Als Pound kurze Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, 1949, den neu gestifteten Bollingen-Preis für Lyrik für seine in amerikanischer Gefangenschaft entstandenen Pisaner Cantos erhielt, brachen die Kontroversen auf, wurde aufs heftigste debattiert, wie man nun mit einem möglicherweise zwar guten, aber eben politisch unliebsamen Dichter verfahren sollte. Pounds Fall ist als Signatur des zwanzigsten Jahrhunderts vergleichbar etwa dem von Thorkild Hansen so faszinierend geschilderten „Fall Hamsun”. Pound hatte sich in den Augen der Welt durch seine Unterstützung der Achsenmächte im Krieg politisch kompromittiert, er hatte unzählige Radiosendungen für den italienischen Rundfunk aufgenommen, die dann nach Amerika ausgestrahlt wurden. Pound hatte in diesen zugegebenermaßen vielfach wirren und unverständlichen Ansprachen versucht, die Amerikaner davon zu überzeugen, daß sie sich nicht am Krieg beteiligen sollten und daß seine – Pounds – Ideen der Welt Rettung bringen würden. Repräsentativ für Stil und Rhetorik seiner Ansprachen verkündete er beispielsweise am 10. Dezember 1943: „Jeder Mensch, der nicht ein hoffnungsloser idiotischer Wurm ist, sollte erkennen, daß der Faschismus in jeglicher Hinsicht der russischen Judenherrschaft überlegen ist und daß der Kapitalismus zum Himmel stinkt.” War das Hochverrat? Kollaboration? War er vollkommen verrückt geworden, ein Fall für die Psychiatrie? Letztendlich wurde Pound wegen seiner Ansprachen nie der Prozeß gemacht, zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Hochverrats kam es nicht. Da auf Hochverrat die Todesstrafe stand, wurde Pound für verrückt erklärt, um den Prozeß zu umgehen. Er wurde statt im Gefängnis in der psychiatrischen Klinik St. Elizabeths untergebracht. Dort blieb er, entmündigt, zwölf Jahre lang, bis es dem vereinten Bemühen seiner Dichterfreunde Eliot, Hemingway, MacLeish und Frost gelang, ihn herauszuholen.
In seinem größten Gedicht, den Cantos, gibt uns Pound ein „Logbuch seiner Irrfahrten und seines Scheiterns” (Eva Hesse), der Irrfahrten eines Poeten-Odysseus durch die Turbulenzen und Stürme des zwanzigsten Jahrhunderts, die uns noch (und nur?) in seinem Scheitern eine Lehre sein können. Pound zu lesen ist ein Akt der Selbsterkenntnis des modernen Menschen, ein ungemein forderndes und anspruchsvolles Unterfangen zwar, doch nicht vergeblich. Pound wirft die Frage nach der Möglichkeit eines „paradiso terrestre”, eines irdischen Paradieses auf, danach, ob und wie der Mensch in seinem Leben zur Erfüllung gelangen kann, und er versucht, dieser Frage mit poetischen Mitteln beizukommen. Die Lehre des Scheiterns ist wesentlich eine negative Lehre: Ein politisches Leitbild kann Pound uns nicht bieten, denn dazu hatte er zu viel Anteil an den Irrtümern dieses Jahrhunderts: „Ob meine Irrtümer anderen von Nutzen sein können, weiß allein Gott.”
1885 in den USA geboren (und daher als amerikanischer Dichter in den Literaturgeschichten verbucht), studierte Pound zunächst Literatur an der University of Pennsylvania und in New York, sein Spezialgebiet war Romanistik, spanische Dichter und französische Troubadoure, worüber er sein Buch The Spirit of Romance schrieb. 1908 siedelt er nach Europa über, unternimmt Reisen, lebt bis 1920 in London, macht die Bekanntschaft William Butler Yeats’ und Wyndham Lewis’, geht dann nach Paris. 1924 zieht er nach Italien, wo er bis zu seiner Verhaftung bleiben wird, meist in Rapallo. Er widmet sich, wenn man den Nachrichten über ihn Glauben schenken darf, den Frauen, vielen Frauen, woraus ein für Pounds Dichtung beziehungsweise Dichtungstheorie zentrales Merkmal erwuchs: Pound sah wie Wyndham Lewis eine enge Verbindung zwischen Kunst und Sexualität, Sexualität und Kreativität, ihm galt der Koitus als Weg der Erkenntnis. Wenn es auf einen Dichter zutrifft, so war sicherlich Pound ein (wie es im Jargon der Dekonstruktion heißt) „phallozentrischer” Dichter, ein „Phallogozentrist”, der das schöpferische Prinzip mit dem männlichen Prinzip identifizierte. Sexuelle Freiheit und eine große Abneigung gegen Askese verbanden ihn in Sympathie mit den Troubadouren des Mittelalters, die wegen eben dieser Haltung von der Kirche bekämpft worden waren. Descartes’ cogito ergo sum wurde bei Pound ersetzt durch „J’ayme donc je suis” – Ich liebe, also bin ich.
Ezra Pound war ein „musikalischer Dichter”, ein Dichter, dem Musik, dem die Musikalität von Dichtung viel bedeutete. „Dichtung muß als Musik, nicht als Rhetorik gelesen werden.” Wie aber liest man Musik? Mit einem Ohr für das, was Pound die „Eigenmusik des Dichters” nennt. „Literarisches” Gespür allein reicht keinesfalls aus. „Ein Dichter, der nichts für Musik übrig hat, ist, beziehungsweise wird, ein schlechter Dichter.” Dichtung, die der Musikalität ermangelt, ist schlechte Dichtung, gute Dichtung braucht die Musikalität der Worte. Sie erschließt sich, wie Musik überhaupt, nur dem intensiven und wiederholten Studium, zu dem uns die Ahnung des im Kunstwerk enthaltenen Reichtums verlockt. Pounds Dichtung besitzt diese stark ausgeprägte Eigenmusik. Es könnte sich also lohnen, Pound zu lesen, ihm ein Ohr zu leihen.
Pounds Dichtung erfüllt geradezu idealtypisch Harold Blooms idiosynkratisches Kriterium der Kanonizität eines literarischen Werkes: strangeness, Befremdlichkeit, Seltsamkeit, Fremdheit. In der Tat ist Pounds Leben wie Werk von einer geradezu befremdlichen Fremdheit. Und es ist eine der Eigentümlichkeiten dieser strangeness, daß sie auch bei zunehmender Vertrautheit nicht verschwindet, sondern auf einer höheren Ebene erhalten und immer anwesend bleibt. Pound war aber nicht nur ein moderner Lyriker, sondern besaß ein ungewöhnlich breites und vielseitiges kulturelles Interesse. Pounds Anmerkungen und Streichungen waren für die endgültige Gestaltung des Gedichts der Moderne schlechthin, T. S. Eliots The Waste Land, ohne Frage hochbedeutsam und stellen nicht sein geringstes Verdienst dar. Zudem machte er sich um die Wiederentdeckung der Musik Vivaldis und die Förderung zahlreicher anderer Künstler, Dichter und Musiker verdient. Pound half uneigennützig, wenn er vom Wert einer Sache überzeugt war, und wirkte unermüdlich in der Künstlerszene seiner Zeit, eine literarische Bewegung nach der anderen kreierend (Vortizismus, Imagismus). Pound versuchte erfolgreich, seinem eigenen Ratschlag für Dichter und Künstler zu folgen: „Lasse Dich von so vielen großen Künstlern wie möglich beeinflussen, doch besitze den Anstand, Deine Schuld entweder offen zu bekennen oder versuche, sie zu verbergen.” Die großen Künstler, von denen Pound, durch keine Theorie der Einflußangst bekümmert, sich beeinflussen ließ, waren Legion: Homer, Sextus Propertius, Ovid, Dante, Li Po, Whitman, Browning, Yeats, Cavalcanti …
Pound wandte sich gegen die aristotelische Höherbewertung der vita contemplativa gegenüber der vita activa; das Risiko des politischen Handelns als Dichter nahm er auf sich – mit dem Erfolg, daß er zum Paradigma für das große Thema des zwanzigsten Jahrhunderts wurde: das Verhältnis der Künstler, der Dichter, der Intellektuellen zur Politik und der Verrat der Intellektuellen. Hätte er dem Rat seines Freundes Henry Mencken folgen sollen? Dieser hatte ihm wegen Vernachlässigung der Dichtung zugunsten der Politik vorwurfsvoll am 29. November 1936 geschrieben: „Sie haben Ihren großen Fehler begangen, als Sie sich vom Geschäft der Lyrik abwandten und sich als eine Art Wunderheiler der Gesellschaft betätigten.” Wie aber sah dies aus? Wie sah Pounds politische Vision in den zwanziger und dreißiger Jahren aus? Nachdem er in den Jahren um den Ersten Weltkrieg seine politische Bildung durch die sozialistische Zeitung New Age im antikapitalistischen Sinne erhalten hatte, spielten ökonomische Fragen in seinem Denken eine immer größere Rolle, was sich schließlich auch in seiner dichterischen Produktion zeigen sollte. Zentral waren für Pound vor allem zwei Probleme: die Anerkennung des Künstlers durch die Gesellschaft und die Bekämpfung des Wuchers. Was das erste anbelangt, so kam er schnell zu der Überzeugung, daß der Faschismus mehr als andere Systeme die Künstler schätzte und würdigte, und Mussolini war in Pounds Augen ein Künstler (ein gutes Beispiel für Walter Benjamins zeitweise überstrapaziertes Wort vom Faschismus als Ästhetisierung der Politik). Auch machte er sich – vergebliche – Hoffnungen, die faschistische Politik in seinem Sinne beeinflussen zu können.
Im Wucher aber sah Pound das Übel, „das Krebsübel der Welt, das nur vom Chirurgenmesser des Faschismus aus dem Leben der Völker herausgeschnitten werden kann”. Wie schon der Titel seines Buches Jefferson and / or Mussolini andeutet, ging es Pound um eine – sicherlich sehr eigenwillige – Kombination von Jeffersonscher Demokratie und Faschismus: „Jeffersonian Fascism” als Fortsetzung der Amerikanischen Revolution von 1776. Zwar lehnte Pound die Übernahme des Mussolini-Faschismus in Amerika ab, doch sah er starke Affinitäten zwischen den grundlegenden Ideen Jeffersons und Mussolinis. Ezra Pound verstand sich als Linksfaschist und befürwortete daher die nach dem Sturz Mussolinis errichtete kurzlebige Republik von Salò, die in Pounds Augen mit dem positiven Gehalt des Faschismus Ernst zu machen schien. Was weltpolitische Zusammenhänge betrifft, so schien Pound in jener Zeit der Wirklichkeitssinn immer mehr abhanden zu kommen. Ans Groteske grenzt sein wohl zumindest halbernster Vorschlag (der zudem ungemein charakteristisch für Pounds Vorstellung einer kulturellen Reform ist), die USA sollten Guam an Japan übergeben – und zwar im Austausch für 300 Filme von Nô-Spielen; diese sollten dann der Erziehung und Bildung begabter amerikanischer Studenten dienen!
Sein unleugbarer Antisemitismus ist in hohem Maße bestimmt durch seine entschieden heidnische (eleusinische) Ablehnung des Monotheismus. Dominierte später der Wucher seine Vorstellungswelt, so hielt er anfangs die Religion für die Wurzel allen oder doch fast allen Übels, weshalb er denn auch bereits 1914 das „Ende des christlichen Zeitalters” proklamierte. Er scheute sich nicht, in seinen Radioansprachen im Zweiten Weltkrieg wie auch während seiner Internierung in St. Elizabeths anderen die Lektüre der infamen Protokolle der Weisen von Zion zu empfehlen sowie den Ku-Klux-Klan zu unterstützen, wobei er peinlich darauf achtete, daß seine ihn häufig besuchenden Künstler- und Dichterfreunde von diesen Aktivitäten nichts bemerkten. Er lehnte die Zehn Gebote radikal ab („Das Judenbuch ist Gift …”). Den Talmud hielt er für „eine Art Gangster-Handbuch” (ein Urteil, das kaum als Ergebnis eigener Lektüre angesehen werden kann), die Vorstellung von der Erbsünde war ihm eine jüdische Erfindung zwecks Unterjochung der Natur des Menschen. Pound machte sich zudem das antisemitische Stereotyp vom Juden als Wucherer zu eigen und identifizierte so „den Juden” mit dem aus einer Sicht größten aller Übel.
Die zentrale Rolle, die der Wucher in Pounds ökonomischen Vorstellungen spielte, war abgeleitet aus denjenigen Theorien, aus denen Pound seine Ideen bezog: Clifford H. Douglas’ Social Credit und Silvio Gesells an Proudhon orientierter Freigeld- beziehungsweise Schwundgeldtheorie. Silvio Gesell, Finanzminister der Episode gebliebenen anarchistischen Münchner Räterepublik, hatte in seinem Hauptwerk Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld eine der Natur des Menschen angepaßte Ordnung entworfen, die sich auf den Wettstreit als grundlegendes Prinzip stützt und anarcho-liberale Züge trägt. Im Anschluß an das positiv verstandene Manchestertum und vor allem an die Ideen Pierre-Joseph Proudhons richtete sich Gesell schroff gegen die Marxsche Lehre, die er für grundverkehrt hielt.
Pound griff den Gedanken Gesells auf, Proudhon habe im Gegensatz zu Marx die Riegel- oder Sperrnatur des Geldes erkannt. Um den Zins und den Mehrwert zu verhindern und abzuschaffen, schlug Gesell die Einführung des sogenannten Freigeldes vor, durch das Geld und Ware vollkommen gleichwertig werden sollten. Der unnatürliche Charakter des Geldes gegenüber allen anderen Waren sollte dadurch aufgehoben werden, daß das Geld regelmäßig einen bestimmten Prozentsatz seines Nominalwertes verliert und durch Kauf von Wertmarken wieder auf den ursprünglichen Wert gebracht werden kann. Gesell erhoffte sich davon eine stete Zirkulation des Geldes, da das Schwundgeld im Gegensatz zu üblichem Geld nicht gewinnbringend akkumuliert werden kann.
Pound war denn auch hochbegeistert als er erfuhr, daß Anfang der dreißiger Jahre im österreichischen Wörgl ein zunächst erfolgreicher Versuch mit Gesells Freigeld unternommen wurde, der nur durch Intervention der Zentralbank beendet werden konnte. Pounds Geldtheorien und Anspielungen auf finanzgeschichtliche Zusammenhänge tauchen immer wieder leitmotivartig in den Cantos auf. Der Wucher (usury, usura, neschek) steht im Mittelpunkt der zu Recht gepriesenen Usura-Cantos 45 und 51, die eindrucksvoll zeigen, wie das ökonomisches Übel des Wuchers in das Leben der Menschen eingreift und sie ihrer Natur entfremdet, sie daran hindert, ein ihrer Natur gemäßes Leben zu führen. Der Wucher ist eine „Sünde wider die Natur”: Contra Naturam. Die ganze Kultur krankt an dieser Sünde, die Künstler werden an ihrer Arbeit gehindert, den Liebenden wird ihre Liebe zerstört durch usura: „Der Wucher bringt Verkalkung in die Jugend, legt sich zwischen Braut und Bräutigam ins Bett”. Erst in einer späten Notiz vom 4. Juli 1972 über den Wucher übt Pound vier Monate vor seinem Tod Selbstkritik, mit dem Wucher habe er ein Symptom für eine Ursache gehalten: „Die Ursache ist Habgier.” Damit aber konnte das Problem nicht mehr „den Juden” angelastet werden, sondern es erwies sich als ein allgemein-menschliches, womit er sich zugleich zum Mißfallen mancher Kritiker auch vom Marxismus distanzierte.
Nach 1945 wird Pound von den amerikanischen Besatzungstruppen in Italien verhaftet und im bei Pisa gelegenen Disciplinary Training Center gefangengehalten, zunächst in einem „Affenkäfig”. Später kann er sich dort seiner Dichtung widmen und der Lektüre des Konfuzius. Das Produkt dieser Zeit sind die berühmten Pisaner Cantos, ein Dokument eines menschlichen Schicksals in unserer Zeit von anrührender Eindringlichkeit, vergleichbar-unvergleichbar vielleicht mit Carl Schmitts Glossarium und Knut Hamsuns Auf überwachsenen Pfaden. „Pull down thy vanity”, laß ab von Eitelkeit, so klingt es dem Leser dieser odysseischen Gesänge in den Ohren, in diesen Gesängen, die wie wenige von einer Irrfahrt berichten, von der Irrfahrt des Ezra Pound durch dieses zwanzigste Jahrhundert. „Ich bin Niemand, mein Name ist Niemand.” Pull down thy vanity, I say pull down. Pound wußte um seine große Schwäche, und im Eingeständnis seines Scheiterns liegt der vielleicht größte Triumph über die Eitelkeit.
Pound war ein großer Anreger und Lehrer, der der stumpfen, dummen Welt mit allen Mitteln seine Einsichten vermitteln wollte, um dem zum Durchbruch zu verhelfen, was er als richtig erkannt hatte („Let us take arms against a sea of stupidities” – „Zu den Waffen gegen eine See von Dummheiten!”). Dieses Bedürfnis nach Belehrung der Menschheit und seiner amerikanischen Mitbürger brachte ihn wohl zu seinen berüchtigten „Radio speeches” während des Zweiten Weltkrieges, aber auch zur Abfassung seines ABC des Lesens. Das erzieherische Motiv scheint aber auch noch in seiner anspruchsvollen und daher nicht immer leicht verständlichen Lyrik auf, die zudem viele fremdsprachliche Zitate enthält, griechische, chinesische, französische, italienische, lateinische. Pound erwartete von seinen Lesern etwas zumal heutzutage keineswegs Selbstverständliches, nämlich daß sie von ihrer Intelligenz Gebrauch machten. „Wenn wir niemals etwas anderes schrieben als was bereits verstanden wurde”, so antwortet er in Canto 96 auf Kritik, „würde der Bereich des Verstandes niemals erweitert werden. Manchmal nimmt man für sich das Recht in Anspruch, für eine kleine Zahl von Leuten mit besonderen Interessen zu schreiben, deren Neugier sich bis in die Details erstreckt.” Ein solches Kulturverständnis ist elitär, doch wer würde ernsthaft bestreiten, daß es Dinge gibt, die nur „für eine kleine Zahl von Leuten mit besonderen Interessen” wirklich von Belang sind? „Man braucht ungefähr sechshundert Leute, um eine Zivilisation ins Werk zu setzen” – das ist Pounds aristokratisches Credo. Nur, welcher klardenkende Mensch würde bereit sein, sich der aristokratischen Herrschaft der Schriftsteller, Künstler (und womöglich der Intellektuellen) zu unterwerfen? Die romantisch-revolutionäre, vom Dichter Percy B. Shelley geprägte Vorstellung von den Dichtern als den „geheimen Gesetzgebern der Welt” setzte sich bei Pound um in den Traum von der wirklichen Herrschaft der Kunst, und das heißt der Künstler, im Faschismus. Nach Pound weiß der Künstler, „daß er dazu geboren wird zu herrschen, aber er hat keine Absicht zu versuchen, mittels des allgemeinen Wahlrechtes zu herrschen.” Inmitten all der Stupidität und des Schwachsinns der Massen, den Pound um sich wahrzunehmen meinte, war für ihn das Problem, eine Gruppe voranschreitender Dichter am Leben zu erhalten, „die Künste in den ihnen zustehenden Rang als anerkannte Führer und Leuchten der Kultur einzusetzen”.
Daß Pound trotz oder auch wegen seines Scheiterns einer der großen Dichter der Moderne ist, von seinen frühen Gedichten mit ihren vielen Glanzstücken bis zu manchen der Cantos, kann ernsthaft kaum mehr bestritten werden, und es hat nur noch – freilich erhellenden – Kuriositätswert, daß Ende 1945 der Verlag Random House erklärte, Pounds Gedichte würden aus der Anthology of Famous English and American Poetry entfernt. Begründung: „Random House wird keinen Faschisten veröffentlichen. Außerdem glauben wir nicht, daß Ezra Pound gut genug oder wichtig genug ist, um ihn aufzunehmen”. 1958 kann Ezra Pound die USA in Richtung Italien verlassen, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbringt. In Venedig stirbt er am 1. November 1972 im Alter von siebenundachtzig Jahren.
Erst spät, so sehen es die Biographen, habe er seinen Irrtum, seine Irrtümer eingesehen, als er dem zu Besuch in Venedig weilenden Allen Ginsberg gegenüber, zu einer Zeit, in der er fast gänzlich verstummt war und in sich gekehrt, bekannte: „Was immer ich an Gutem getan habe, ist durch böse Absichten verdorben worden – die Beschäftigung mit irrelevanten und dummen Sachen.” Und mit besonderem Nachdruck setzte er hinzu: „Aber mein schlimmster Fehler war dieses dumme spießige Vorurteil des Antisemitismus”. Der verstummende Dichter war zuletzt seines Fehlers gewahr geworden. Die Suche nach dem irdischen Paradiso war mißlungen, zumindest der rechte Weg nicht gefunden. Die Cantos spiegeln in ihrer Unvollendetheit diese Bilanz des Poundschen Schaffens. Im Scheitern, im schmerzlich bewußten Scheitern zumal, in die dichterische Form der Cantos gegossen („these fragments shored against ruin” – „diese Fragmente gegen den Ruin gestützt”), erkannte Pound den vielleicht letzten Sinn seiner Existenz: „Doch daß man tat statt nicht zu tun / dies ist nicht Eitelkeit / … / Zu lesen aus der Luft lebendige Überlieferung / und aus dem Greisenaug die unbesiegte Flamme / Dies ist nicht Eitelkeit. / Der Fehler liegt im Nicht-tun / Und in dem Kleinmut, der nichts wagte …”. Am Ende seines Lebens gab Pound der Nachwelt zu Protokoll, was zu denken gibt: „Tu was du kannst, um die Unschuld zu retten. Verhindere, daß dieser Pound-Einfluß sich weiter verbreitet.”