Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung existiert ein umfänglicher Fundus an Vorschlägen und Kombinationen im Rahmen einer lebhaften internationalen Diskussion. Das Grundeinkommen wird gefordert als Einmalbetrag, als wiederkehrende Leistung oder als Steuergutschrift (Negativsteuer, Freibetrag). Es soll individuell, also ungeschmälert durch eine Bedarfsgemeinschaft wie Familie oder Lebensgemeinschaft, berechnet werden. Die geforderte Höhe variiert von wenigen hundert Euro bis auf ein veritables Wohlstandsniveau von 1.500 Euro. So fordert Werner Beträge zwischen 850 und 1.500 Euro.
Ministerpräsident Althaus fordert ein Bürgergeld von 800 Euro, alternativ 400 Euro bei Einkommen über 1.600 Euro. Ein Krankenkassenbeitrag von 200 Euro ist in seinem Modell enthalten; Eigeneinkünfte sollen mit 50 Prozent, im zweiten Fall mit 25 Prozent besteuert werden. Soweit die Steuerlast das Grundgehalt nicht konsumiert, wird es ausgezahlt (Negativsteuer).
Ihren Ursprung hat die Idee des voraussetzungslosen Grundgehaltes in der neuzeitlichen Naturrechtslehre, die zwar als Bestandteil der europäischen und amerikanischen Geistesgeschichte erheblichen Einfluß auf die Verfassungsschöpfungen nahm, für sich genommen aber nicht Verfassungsrang hat.
Thomas Morus (1478–1535) entwarf in seinem schwärmerisch-radikalen Phantasie-Bericht Utopia eine „ideale” Gesellschaft, deren Grundversorgung aus durch chronische Überproduktion angehäuftem Reichtum bestritten wird. Dies funktioniert, weil die Bewohner zur eigenen Freude genau das tun, was sie sollen, nämlich arbeiten und der Staatsmoral widersprechende Vergnügungen meiden. Abweichler werden drakonisch bestraft. Im einzelnen enthält die Darstellung gravierende Wertungswidersprüche; inwieweit es sich dabei um ein kohärentes politisches Programm, bloße Sozialkritik oder gar Satire handelt, ist umstritten.
Erhebliche Strahlungskraft haben bis heute die Ideen des politischen Schriftstellers Thomas Paine (1737–1809), der zu den Gründervätern der USA gezählt wird.
Aus einer naiven Vorstellung vom Leben der Indianer gewann er die Überzeugung, Armut werde durch Zivilisation erzeugt; im Naturzustand der Menschen komme sie nicht vor. Der Staat habe sicherzustellen, daß es allen Bürgern besser gehe als im vorstaatlichen Naturzustand. Ursprünglich hätten alle Menschen gleiches Recht an der Schöpfung. Dieses Recht sei durch Einführung des Grundeigentums als Folge der ertragsteigernden Bodennutzung (cultivation) stark eingeschränkt worden. Daher habe jeder Bürger mit Erreichen der Volljährigkeit Anspruch auf eine Einmalzahlung von 15 Pfund Sterling, die aus Grundabgaben zu bestreiten sei. Dieser Idee folgte der Staat Alaska, der seinen Bürgern seit 1976 jährlich zwischen 300 und 2.000 Dollar aus Erdöldividenden auszahlt, da diese die Effizienz herkömmlicher Bodennutzung überschreiten.
Fraglich ist aber eine Begründung, wenn eine Volkswirtschaft keine derartigen Sondereinnahmen zu verteilen hat. Eines der häufigsten Schlagworte ist die altehrwürdige „Menschenwürde”. Oft wird dabei vergessen, daß diese dem Staat keine konkreten Handlungsformen gebietet, sondern lediglich verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen und die Subjektsqualität des einzelnen grundsätzlich in Frage zu stellen.
Das meint eine Abwehr existentieller Bedrängnis. Der Staat hat geeignete Instrumentarien zum Schutze der Menschenwürde zu entwickeln. Daraus läßt sich ein Sozialstaatsgebot, nicht aber eine Forderung nach allgemeiner Wohlstandsteilhabe, einem soziokulturellen Existenzminimum ableiten. Die Forderung nach einem Steuerfreibetrag oder einer Negativsteuer verkennt, daß der Steuerfreibetrag auf Erwerbseinkommen den Charakter der Einkommensteuer als faktische Zwangsarbeit wenigstens auf Ebene des Existenzminimums zu mildern sucht. Denn der Arbeitslose muß eine vergleichbare Zwangsarbeit, warum auch immer, nicht leisten – John Rawls spricht von Freizeit als sozialökonomischem Privileg.
Gelegentlich ertönt die Mahnung, Arbeitslose würden durch die Verfahrensgestaltung, insbesondere die Bedürftigkeitsprüfung, die eine vollständige Offenlegung der persönlichen Verhältnisse verlangt, gedemütigt. Solche individuellen Prüfungen würden in der Tat zumindest teilweise wegfallen. Und durch diesen Wegfall der als repressiv empfundenen Arbeits- und Sozialverwaltung würde gleichzeitig die Verwaltung vereinfacht, obwohl sie – je nach Modell – nicht in dem Maße überflüssig würde, von dem manche Befürworter des Grundgehalts träumen.
Ein großes Problem, vor allem beim Modell zweier Steuer- und Grundgehaltsklassen, stellt die zeitliche Verschiebung der Zuwendung zur nachgereichten Steuerprüfung dar. Steuergutschrift könnte dann nur rückwirkend im Steuerbescheid berücksichtigt werden. Es bliebe die Feststellung erforderlich, ob eine das Grundeinkommen konsumierende Steuerpflicht besteht oder nicht und ob die diesbezüglichen Angaben wahrheitsgemäß sind. Alle heutigen Sozialfälle wären auch weiterhin mit dem bisherigen Aufwand individuell zu betreuen. Da das Grundeinkommen die Sozialfürsorge ersetzen soll, wären Bürger ohne ausreichendes Arbeitseinkommen – dies sind nach Götz Werner etwa zwei Drittel aller – auf einen Vorschuß angewiesen, der nur aufgrund einer Einkommensprognose bewilligt werden könnte, also einer Bedürftigkeitsprüfung. Wird das Grundeinkommen dagegen zu Beginn des Berechnungszeitraumes an alle ausgezahlt und später von etwa einem Drittel der Bürger wieder zurückgefordert, so hätte der Staat auf Jahresfrist zusätzlich erhebliche Außenstände.
Nicht alle Ideen laufen auf radikale „Vereinfachungen” hinaus. Die FDP fordert in ihrem 56. Parteitagsbeschluß 2005 eine Negativsteuer mit einkommensabhängigen Anrechnungsstufen und Bedürftigkeitsprüfung. Einige Stimmen wollen individuelle Lebenserschwernisse wie Krankheit, Alter, Behinderung berücksichtigen. Je diffiziler allerdings ein Konzept, desto geringer wird naturgemäß die praktische Vereinfachung ausfallen. Gerechtigkeit, verstanden nicht als Gleichmacherei, sondern als vergleichend-wertende Antwort auf die Frage nach der Relevanz von Unterschieden, bedarf des Verwaltungsaufwands. Auch Formalismus und Bürokratie dienen, sofern nicht Selbstzweck geworden, der Gerechtigkeit.
So muß, wer behauptet, er habe durch andere Schaden erlitten, dies nach herkömmlichem Verständnis beweisen. Behauptet ein Arbeitsloser, andere seien schuld, daß er nicht arbeite, so gibt es eine Art Beweislastumkehr: Der Staat glaubt ihm zunächst und zahlt Lohnersatz- und Sozialleistungen. Erst wenn der Arbeitslose zumutbare Arbeit ausgeschlagen hat, gilt als erwiesen, daß es eben doch an ihm selber liegt, und die Leistungen können ihm gekürzt werden.
Die moralische Überlegenheit des Grundgehalts soll indes darin liegen, daß es die Menschen vom Zwang der Arbeit befreie. Die Arbeitgeber würden so gezwungen, auch für unbequeme Tätigkeiten optimale Vergütung und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Verschlankung von Strukturen wird hier freilich ausgespart, denn die Einschränkung der dann wohl überflüssigen Arbeitnehmermitbestimmung fordert selbstverständlich niemand, im Gegenteil: Die Arbeitnehmer, so Vandenborght/van Parijs, hätten eine bessere Position in Tarifverhandlungen, da sie nicht vom Inhalt der Streikkassen abhängig seien. Daß das Streikrecht gerade im faktischen Zwang des Arbeitnehmers zur Erwerbsarbeit gründet, wird geflissentlich übersehen.
Götz Werner hält das Leben der alten Griechen für erstrebenswert, die nicht gearbeitet hätten, sondern ihre Sklaven arbeiten ließen. Unsere Sklaven seien die Maschinen. Diese sorgten für Überfluß. Allgemeiner Wohlstand sei nur noch ein Verteilungsproblem. Befreit vom Zwang zu arbeiten, könnten die Menschen auch gering bezahlte Arbeit annehmen oder sich je nach Lust ganz schöngeistigen, ehrenamtlichen, familiären oder sonst erbaulichen Tätigkeiten hingeben, ohne finanzielle Nachteile zu erfahren.
Tatsächlich beschert uns die Automatisierung heute ein nie dagewesenes Produktionsniveau. Allerdings weist diese Argumentation den übli chen Fehler eines dialektischen Geschichtsbildes auf: Wer garantiert uns denn, daß der erreichte technische Stand, die Überflußgesellschaft endgültig sind und auf ewig erhalten bleiben? Friedrich W. A. Fröbel legte dar, wie wichtig die Erziehung zur Arbeit für die Entwicklung des jungen Menschen ist. Erziehung zur Arbeit als „Ausbildung des Körpers selbst als Werkzeug des Geistes” durch planvolle Herstellung eines für andere verwertbaren Erzeugnisses – dies erst führt doch zur Internalisierung des „Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat” (1 Petr 4, 10). Arbeit fördert die moralische Selbstverortung des Menschen. Sie festigt den Charakter durch Hinleitung zu Erfolg und sozialer Anerkennung. Nach Fröbel ist sie „Mittel zur Vervollkommnung des Wesens des Menschen durch Erkenntnis”.
Zu was sollen hingegen Kinder erzogen werden, denen vermittelt wird, Arbeit sei beliebig, unnötig, vermeidenswert, gar menschenunwürdig? Schon heute sind Sozialhilfe-Dynastien entstanden, die keinen Kontakt mehr zu Arbeitenden haben und deren Zöglinge in Schule und Berufsleben chancenlos sind, und so könnte es das Grundeinkommen selbst sein, das eines Tages die Axt an die Wurzel des Wohlstands legt. Denn Arbeitsneigung ist – anders als etwa Werner zu meinen scheint – den Menschen nicht in die Wiege gelegt, und einen besseren Lehrmeister als den Mangel gibt es nicht. Wer aber in Zeiten des Überflusses die Rückkehr des Goldenen Zeitalters feiert und freudig das Ende der Erwerbsarbeit verkündet, setzt kommende Generationen außerstande, unter widrigen Bedingungen zu existieren.
Bis heute wird verkannt, daß ein hypothetisches Recht an einem ideellen Teil der Schöpfung für sich noch keinen Wohlstand garantiert. Wohlstand tritt immer nur ein, wo Handlungsmöglichkeiten erfolgreich genutzt werden. Ein Mensch wäre auch dann in der Lage, aus Faulheit oder Unfähigkeit zu verhungern, wenn ihn niemand hinderte, die Natur unumschränkt zu nutzen. An sich ist das Niveau des Urzustandes überwunden, wenn Lebensmittel- und medizinische Versorgung aller sichergestellt sind. Dies wurde weniger bei Naturvölkern, als in industriellen Massengesellschaften erreicht.
Die Effizienzsteigerung der Ressourcennutzung ist für Thomas Paine made by cultivation. Ähnlich anonym bezeichnen verschiedene Autoren unterschiedlicher Provenienz – auch Werner – die Errungenschaften der Industrialisierung und folgern daraus, daß ihre Früchte allen zustünden. Daß jedoch hinter jedem Erfolg fähige und regsame Menschen stehen, jeder Ertrag, der mehr als seinen Mann versorgt, keineswegs selbstverständlich ist, wird übersehen: Man stolziert vor Gericht und erhebt Rechtsanspruch auf Geschenke.
Tatsächlich handelt es sich bei der Stellung des Menschen zu den Gütern der Schöpfung nicht um ein Recht, sondern um eine bloße Erwerbsaussicht. Die Vernunftschöpfung „Recht” erkennt, daß alle Menschen ein gleiches Schema an Grundbedürfnissen haben. Daher mißt sie allen die gleiche Rechtsqualität zu, unbeschränktes Nutzungsrecht (Eigentum) an Gegenständen der Schöpfung erwerben zu können. Dem trägt der Staat Rechnung, indem er jeden als Rechtssubjekt anerkennt und neben einer Existenzsicherung Regeln gebietet, nach denen sich jeder „verwirklichen” kann. Den Rahmen, in dem dies geschieht, geben hingegen weniger formale Beschränkungen, als die tatsächlichen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten vor, die meist mit höchst individuellen Sonderbedürfnissen einhergehen. Daher ist eine Rechtsordnung geboten, die möglichst vielen Menschen möglichst breite Entwicklungschancen gibt. Bei der Abwägung dessen, was dem einzelnen zulasten anderer bedingungslos zuzuwenden sei, gewinnen jedoch die Belange des Gemeinwohls und das individuelle Verdienst jedes Bürgers an Gewicht. Eine Pflicht des Staates, sich auf riskante sozialpolitische Experimente einzulassen, gar ein Recht auf allgemeine Wohlstandsteilhabe, besteht nicht.