Populisten, Pils und Schnitzler

von Heino Bosselmann

Im bösen Nordosten der Republik trinken in den wenigen verbliebenen ländlichen Kneipen die Rechten, Linken...

und Mit­tel­mä­ßi­gen manch­mal quer­front­ar­tig Dar­gu­ner Pils. Man denkt dabei weh­mü­tig an Georg Weerths Gedicht, aber lei­der ist nur der Jah­res­zeit nach Vormärz.

Plötz­lich hör­te ich einen der schwe­ren Jungs, einen Bau­ma­schi­nen­ver­lei­her, im Dis­put sagen: „Da, wo die Lin­ke an die Macht gekom­men ist, war sie eigent­lich gleich rechts. Star­ker Staat und so, allen eine Rich­tung ver­pas­sen. Ideo­lo­gie. Und ver­su­chen, ein gan­zes Volk zu erzie­hen und noch den letz­ten Trot­tel in die Spur zu schi­cken. Nach der Revo­lu­ti­on war’s mit Demo­kra­tie bei denen immer vor­bei. Voll preußisch.“

Wären zu einer sol­chen Popu­lar­phi­lo­so­phie noch schlaue Anmer­kun­gen nötig? Man nickt beflis­sen und grü­belt ein biß­chen. Alle Ach­tung. Prost! Pause.

Unauf­dring­lich gab ich ein paar Gedan­ken Carl Schmitts dazu. Carl Schmitt kann­te kei­ner. Dann schoß mir Karl-Edu­ard von Schnitz­ler ein, der berühmt-berüch­tig­te Chef­kom­men­ta­tor des DDR-Fern­se­hens, jener zum Kom­mu­nis­ten kon­ver­tier­te Aris­to­kra­ten­s­proß, der nach eige­ner Dar­stel­lung sogar Uren­kel des Kai­sers war, nach dem Krieg als talen­tier­ter Jour­na­list beim Nord­west­deut­schen Rund­funk in Köln begann und mit der poli­tisch moti­vier­ten Kün­di­gung durch den bri­ti­schen Chief-Con­trol­ler Gree­ne in die sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne und die SED übertrat.

Von Schnitz­ler kom­men­tier­te ab 1960 in „Der Schwar­ze Kanal“ klas­sen­kämp­fe­risch und ver­bis­sen Bei­trä­ge des West­fern­se­hens und galt man­chen als roter Gegen­spie­ler Ger­hard Löwenthals. Kaum jemand moch­te, aber alle kann­ten ihn; und er war zwar ein knall­har­ter kal­ter Krie­ger, dabei jedoch auf sei­ne Wei­se geschlif­fe­ner Rhetoriker.

Prompt mel­de­te sich einer sei­ner Sät­ze, der ein­zi­ge, den ich parat hat­te, weil ich als Ober­schü­ler Pflicht­teil­neh­mer eines Von-Schnitz­ler-Vor­trags war und mir über die­se eine Sen­tenz lan­ge Gedan­ken gemacht hat­te. Sie lau­te­te: „Alles, was vom Wes­ten kommt, kommt vom Feind. Auch die Wahrheit!“

Die Lin­ke an der Macht. Reins­ter Carl Schmitt. Kaum eine mar­kan­te Aus­sa­ge mög­lich, die die Freund-Feind-Theo­rie bes­ser illus­triert. Gut, die Lin­ke wird dage­gen­hal­ten: Das war noch kein rich­tig demo­kra­ti­scher Sozia­lis­mus. Kal­ter Krieg, Sta­li­nis­mus, Post­sta­li­nis­mus. Lei­der! Und dann Karl-Edu­ard! Also bit­te! – Zuge­stan­den. Aber dort, wo die Lin­ke bis­her Staat mach­te, ent­schied sie in Gestalt ihrer Nomen­kla­tu­ra tat­säch­lich über den Aus­nah­men­zu­stand. Und wie.

Hat es denn irgend­wo so rich­tig Sozia­lis­mus gege­ben?, frag­te einer. – Viel­leicht in Schwe­den, ant­wor­te­te ein ande­rer, in den sech­zi­ger und sieb­zi­ger Jah­ren. Olof Pal­me und so. Und nur für gut neun Mil­lio­nen Men­schen in einem Land, das sich aus dem Zoff raus­hielt. Aber alles lan­ge, lan­ge vorbei.

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