So oft haben wir die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die vermeintliche Monopolisierung und schleichende Gleichschaltung der Medien angeprangert. Und nun finden wir endlich Gehör, ausgerechnet in Brüssel, das wir bisher schmählich verkannt und verleumdet haben. Die FAZ vom 21. 1. meldet:
Berater der EU-Kommission sehen die Pressefreiheit in Europa in Gefahr. Sie schlagen eine stärkere Überwachung durch den Staat vor. Einige Medien sollten auch finanziell unterstützt werden.
“Moment mal… Pressefreiheit und stärkere Überwachung durch den Staat? Wie soll denn das zusammengehen? Und von welchem ‘Staat’ ist eigentlich konkret die Rede??”, werden nun einige unverbesserliche Miesmacher einwenden. Gemach, und keine Sorge, es ist alles nur zu unserem Besten:
Eine von der EU-Kommission einberufene Beratergruppe hat empfohlen, die sich rasch verändernde Medienwelt stärker vom Staat überwachen zu lassen, um Pluralismus und Qualität zu wahren. Die Gruppe unter Vorsitz der früheren lettischen Präsidentin Varia Vike-Freiberga schlug am Montag vor, dass künftig die Europäische Grundrechteagentur die Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in den Mitgliedstaaten der EU kontrollieren solle. (…)
Die Beratergruppe schreibt, dass die Pressefreiheit in Europa von politischer Einflussnahme, übermäßigem kommerziellen Druck, einer sich verändernden Medienlandschaft mit neuen Geschäftsmodellen und dem Aufstieg neuer Medien bedroht sei. Für ein besonders großes Problem hält die Gruppe einen schleichenden Qualitätsverlust in der Berichterstattung, wie Frau Vike-Freiberga darlegte. Er stamme unter anderem daher, dass mit den neuen Medien wie dem Internet jedermann Informationen verbreiten könne. Deshalb schlägt die Gruppe auch vor, unprofitable Medien, die für die Meinungsvielfalt „unerlässlich“ seien, staatlich zu fördern.
Das sind doch mal gute Nachrichten! Nun kommen zweifellos goldene Zeiten auf uns randständige, aber “unerläßliche” Medien mit “unprofitablen” Meinungen zu, die bislang weder politisch noch finanziell kontrolliert, will natürlich sagen: gefördert wurden. Minderheiten müssen schließlich in Schutz genommen werden, damit sie nicht durch unlauteren Wettbewerb vom Feld gedrängt werden. Wie wir wissen, gäbe es ja keine “Buntheit” und “Vielfalt” in dieser trägen, drögen, geistig verarmten, hoffnungslos homogenen Kartoffelwelt, wenn “der Staat” nicht ständig kräftig nachhülfe.
Wahre Geldströme werden nun fließen, um finanzschwache und stiefmütterlich behandelte Blogs wie Korrektheiten, Fakten-Fiktionen oder Ernstfall aufzupäppeln. Die BpB wird auf Anweisung der Brüsseller Kommission Broschüren herausgeben, in denen im Interesse des Pluralismus dem vom linksliberalen Mainstream gelangweilten Leser alternative Zeitschriften wie Junge Freiheit und Zuerst! ans interessierte Herz gelegt werden. Staatliche Zuschüsse werden gewährleisten, daß sich auch diese Blätter über Wasser halten können und nicht vom Markt gefegt werden. Allmächtige alte Tanten wie die Zeit oder die FAZ werden per Quotenregelung gezwungen, ihre Ausgrenzungsstrategie zu beenden und fortan regelmäßig Bücher der Edition Antaios und aus dem Ares-Verlag zu rezensieren.
War ja auch Zeit, daß das allgemeine journalistische Niveau wieder per Ukas angehoben wird. Der “Qualitätsverlust in der Berichterstattung” ist in der Tat ein Riesenproblem, seit jeder dahergelaufene, ungebildete Depp im Internet Informationen verbreiten und kommentieren darf, ganz ohne staatliche Förderung und wie es ihm gerade paßt. Wo kämen wir denn da hin? Ausgesiebt werden müssen selbstverständlich auch alle schlechten Menschen und Kanaillen mit ethischen Defekten:
Die Gruppe plädiert außerdem dafür, dass sämtliche Medien einen Verhaltenskodex und ihre redaktionellen Richtlinien veröffentlichen müssen.
Mit frommen Sprüchen allein wird man die Linien freilich nicht gerade bekommen:
Die Beratergruppe, der auch die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin angehört, sprach sich dafür aus, in allen EU-Staaten unabhängige Medienräte vorzuschreiben, die Strafzahlungen verhängen, Gegendarstellungen erzwingen oder Medien die Zulassung entziehen können.
So kann man es auch im britischen Telegraph nachlesen:
Der hochrangige EU-Ausschuß (…) wurde letztes Jahr von Neelie Kroes (EU-Kommissarin für “Digitale Agenda”) beauftragt, einen Report über “Medienfreiheit und Pluralismus” zu erstellen. Er kam zu dem Schluß, daß neue Regeln eingeführt werden müssen, um die Presse an die Leine zu legen.
“In allen EU-Länder soll es unabhängige Medienräte geben”, so der Report. “Die Medienräte sollten reale Durchsetzungsvollmachten besitzen, wie die Verhängung von Geldstrafen, Verfügungen für gedruckte oder gesendete Gegendarstellungen (“apologies”) oder die Aberkennung des journalistischen Status.”
Damit aber der Willkür vorgebaut wird, sollen diese Medienräte allzu “unabhängig” allerdings nicht sein:
Neben der Einsetzung staatlicher Kontrolleure, die drakonische Strafen erteilen dürfen, empfahl der Ausschuß außerdem, daß die Europäische Kommission die Gesamtkontrolle übernimmt, damit die neu eingesetzten Wachhunde keine EU-Gesetze brechen.
Sezession im Netz erwartet also schon mit Vorfreude und Aufatmen die tatkräftige Zuwendung des EU-Pluralismusministeriums!
Marcus Junge
„In allen EU-Länder soll es unabhängige Medienräte geben“,
Medien-Sowjets, davon hat wohl selbst Lenin nicht geträumt. Und das alles ohne Revolution vorher.