16. April 2009
Keine Krise ohne Werte
Erik Lehnert
In der gestrigen FAZ-Beilage "Natur und Wissenschaft" hat der Ideenhistoriker Ulrich Sieg einen erhellenden Beitrag über die "Geburt der Wertphilosophie aus der Terroristenfurcht" veröffentlicht. Er nimmt dabei die beiden Attentate auf Wilhelm I. im Jahre 1878 als Anstoß für die Wertphilosophie und belegt damit, daß der Ruf nach Werten immer dann erfolgt, wenn der Angriff bereits stattgefunden hat:
Die Verunsicherung des Jahres 1878 rührte vor allen Dingen von der Tatsache her, daß das zweite Attentat nicht vom Rand, sondern der Mitte (mit Bezug zur Spitze) der Gesellschaft ausging. Dr. Karl Nobiling, der Attentäter, stammte aus einer preußischen Offiziersfamilie. Sieg zitiert dazu aus einem Brief von Theodor Fontane an seine Frau:
Massen sind immer nur durch Furcht oder Religion, durch weltliches oder kirchliches Regiment in Ordnung gehalten worden, und der Versuch, es ohne dies große Weltprofosse leisten zu wollen, ist als gescheitert anzusehen. Man dachte, in "Bildung" den Ersatz gefunden zu haben, und glorifizierte den "Schulzwang" und die "Militärpflicht". Jetzt haben wir den Salat.
Die Wertphilosophen, insbesondere Wilhelm Windelband, behaupteten in dieser Situation, daß die Philosophie als kritische Wertwissenschaft in der Lage sei, die zum Erhalt der Gesellschaft notwendigen Werte zu bestimmen. Dazu brauchten sie die Annahme eines "Normalbewußtseins", das diese Werte gleichsam garantieren sollte.
Bismarck dachte da ungleich realistischer: Er empfahl die Beschränkung der Studentenzahlen, da die terroristischen Ideen vor allem bei unzufriedenen Akademikern auf fruchtbaren Boden fielen. Wenn man an Dostojewskis Romane denkt, lag Bismarck damit gar nicht so falsch. Im Zeitalter des Nihilismus ist auch auf das "Normalbewußtsein" kein Verlaß mehr.
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