Keiner hat dies in eindrucksvolleren Bildern beschrieben als Franz Kafka.
Diese Erfahrung der Ohnmacht trifft besonders auf Schriftsteller und Künstler zu. In seiner frühen, 1909 veröffentlichten Erzählung „Gespräch mit dem Beter“ deutet Kafka dieses Dilemma: Während der Schriftsteller in das stundenlange, ausdrucksstarke Gebet vertieft ist, beobachtet das Publikum den Betenden und fordert Erklärungen. Die eigentlichen Motive des Beters interessieren die Voyeure wenig, erst eine nette Sommergeschichte weckt ihr Interesse.
Doch um „Sommergeschichten” geht es nicht. Literatur muß fundamental sein, sie muß am Selbstverständlichen rütteln und die „Alternativlosigkeit“ unserer Tage wenigstens gedanklich zum Einsturz bringen. Alternativlos, so die politische Elite unseres Landes, seien die Bankenrettung, der demographische Kollaps der Deutschen und die EU-Bürokratie. Alternativlos seien auch der Konflikt zwischen Kindern und Beruf und die möglichst glatte Anpassung an eine anonyme, bürokratische und ökonomisierte Wohlstandsgesellschaft. Der Künstler muß in dieser Umgebung eine „Seekrankheit auf festem Lande” spüren, schreibt Kafka.
Junge Leute, die dieses Gefühl auch haben, konnten sich im letzten Jahr am Franz-Kafka-Jugendkulturpreis zum Thema „Alternativlosigkeit“ beteiligen. Initiiert wurde der Preis vom Förderverein der Blauen Narzisse, der vor zwei Jahren schon einmal einen Jugendkulturpreis mit Rainer Maria Rilke als Namenspatron ausrichtete. Gewonnen hat den Kafka-Preis der 25-jährige Alexander Schleyer aus Wien mit dem Gedicht „Vielfalt”. Er schildert darin das Dilemma des lyrischen Ichs zwischen Nostalgie und Gegenwart, Idealen und Realismus, Suche und Beobachtung. Alternativlos erscheint diese Zerrissenheit als „Einsamer unter der Masse”. Ein Ausweg deutet sich jedoch an: Es sind die klaren, „blauen Momente der Stille”, in denen „kleine Geschichten von gestern” erzählt werden.
Mit der Bleistiftzeichnung „amor fati” erhielt der 26-jährige Arturo Ornelas den zweiten Preis. Ornelas ist kein Unbekannter: Eines seiner Werke wurde bereits in dem Buch Erste Worte nach dem Gedankenstrich. Beiträge zum Rilke-Preis abgedruckt. In seinen Zeichnungen setzt sich Ornelas mit geschichts- und kulturphilosophischen Themen auseinander, unter anderem mit Niccolò Machiavelli und dem „Geheimnis als einziger Realität, der man vertrauen kann”.
Auf den dritten Platz kam die 21-jährige Geraldine Reichard aus Bonn. In ihrer Kurzgeschichte „Arielle” schildert sie einen aussätzigen Jungen, der aus ihm nicht bekannten Gründen von seinen Mitschülern ausgegrenzt wird. Mit erzählerischer Kraft beschreibt Reichard eine kafkaesk anmutend Entwicklung und zugleich Ohnmacht gegenüber einer anonymen, bürokratischen Schulverwaltung. Wer einmal gegen den Zeitgeist und die Trägheit im Bildungswesen rebelliert hat, dem dürfte die beschriebene Situation bekannt vorkommen.
Die ersten drei Plätze sind jeweils mit 300, 200 und 100 Euro dotiert. Die Siegerbeiträge und ausgewählte Einsendungen werden zudem im März 2013 in der Plakatzeitschrift der Blauen Narzisse veröffentlicht.