauftragt wurde, eine Verbindung mit dissidenten Teilen der Linken zu suchen. Hilfreich konnte dabei sein, daß in der Ideologie der Neoroyalisten die Vorstellung des Ausgleichs zwischen den „Produzenten” – denen man auch die Arbeiterschaft zurechnete – durch einen über den Parteien stehenden König eine wichtige Rolle spielte.
Was diesen Paternalismus für die Linke inakzeptabel machte, war das Fehlen jeder aktiven Mitbestimmung. Anders als Maurras dachte Valois deshalb an die Schaffung eines Rätesystems, das die Selbstverwaltung des Arbeiter-„Standes” gewährleisten sollte. Damit hatte er sich relativ weit vom programmatischen Kern der AF entfernt, aber den Ideen genähert, die im Umfeld Sorels entwickelt wurden. Das war für Edouard Berth, den Vertrauensmann des „maître” im Herausgeberkreis der Cahiers, ein ausschlaggebender Grund, sich an dem Projekt überhaupt zu beteiligen. Vorbehalte blieben allerdings. Berth und Sorel sahen zwar, daß die Nationalisten der Vorstellung von der Macht des „Mythos” offener gegenüberstanden als die Sozialisten, aber sie bezweifelten, daß die Rechte jene Dynamik entfalten konnte, die nötig sein würde, um die Epoche der Dekadenz durch einen großen Gewaltakt abzuschließen. Im Laufe der Zeit wuchs auch die Skepsis in bezug auf die Zuverlässigkeit des ungleichen Verbündeten, was erklärt, warum Berth nach relativ kurzer Zeit – es erschienen nur sechs Ausgaben – das Experiment der Cahiers abbrach.
Nach Auffassung von de Benoist sind die Cahiers denn auch kein Beispiel für den „Dritten Weg”, eher eine Art Vorläufer, dessen Scheitern man als symptomatisch betrachten muß. Seiner Meinung nach hat überhaupt erst die Wahrnehmung Sorels und Berths, daß die Rechte in wesentlichen Punkten eine Annäherung verweigerte, zu einer Klärung der Position des „Dritten Weges” geführt. Die wurde in Berths 1914 erschienenem Buch Les Méfaits des Intellectuels deutlicher erkennbar, das in Fortsetzung der Argumentation Sorels die Auffassung vertrat, daß keine „Reaktion” möglich sei, die rückgängig mache, was mit der Französischen Revolution in die Welt trat, womit die klassische Rechte bestenfalls als Verzögerer, aber nicht als schöpferischer Gestalter auftreten könne; wichtiger als diese Feststellung sei aber die Einsicht, daß die „Philosophen”, die vom Rationalismus des 18. Jahrhunderts geprägt, die Weltanschauung der Linken bestimmten, in allen entscheidenden Punkten Irrtümern aufgesessen waren, und diese jetzt so genannten Intellektuellen für alle großen geistigen Fehlentwicklungen Verantwortung trugen:
1. Die Durchsetzung des Materialismus, vor allem im Gefolge der marxistischen Theorie,
2. die damit verbundene Überschätzung des Ökonomischen, die dazu führte, daß die Weltanschauung der Linken der des Bürgertums in ihrer „plutokratischen” Fixierung spiegelbildlich entsprach,
3. die demoralisierende Wirkung des Eudämonismus mit seiner Pflege des individuellen Wohllebens und seiner Unfähigkeit, eine politische Ordnung zu stiften.
Nur die Korrektur dieser „Freveltaten”, so die Auffassung Berths, eröffnete einen Weg aus der Dekadenz, hin zu einer neuen, „tragischen Kultur”. De Benoist hat deshalb in der Einleitung zur Neuausgabe der Méfaits geäußert, daß Berth eine weitgehend geschlossene Weltanschauung des „Dritten Weges” entworfen habe, ein Konzept, das gleichweit von den Ideologien des Liberalismus wie der konventionellen Linken entfernt war. Allerdings wird man feststellen müssen, daß es das, was hier für Frankreich sichtbar gemacht wird, in anderen europäischen Ländern der Vorkriegszeit ähnlich gegeben hat: genannt seien die konservativen Staatsund die liberalen National-Sozialisten in Deutschland, die Fabier und die Sozialimperialisten in Großbritannien oder die Verfechter eines proletarischen Nationalismus in Italien.
Keine dieser Strömungen hat sich durchsetzen können, aber ihre ideologischen Impulse konnten auch nicht abgedrängt werden. Sie erlebten durch den Ersten Weltkrieg sogar eine Verstärkung. Das erklärt auch etwas von ihrer bleibenden Anziehungskraft unter den Bedingungen des Weltbürgerkriegs, der jede dritte Position einem ungeheuren Druck von zwei anderen aussetzte, die für den Westen hier, für den Osten dort einen globalen Führungsanspruch erhoben. Die krisenhafte Entwicklung der zwanziger und dreißiger Jahre führte jedenfalls nicht nur zu einer massiven Polarisierung, sondern auch zu einer besonderen Konjunktur für „linke Leute von rechts” oder „rechte Leute von links”.
Das gilt insbesondere für eine Bewegung, die man nicht unmittelbar in diesen Zusammenhang einordnet: „Die Ideologie des Faschismus und Nationalsozialismus kann auch verstanden werden als ein Ausdruck des europäischen Selbstbewußtseins zwischen den Kriegen – der dritte Weg zwischen der liberalen Demokratie des Kapitalismus und der kommunistischen Diktatur des Proletariats … Die Kraft dieser dritten Position, ihre politische Virulenz, bezog sie aus dem alten Kontinent, der sich tausend Jahre als Mitte der Geschichte verstanden hatte und nicht kampflos das Feld räumen mochte.” Die Sätze stammen von Johannes Groß und wurden in einer viel freieren geistigen Atmosphäre – zu Beginn der achtziger Jahre – geschrieben, als man sie wie jeden anderen Denkanstoß lesen konnte, nicht unter dem Gesichtspunkt des Verdachts. Denn die Formulierung diente auch dazu, eine gewisse Legitimität des faschistischen Ansatzes zu behaupten, ein Akt des historischen Verstehens, der kurze Zeit später Ernst Nolte zum Verhängnis werden sollte. Bei Nolte spielt der „Dritte Weg” als Interpretament übrigens nur eine untergeordnete Rolle, da er in erster Linie vom Dualismus Bolschewismus-Faschismus ausgeht, aber es gibt eine andere einflußreiche Deutung der Ideologiegeschichte dieser Zeit, die die entsprechende Vorstellung ganz in den Mittelpunkt rückt.
Der israelische Historiker Zeev Sternhell hat in mehreren grundlegenden Arbeiten die Auffassung vertreten, daß der europäische Faschismus primär aus dem Bedürfnis frustrierter Sozialisten entstand, einerseits die Radikalität der Linken wiederzugewinnen, andererseits die bolschewistische Despotie zu vermeiden. Von Mussolini über Déat und Doriot bis zu de Man oder Mosley lassen sich viele biographische Beispiele für diese These finden, die man unschwer um Hinweise auf die besondere ideologische Struktur der Faschismen – die immer nationalistische, also rechte, und sozialistische, also linke, Elemente verklammerten – ergänzen könnte. Entscheidend ist dabei aus Sicht Sternhells, daß die Idee eines „Dritten Weges”, jenseits der alten ideologischen Scheidelinien und jenseits der alten Klassengegensätze, das „wahre Geheimnis” der intellektuellen Anziehungskraft des Faschismus enthalte, weil sie mit der Verheißung einer „neuen Kultur” verknüpft war.
Wenn de Benoist dieser Argumentation nicht zu folgen bereit ist, hat das seinen Hauptgrund in der Ignoranz Sternhells gegenüber dem Disparaten der Entwicklung. Hier kommt vor allem dem Hinweis Gewicht zu, daß keiner der Hauptbeteiligten des Experiments von 1912 / 13 den Weg in den Faschismus gegangen ist: weder Maurras noch Sorel, der eine nahm zwar Partei für das autoritäre Vichy, blieb aber ohne Sympathie für die ideologische Kollaboration, der andere frohlockte zwar über Mussolini, der endlich „kein Sozialist in bürgerlicher Sauce” war, stand aber schon der Entstehung der „Kampfbünde” vorsichtig abwartend gegenüber, und Berth verfocht das Volksfront-Projekt lange bevor es – um entscheidende Aspekte beschnitten – realisiert werden konnte. Bleibt nur der Fall des Georges Valois, der sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von Maurras lossagte und 1925 den Faisceau – die erste faschistische Organisation auf französischem Boden – gründete. Allerdings gewann sie niemals irgendwelche Bedeutung, und, was wichtiger ist, Valois begriff rasch seinen Irrtum, schwor dem Faschismus ab und kehrte zu seinen Wurzeln zurück. Seit dem Ende der zwanziger Jahre sammelte er Anhänger um eine libertäre Zeitschrift und suchte 1935 den Wiederanschluß an die sozialistische Partei, der ihm aber verweigert wurde; unmittelbar nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht ging er in die Résistance; 1944 festgenommen, starb er kurz vor Kriegsende an den Folgen der Haft im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Wenn der Begriff „Dritter Weg” den Versuch bezeichnet, die Fehler zweier Extreme zu vermeiden, so wird man diese Leistung dem Faschismus nicht zubilligen können. Für seine Anhänger spielte die notwendige Synthese, die alle authentischen Konzepte eines „Dritten Weges” immer angestrebt haben, eine untergeordnete Rolle. Insofern kommt für eine entsprechende Zuschreibung in der Zwischenkriegszeit weniger der Faschismus in Frage, eher wird man der Kategorie Bewegungen wie den stark katholisch geprägten Personalismus oder die „Nonkonformisten” in Frankreich zuordnen können, die jungkonservativen und nationalrevolutionären Ideologien, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, in Skandinavien und in Großbritannien Anhänger besaßen, die „Junge Rechte” der Sozialdemokratie oder die „Planisten”, die Solidarier oder die „Eurasier” der russischen Emigration, die sich nicht vorbehaltlos den „Weißen” oder den alten Parteien anschließen wollten. In Deutschland, nicht nur der geographischen, sondern auch der geistigen Mitte Europas, das immer eine reiche Tradition besaß, aus der sich alle möglichen „Dritten Wege” speisten, gab es damals eine besondere Konjunktur passender Schlüsselformeln, vom „Dritten Reich” und dem „Dritten Standpunkt” bis zur „Dritten Partei” oder der „Dritten Front”.
Was alle Gruppierungen dieses Lagers verband, war nicht nur die Entschlossenheit, die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf „Lenin oder Wilson” zu verweigern, sondern auch eine besondere Sensibilität für die Defekte der Moderne, die Sorge angesichts des Traditionsabbruchs, bei gleichzeitiger Skepsis gegenüber dem Bürgertum, das nicht in der Lage war, im Wortsinn „bewahrend” aufzutreten. Daher die fortgesetzte Kritik der Plutokratie, die in ihrer Schärfe aber regelmäßig übertroffen wurde von der Ablehnung des Kommunismus, und die Suche nach einer alternativen Ordnung, die nicht nur sozial befriedend wirken, sondern auch in der Lage sein würde, die gesellschaftliche Atomisierung aufzuhalten und dauernde Stabilität zu bewirken.
Ihre Anziehungskraft gewannen solche Konzepte aus dem Sowohl-als-auch, dem Versuch, die Gegensätze zu verschmelzen und eine Ganzheit zu bilden, die den älteren dadurch überlegen sein würde, daß sie deren Einseitigkeiten vermied. Ihre Schwäche lag in der Neigung zum Weder-Noch, der Unentschiedenheit, wenn es zum Entweder-Oder kam. Das war besonders mißlich angesichts der Tatsache, daß es keinem Konzept des „Dritten Weges” in der Zwischenkriegszeit gelang, jene Massenbasis zu gewinnen, der eine moderne Weltanschauung bedarf, um sich durchzusetzen.
Das Dilemma wurde nach 1945 noch deutlicher erkennbar, vor allem da, wo es wie im geteilten Deutschland Zwänge gab, die den Rückgriff auf ein alternatives Modell besonders nahelegten, während man es andererseits mit Machtverhältnissen zu tun bekam, die eine derartige Option ausschlossen. Wenn also Ernst Jünger im Frühjahr 1946 an Ernst Niekisch, das eine an das andere Schulhaupt der Nationalrevolutionäre des Zwischenkriegs, schrieb: „Ich sehe Europa (…) als die dritte Macht, und damit als den einzigen Faktor, der die sich verschärfenden Gegensätze zwischen dem Osten und dem Westen, (…) zu neutralisieren imstande ist”, dann lag in dieser Einschätzung vor allem eine Überschätzung eigener Handlungsmöglichkeiten. Dasselbe ist auch von den Neutralisten zu sagen, die bis in die achtziger Jahre mit der „Brücken”-Funktion Deutschland argumentierten, die nicht nur geopolitisch, sondern regelmäßig auch weltanschaulich aufgefaßt wurde. Unter Rückgriff auf ältere Formen des nationalen Sonderbewußtseins haben die Anhänger des Christdemokraten Jakob Kaiser genauso wie die linken „Gesamtdeutschen” um Gustav Heinemann, der liberale Kreis um Ulrich Noack genauso wie die Nationalisten um Bernard Willms, versucht, einer Argumentation Gehör zu verschaffen, die den Vormächten der Blöcke die Wiedervereinigung als wünschenswert präsentierte, indem sie auf die Mittlerstellung Deutschlands- zwischen Ost und West, zwischen Kollektivismus und Individualismus, zwischen Zwangswirtschaft und Marktwirtschaft – hinwiesen, die dem Ausgleich der Systeme dienen sollte.
Der Begriff „Dritter Weg” wurde dabei in erster Linie außenpolitisch verstanden, die innenpolitischen Konzepte der Befürworter wichen kaum oder nur phasenweise (etwa im Falle von Kaisers „christlichem Sozialismus” der vierziger Jahre) gegenüber westlichen Vorgaben ab. Einen ganzheitlichen Ansatz wählten nur noch Außenseiter wie etwa Otto Strasser, der nach seiner Rückkehr aus dem kanadischen Exil allen Ernstes daran dachte, die „Dritte Front”, die er 1930 mit abtrünnigen Nationalsozialisten gegründet hatte, wieder aufleben zu lassen. Strasser befürwortete nicht nur die Neutralisierung eines wiedervereinigten Deutschlands, das Teil eines neutralen Staatengürtels in Mitteleuropa sein sollte, sondern auch eine Art von ständestaatlichem Sozialismus, der an Wirtschaftsreformideen der Weimarer Zeit anknüpfte. Obwohl dem in den fünfziger Jahren ein nicht unerhebliches mediales Interesse entgegengebracht wurde, gelang es Strasser nie, eine nennenswerte Anhängerschaft zu sammeln. Das Schicksal teilte er mit anderen, eher sektiererischen Gruppierungen, die einen direkten Rückgriff auf Politikmodelle der Konservativen Revolution versuchten.
Seit den sechziger Jahren schien die Idee eines „Dritten Weges” wenn überhaupt, dann nur noch von Links her aufgreifbar zu sein. Infolge der Enttäuschung vieler Intellektueller durch den Kommunismus und die Hoffnungen, die der „Prager Frühling” – das kurzlebige Projekt eines Reformsozialismus in der CSSR – geweckt hatte, bildeten sich zahlreiche Gruppen, die noch einmal versuchen wollten, eine Verschmelzung zwischen sozialistischer Wirtschaftsform und Demokratie zu realisieren. Es spielten dabei ganz allgemein die utopischen Sehnsüchte der Zeit eine Rolle, auch angebliche „Sozialismen mit menschlichem Antlitz” in der Dritten Welt (Kuba, Tansania, zuletzt noch das sandinistische Nicaragua) und schließlich die Suche nach neuen authentischen Lebensformen in Landkommunen und ökologischer Wirtschaft.
In vieler Hinsicht kann man die Partei der Grünen als erfolgreichsten Versuch ansehen, aus diesen Ansätzen eine politische Kraft zu bilden. In ihrer Formierungsphase vereinte sie nicht nur personell linke und bürgerliche – durch die Heimat- und Naturschutzbewegung bestimmte – Kräfte, sondern verlangte auch programmatisch eine basisdemokratische und genossenschaftlich-sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft. Außenpolitisch forderte man NATO-Austritt und sympathisierte mit einer Neutralisierung der Bundesrepublik, nicht nur aus pazifistischen Erwägungen, sondern auch, weil einige die Wiedervereinigung so für denkbar hielten. Daß diese „Bewegung”, die einmal „weder rechts noch links” sein wollte, dann auf dem „Dritten Weg” ins Stolpern geriet, hatte Gründe, die hier nicht zu erörtern sind. Sie waren teilweise mitverursacht von den großen Umwälzungen nach 1989, die ein Weltbürgerkriegslager erledigten und dem anderen den Endsieg zu sichern schienen.
Daß die Prognose einer alternativlosen Verwestlichung nicht unwidersprochen bleiben würde, war allerdings absehbar. Dabei kann man die nationalistischen Gruppen in Frankreich, Großbritannien und Italien, die die Alleinvertretung des „Dritten Weges” für sich beanspruchten, wegen ihrer Bedeutungslosigkeit beiseite lassen und die Versuche von Tony Blair und Gerhard Schröder – mit Anthony Giddens als philosophischem Eideshelfer -, den Begriff des „Dritten Weges” für eine neoliberal gewendete Sozialdemokratie zu besetzen, ruhig als Roßtäuscherei betrachten. Interessanter sind allemal jene Bewegungen, die seit der Entstehung des Kommunitarismus den Versuch unternommen haben, die Grundlagen gemeinschaftlicher Existenz neu zu durchdenken und die besonderen Gefährdungen in den Blick zu nehmen, die eben nicht nur der Totalitarismus, sondern auch die Konsumgesellschaft amerikanischen Musters für eine menschenwürdige Existenz bedeuten.
Als eine Variante dieses Kommunitarismus erscheint je länger je mehr auch das Konzept, das Alain de Benoist vertritt. Den Titel seiner Zeitschrift Nouvelle École – „Neue Schule” als symbolische Verbeugung vor Sorel, der eben das: die Gründung einer neuen Denkschule, gefordert hatte – mag man als Äußerlichkeit abtun, wichtiger erscheint in jedem Fall, daß hier überhaupt alternative gesellschaftliche Konzepte durchdacht werden. Das führt zu produktiver geistiger Unruhe – immer das beste an allen „Dritten Wegen” -, deren Ergebnissen man vielleicht mit Skepsis gegenübersteht, die aber notwendig ist, um so notwendiger in einer Zeit, in der uns von allen Seiten weisgemacht wird, es gehe so und nur so und nicht anders.